den soll. Da kommt es nur drauf an, daß einmal ein Anfang ge¬ macht wird, der für den Fortgang und für's Fertigwerden Bürgschaft gibt, und ist also ein kleines umgepflügtes Flecklein fast schon so wichtig, wie das ganze künftige Neubruchland.
Er hat mich gar wohl gefaßt, versetzte der alte Herr mit freund¬ lichem Lächeln. Wenn das Reich Gottes auf Erden erscheinen und ihm die Stätte bereitet werden soll, so thut es zuerst Noth, daß ein Kern von guten Menschen gezogen wird, von welchen die Güte und der Segen allmählich auf die Andern übergehen kann. Die müssen aber festhalten wie ein Häuflein Streiter, von denen der Ausgang einer Schlacht abhängt. Ja, mein Sohn, fuhr er fort und legte ihm die abgemagerte Hand auf dieselbe Schulter, welche vorhin der Aufseher so unsanft berührt hatte: da muß man den Pflug über das trotzige Herz gehen lassen, da muß man eine Beleidigung nicht mit Thätlichkeiten erwidern, die in's Zuchthaus führen. Vielmehr wer zu jenen Kern¬ truppen geboren will, der muß gegen seinen Feind gar noch ein gu¬ tes Wort und ein freundlich Gesicht aufzuwenden haben, und was noch weit mehr heißen will, es muß ihm sogar von Herzen gehen.
Der Jüngling, der irgend einen Widersacher im Geiste vor sich stehen sehen mochte, trat bei dieser Zumuthung betreten einen Schritt zurück. Die Große der Aufgabe war ihm augenscheinlich schwer auf's Herz gefallen. -- Aber, sagte er, da wird Mancher denken wie es im Evangelium heißt: "das ist eine harte Rede, wer kann sie hören?"
Der Greis lächelte. Mein junger Freund ist sehr bibelfest, ver¬ setzte er: ich bemerke das heut nicht zum erstenmal. Die besten Kern¬ sprüche, die schönsten Liederverse hat er fest im Kopfe behalten, aber ob auch in einem feinen Herzen? Das ist nun die Frage. Diese schönen Stellen, welche die Jugend in den Schulen auswendig lernt, und oft recht gedankenlos dahersagt, sind Samenkörnern zu vergleichen. Nun ist es zwar um ein Samenkorn ein edles Ding, aber der auf¬ gewachsene Baum und seine Früchte sind doch noch etwas ganz An¬ deres. O mein lieber Friedrich, ich fürchte, -- bei diesen Worten hob er liebreich den Finger gegen ihn auf, -- ich fürchte, dieses trotzige Gemüth muß noch durch Leiden gebeugt und recht umgebrochen werden, wenn es ein Boden werden soll, darin der Same zu Früchten aufgehen kann. Mein Sohn, habe Er immer Den vor Augen, von
den ſoll. Da kommt es nur drauf an, daß einmal ein Anfang ge¬ macht wird, der für den Fortgang und für's Fertigwerden Bürgſchaft gibt, und iſt alſo ein kleines umgepflügtes Flecklein faſt ſchon ſo wichtig, wie das ganze künftige Neubruchland.
Er hat mich gar wohl gefaßt, verſetzte der alte Herr mit freund¬ lichem Lächeln. Wenn das Reich Gottes auf Erden erſcheinen und ihm die Stätte bereitet werden ſoll, ſo thut es zuerſt Noth, daß ein Kern von guten Menſchen gezogen wird, von welchen die Güte und der Segen allmählich auf die Andern übergehen kann. Die müſſen aber feſthalten wie ein Häuflein Streiter, von denen der Ausgang einer Schlacht abhängt. Ja, mein Sohn, fuhr er fort und legte ihm die abgemagerte Hand auf dieſelbe Schulter, welche vorhin der Aufſeher ſo unſanft berührt hatte: da muß man den Pflug über das trotzige Herz gehen laſſen, da muß man eine Beleidigung nicht mit Thätlichkeiten erwidern, die in's Zuchthaus führen. Vielmehr wer zu jenen Kern¬ truppen geboren will, der muß gegen ſeinen Feind gar noch ein gu¬ tes Wort und ein freundlich Geſicht aufzuwenden haben, und was noch weit mehr heißen will, es muß ihm ſogar von Herzen gehen.
Der Jüngling, der irgend einen Widerſacher im Geiſte vor ſich ſtehen ſehen mochte, trat bei dieſer Zumuthung betreten einen Schritt zurück. Die Große der Aufgabe war ihm augenſcheinlich ſchwer auf's Herz gefallen. — Aber, ſagte er, da wird Mancher denken wie es im Evangelium heißt: „das iſt eine harte Rede, wer kann ſie hören?“
Der Greis lächelte. Mein junger Freund iſt ſehr bibelfeſt, ver¬ ſetzte er: ich bemerke das heut nicht zum erſtenmal. Die beſten Kern¬ ſprüche, die ſchönſten Liederverſe hat er feſt im Kopfe behalten, aber ob auch in einem feinen Herzen? Das iſt nun die Frage. Dieſe ſchönen Stellen, welche die Jugend in den Schulen auswendig lernt, und oft recht gedankenlos daherſagt, ſind Samenkörnern zu vergleichen. Nun iſt es zwar um ein Samenkorn ein edles Ding, aber der auf¬ gewachſene Baum und ſeine Früchte ſind doch noch etwas ganz An¬ deres. O mein lieber Friedrich, ich fürchte, — bei dieſen Worten hob er liebreich den Finger gegen ihn auf, — ich fürchte, dieſes trotzige Gemüth muß noch durch Leiden gebeugt und recht umgebrochen werden, wenn es ein Boden werden ſoll, darin der Same zu Früchten aufgehen kann. Mein Sohn, habe Er immer Den vor Augen, von
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0021"n="5"/>
den ſoll. Da kommt es nur drauf an, daß einmal ein Anfang ge¬<lb/>
macht wird, der für den Fortgang und für's Fertigwerden Bürgſchaft<lb/>
gibt, und iſt alſo ein kleines umgepflügtes Flecklein faſt ſchon ſo<lb/>
wichtig, wie das ganze künftige Neubruchland.</p><lb/><p>Er hat mich gar wohl gefaßt, verſetzte der alte Herr mit freund¬<lb/>
lichem Lächeln. Wenn das Reich Gottes auf Erden erſcheinen und<lb/>
ihm die Stätte bereitet werden ſoll, ſo thut es zuerſt Noth, daß ein<lb/>
Kern von guten Menſchen gezogen wird, von welchen die Güte und<lb/>
der Segen allmählich auf die Andern übergehen kann. Die müſſen<lb/>
aber feſthalten wie ein Häuflein Streiter, von denen der Ausgang<lb/>
einer Schlacht abhängt. Ja, mein Sohn, fuhr er fort und legte ihm<lb/>
die abgemagerte Hand auf dieſelbe Schulter, welche vorhin der Aufſeher<lb/>ſo unſanft berührt hatte: da muß man den Pflug über das trotzige<lb/>
Herz gehen laſſen, da muß man eine Beleidigung nicht mit Thätlichkeiten<lb/>
erwidern, die in's Zuchthaus führen. Vielmehr wer zu jenen Kern¬<lb/>
truppen geboren will, der muß gegen ſeinen Feind gar noch ein gu¬<lb/>
tes Wort und ein freundlich Geſicht aufzuwenden haben, und was<lb/>
noch weit mehr heißen will, es muß ihm ſogar von Herzen gehen.</p><lb/><p>Der Jüngling, der irgend einen Widerſacher im Geiſte vor ſich<lb/>ſtehen ſehen mochte, trat bei dieſer Zumuthung betreten einen Schritt<lb/>
zurück. Die Große der Aufgabe war ihm augenſcheinlich ſchwer auf's<lb/>
Herz gefallen. — Aber, ſagte er, da wird Mancher denken wie es im<lb/>
Evangelium heißt: „das iſt eine harte Rede, wer kann ſie hören?“</p><lb/><p>Der Greis lächelte. Mein junger Freund iſt ſehr bibelfeſt, ver¬<lb/>ſetzte er: ich bemerke das heut nicht zum erſtenmal. Die beſten Kern¬<lb/>ſprüche, die ſchönſten Liederverſe hat er feſt im Kopfe behalten, aber<lb/>
ob auch in einem feinen Herzen? Das iſt nun die Frage. Dieſe<lb/>ſchönen Stellen, welche die Jugend in den Schulen auswendig lernt,<lb/>
und oft recht gedankenlos daherſagt, ſind Samenkörnern zu vergleichen.<lb/>
Nun iſt es zwar um ein Samenkorn ein edles Ding, aber der auf¬<lb/>
gewachſene Baum und ſeine Früchte ſind doch noch etwas ganz An¬<lb/>
deres. O mein lieber Friedrich, ich fürchte, — bei dieſen Worten<lb/>
hob er liebreich den Finger gegen ihn auf, — ich fürchte, dieſes<lb/>
trotzige Gemüth muß noch durch Leiden gebeugt und recht umgebrochen<lb/>
werden, wenn es ein Boden werden ſoll, darin der Same zu Früchten<lb/>
aufgehen kann. Mein Sohn, habe Er immer Den vor Augen, von<lb/></p></div></body></text></TEI>
[5/0021]
den ſoll. Da kommt es nur drauf an, daß einmal ein Anfang ge¬
macht wird, der für den Fortgang und für's Fertigwerden Bürgſchaft
gibt, und iſt alſo ein kleines umgepflügtes Flecklein faſt ſchon ſo
wichtig, wie das ganze künftige Neubruchland.
Er hat mich gar wohl gefaßt, verſetzte der alte Herr mit freund¬
lichem Lächeln. Wenn das Reich Gottes auf Erden erſcheinen und
ihm die Stätte bereitet werden ſoll, ſo thut es zuerſt Noth, daß ein
Kern von guten Menſchen gezogen wird, von welchen die Güte und
der Segen allmählich auf die Andern übergehen kann. Die müſſen
aber feſthalten wie ein Häuflein Streiter, von denen der Ausgang
einer Schlacht abhängt. Ja, mein Sohn, fuhr er fort und legte ihm
die abgemagerte Hand auf dieſelbe Schulter, welche vorhin der Aufſeher
ſo unſanft berührt hatte: da muß man den Pflug über das trotzige
Herz gehen laſſen, da muß man eine Beleidigung nicht mit Thätlichkeiten
erwidern, die in's Zuchthaus führen. Vielmehr wer zu jenen Kern¬
truppen geboren will, der muß gegen ſeinen Feind gar noch ein gu¬
tes Wort und ein freundlich Geſicht aufzuwenden haben, und was
noch weit mehr heißen will, es muß ihm ſogar von Herzen gehen.
Der Jüngling, der irgend einen Widerſacher im Geiſte vor ſich
ſtehen ſehen mochte, trat bei dieſer Zumuthung betreten einen Schritt
zurück. Die Große der Aufgabe war ihm augenſcheinlich ſchwer auf's
Herz gefallen. — Aber, ſagte er, da wird Mancher denken wie es im
Evangelium heißt: „das iſt eine harte Rede, wer kann ſie hören?“
Der Greis lächelte. Mein junger Freund iſt ſehr bibelfeſt, ver¬
ſetzte er: ich bemerke das heut nicht zum erſtenmal. Die beſten Kern¬
ſprüche, die ſchönſten Liederverſe hat er feſt im Kopfe behalten, aber
ob auch in einem feinen Herzen? Das iſt nun die Frage. Dieſe
ſchönen Stellen, welche die Jugend in den Schulen auswendig lernt,
und oft recht gedankenlos daherſagt, ſind Samenkörnern zu vergleichen.
Nun iſt es zwar um ein Samenkorn ein edles Ding, aber der auf¬
gewachſene Baum und ſeine Früchte ſind doch noch etwas ganz An¬
deres. O mein lieber Friedrich, ich fürchte, — bei dieſen Worten
hob er liebreich den Finger gegen ihn auf, — ich fürchte, dieſes
trotzige Gemüth muß noch durch Leiden gebeugt und recht umgebrochen
werden, wenn es ein Boden werden ſoll, darin der Same zu Früchten
aufgehen kann. Mein Sohn, habe Er immer Den vor Augen, von
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/21>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.