Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

schriftlich geben, daß ich Euch nicht bloß mit keiner weiteren Anforde¬
rung beschwerlich fallen will, sondern will auf alles Erbtheil an
Euch verzichten.

Du hast ohnehin kein Recht darauf, erwiderte der Sonnenwirth.
Ich kann erben lassen wen ich will, und wenn du dich nicht besserst,
so lass' ich dich ganz aus meinem Testament.

Vater, versetzte Friedrich, wenn's durch Eure Härte dahin kommt,
daß ich vielleicht noch vor Euch sterben muß, dann wird Euch gewiß
dieses Wort gereuen.

Es wär' dir vielleicht besser, du führst noch bei guter Zeit in die
Grube, eh' das Unglück größer wird, entgegnete der Alte. Du kannst
dich ja doch in nichts schicken. Mach' nur so fort und verschenk' Erb¬
schaften, eh' du sie hast. Du scheinst mir's mit dem Eigenthum
leichter zu nehmen als billig ist. Freilich, du hast ja schon Proben
davon gegeben und hältst dich lieber nach Zigeuner- als nach Chri¬
stenart.

Friedrich fuhr auf und der Zank drohte noch heftiger auszubrechen,
als man über die Straße ein großes Geschrei vernahm, das demselben
ein Ende machte. Es war ein Lärm und ein Zusammenlaufen, dessen
Ursache man bald erfuhr. Während in der Sonne Vater und Sohn
in bösem Wortwechsel begriffen waren, hatte sich in der Nachbarschaft
noch ein ärgerer Auftritt zugetragen. Der Kübler hat sich leiblos
gemacht! rief man von allen Seiten. So war es auch. Der Küb¬
ler, der schon lange mit seinem Weibe im Unfrieden gelebt, hatte ihr
zum Abschied Arnd's Wahres Christenthum ein paarmal um den
Kopf geschlagen und sich dann mit einem stumpfen Messer den Hals
abgeschnitten. Da solche extreme Begebenheiten unter der zahmen Be¬
völkerung ziemlich selten waren, so gerieth der ganze Flecken in Auf¬
regung und jeder andere Handel schwieg über dem unehrlichen Grabe
des Selbstmörders, den man nach Vorschrift bei Nacht in einer
Waldklinge verscharrte.


13*

ſchriftlich geben, daß ich Euch nicht bloß mit keiner weiteren Anforde¬
rung beſchwerlich fallen will, ſondern will auf alles Erbtheil an
Euch verzichten.

Du haſt ohnehin kein Recht darauf, erwiderte der Sonnenwirth.
Ich kann erben laſſen wen ich will, und wenn du dich nicht beſſerſt,
ſo laſſ' ich dich ganz aus meinem Teſtament.

Vater, verſetzte Friedrich, wenn's durch Eure Härte dahin kommt,
daß ich vielleicht noch vor Euch ſterben muß, dann wird Euch gewiß
dieſes Wort gereuen.

Es wär' dir vielleicht beſſer, du führſt noch bei guter Zeit in die
Grube, eh' das Unglück größer wird, entgegnete der Alte. Du kannſt
dich ja doch in nichts ſchicken. Mach' nur ſo fort und verſchenk' Erb¬
ſchaften, eh' du ſie haſt. Du ſcheinſt mir's mit dem Eigenthum
leichter zu nehmen als billig iſt. Freilich, du haſt ja ſchon Proben
davon gegeben und hältſt dich lieber nach Zigeuner- als nach Chri¬
ſtenart.

Friedrich fuhr auf und der Zank drohte noch heftiger auszubrechen,
als man über die Straße ein großes Geſchrei vernahm, das demſelben
ein Ende machte. Es war ein Lärm und ein Zuſammenlaufen, deſſen
Urſache man bald erfuhr. Während in der Sonne Vater und Sohn
in böſem Wortwechſel begriffen waren, hatte ſich in der Nachbarſchaft
noch ein ärgerer Auftritt zugetragen. Der Kübler hat ſich leiblos
gemacht! rief man von allen Seiten. So war es auch. Der Küb¬
ler, der ſchon lange mit ſeinem Weibe im Unfrieden gelebt, hatte ihr
zum Abſchied Arnd's Wahres Chriſtenthum ein paarmal um den
Kopf geſchlagen und ſich dann mit einem ſtumpfen Meſſer den Hals
abgeſchnitten. Da ſolche extreme Begebenheiten unter der zahmen Be¬
völkerung ziemlich ſelten waren, ſo gerieth der ganze Flecken in Auf¬
regung und jeder andere Handel ſchwieg über dem unehrlichen Grabe
des Selbſtmörders, den man nach Vorſchrift bei Nacht in einer
Waldklinge verſcharrte.


13*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0211" n="195"/>
&#x017F;chriftlich geben, daß ich Euch nicht bloß mit keiner weiteren Anforde¬<lb/>
rung be&#x017F;chwerlich fallen will, &#x017F;ondern will auf alles Erbtheil an<lb/>
Euch verzichten.</p><lb/>
        <p>Du ha&#x017F;t ohnehin kein Recht darauf, erwiderte der Sonnenwirth.<lb/>
Ich kann erben la&#x017F;&#x017F;en wen ich will, und wenn du dich nicht be&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o la&#x017F;&#x017F;' ich dich ganz aus meinem Te&#x017F;tament.</p><lb/>
        <p>Vater, ver&#x017F;etzte Friedrich, wenn's durch Eure Härte dahin kommt,<lb/>
daß ich vielleicht noch vor Euch &#x017F;terben muß, dann wird Euch gewiß<lb/>
die&#x017F;es Wort gereuen.</p><lb/>
        <p>Es wär' dir vielleicht be&#x017F;&#x017F;er, du führ&#x017F;t noch bei guter Zeit in die<lb/>
Grube, eh' das Unglück größer wird, entgegnete der Alte. Du kann&#x017F;t<lb/>
dich ja doch in nichts &#x017F;chicken. Mach' nur &#x017F;o fort und ver&#x017F;chenk' Erb¬<lb/>
&#x017F;chaften, eh' du &#x017F;ie ha&#x017F;t. Du &#x017F;chein&#x017F;t mir's mit dem Eigenthum<lb/>
leichter zu nehmen als billig i&#x017F;t. Freilich, du ha&#x017F;t ja &#x017F;chon Proben<lb/>
davon gegeben und hält&#x017F;t dich lieber nach Zigeuner- als nach Chri¬<lb/>
&#x017F;tenart.</p><lb/>
        <p>Friedrich fuhr auf und der Zank drohte noch heftiger auszubrechen,<lb/>
als man über die Straße ein großes Ge&#x017F;chrei vernahm, das dem&#x017F;elben<lb/>
ein Ende machte. Es war ein Lärm und ein Zu&#x017F;ammenlaufen, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Ur&#x017F;ache man bald erfuhr. Während in der Sonne Vater und Sohn<lb/>
in bö&#x017F;em Wortwech&#x017F;el begriffen waren, hatte &#x017F;ich in der Nachbar&#x017F;chaft<lb/>
noch ein ärgerer Auftritt zugetragen. Der Kübler hat &#x017F;ich leiblos<lb/>
gemacht! rief man von allen Seiten. So war es auch. Der Küb¬<lb/>
ler, der &#x017F;chon lange mit &#x017F;einem Weibe im Unfrieden gelebt, hatte ihr<lb/>
zum Ab&#x017F;chied Arnd's Wahres Chri&#x017F;tenthum ein paarmal um den<lb/>
Kopf ge&#x017F;chlagen und &#x017F;ich dann mit einem &#x017F;tumpfen Me&#x017F;&#x017F;er den Hals<lb/>
abge&#x017F;chnitten. Da &#x017F;olche extreme Begebenheiten unter der zahmen Be¬<lb/>
völkerung ziemlich &#x017F;elten waren, &#x017F;o gerieth der ganze Flecken in Auf¬<lb/>
regung und jeder andere Handel &#x017F;chwieg über dem unehrlichen Grabe<lb/>
des Selb&#x017F;tmörders, den man nach Vor&#x017F;chrift bei Nacht in einer<lb/>
Waldklinge ver&#x017F;charrte.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw place="bottom" type="sig">13*<lb/></fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0211] ſchriftlich geben, daß ich Euch nicht bloß mit keiner weiteren Anforde¬ rung beſchwerlich fallen will, ſondern will auf alles Erbtheil an Euch verzichten. Du haſt ohnehin kein Recht darauf, erwiderte der Sonnenwirth. Ich kann erben laſſen wen ich will, und wenn du dich nicht beſſerſt, ſo laſſ' ich dich ganz aus meinem Teſtament. Vater, verſetzte Friedrich, wenn's durch Eure Härte dahin kommt, daß ich vielleicht noch vor Euch ſterben muß, dann wird Euch gewiß dieſes Wort gereuen. Es wär' dir vielleicht beſſer, du führſt noch bei guter Zeit in die Grube, eh' das Unglück größer wird, entgegnete der Alte. Du kannſt dich ja doch in nichts ſchicken. Mach' nur ſo fort und verſchenk' Erb¬ ſchaften, eh' du ſie haſt. Du ſcheinſt mir's mit dem Eigenthum leichter zu nehmen als billig iſt. Freilich, du haſt ja ſchon Proben davon gegeben und hältſt dich lieber nach Zigeuner- als nach Chri¬ ſtenart. Friedrich fuhr auf und der Zank drohte noch heftiger auszubrechen, als man über die Straße ein großes Geſchrei vernahm, das demſelben ein Ende machte. Es war ein Lärm und ein Zuſammenlaufen, deſſen Urſache man bald erfuhr. Während in der Sonne Vater und Sohn in böſem Wortwechſel begriffen waren, hatte ſich in der Nachbarſchaft noch ein ärgerer Auftritt zugetragen. Der Kübler hat ſich leiblos gemacht! rief man von allen Seiten. So war es auch. Der Küb¬ ler, der ſchon lange mit ſeinem Weibe im Unfrieden gelebt, hatte ihr zum Abſchied Arnd's Wahres Chriſtenthum ein paarmal um den Kopf geſchlagen und ſich dann mit einem ſtumpfen Meſſer den Hals abgeſchnitten. Da ſolche extreme Begebenheiten unter der zahmen Be¬ völkerung ziemlich ſelten waren, ſo gerieth der ganze Flecken in Auf¬ regung und jeder andere Handel ſchwieg über dem unehrlichen Grabe des Selbſtmörders, den man nach Vorſchrift bei Nacht in einer Waldklinge verſcharrte. 13*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/211
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/211>, abgerufen am 21.11.2024.