vorhanden sei. Dieses Alles habe er mit einem recht unmenschlichen und bestialischen Grimm und Eifer ausgesprochen: das Donnerwetter solle ihn in die Ewigkeit hinüberschlagen, wenn er das nicht thue; weßhalb ihr so angst geworden, daß sie nicht ruhig habe zum heiligen Abendmahl gehen können.
Nachdem der Amtmann das Protokoll aufgenommen und die An¬ geberin entlassen hatte, sagte einer der beiden Gerichtsbeisitzer: Es wird doch nöthig sein, daß man den Frieder auch verhört.
Wozu? versetzte der Amtmann. Ich weiß schon zum Voraus, was der sagen würde, der Advocat. Ich schicke eben einfach den Bericht nach Göppingen, und wenn von dort wieder nichts kommt, wie auf die Kirchenconventsverhandlung, so kann mir's gleichgiltig sein. Wiewohl, der neue Vogt wird es vielleicht mit dergleichen comminatorischen und calumniösen Redensarten etwas schärfer nehmen. Vielleicht läßt er auch die Sachen ad cumulum zusammen kommen; denn mir ahnt's, daß noch mehr bevorsteht und daß ich noch weitere Protokolle und Berichte schreiben muß.
Indessen schien es doch, daß Friedrich's Drohungen nicht auf un¬ fruchtbaren Boden gefallen seien, denn unerwartet gab ihm sein Vater, der etwa unruhig geschlafen haben mochte, das Geld zu seiner Wer¬ bung in Göppingen, und bald hatte er es dahin gebracht, daß seine Supplik bei der fürstlichen Regierung lag. Nachdem aber seine An¬ gelegenheit diesen Schritt vorwärts gethan hatte, erfolgte wieder ein langer Stillstand und jeder vorüberfliehende Tag mehrte ihm das Gewicht der Klagen Christinens, die in der Ungeduld ihres Jammers meinte, wenn sie nur einmal rechtmäßig die Seinige wäre, dann würde allen andern Sorgen auf immer abgeholfen sein.
Abermals liefen die Weiber im Flecken zusammen und erzählten sich von gräßlichen Reden, die er ausgestoßen haben sollte; ja man legte ihm die Versicherung in den Mund, er wolle den Nächsten Be¬ sten, der ein paar Gulden im Sack habe, über den Haufen stechen, um mit dem Geld nach Stuttgart gehen zu können. Allein ungeach¬ tet dieser rohen Worte waren und blieben die Straßen sicher vor ihm, und er gelangte auf diesem Wege so wenig in den Besitz des unentbehrlichen Geldes, als er es diesmal von der unstet hin und her schwankenden Gesinnung seines Vaters herauszubekommen vermochte.
vorhanden ſei. Dieſes Alles habe er mit einem recht unmenſchlichen und beſtialiſchen Grimm und Eifer ausgeſprochen: das Donnerwetter ſolle ihn in die Ewigkeit hinüberſchlagen, wenn er das nicht thue; weßhalb ihr ſo angſt geworden, daß ſie nicht ruhig habe zum heiligen Abendmahl gehen können.
Nachdem der Amtmann das Protokoll aufgenommen und die An¬ geberin entlaſſen hatte, ſagte einer der beiden Gerichtsbeiſitzer: Es wird doch nöthig ſein, daß man den Frieder auch verhört.
Wozu? verſetzte der Amtmann. Ich weiß ſchon zum Voraus, was der ſagen würde, der Advocat. Ich ſchicke eben einfach den Bericht nach Göppingen, und wenn von dort wieder nichts kommt, wie auf die Kirchenconventsverhandlung, ſo kann mir's gleichgiltig ſein. Wiewohl, der neue Vogt wird es vielleicht mit dergleichen comminatoriſchen und calumniöſen Redensarten etwas ſchärfer nehmen. Vielleicht läßt er auch die Sachen ad cumulum zuſammen kommen; denn mir ahnt's, daß noch mehr bevorſteht und daß ich noch weitere Protokolle und Berichte ſchreiben muß.
Indeſſen ſchien es doch, daß Friedrich's Drohungen nicht auf un¬ fruchtbaren Boden gefallen ſeien, denn unerwartet gab ihm ſein Vater, der etwa unruhig geſchlafen haben mochte, das Geld zu ſeiner Wer¬ bung in Göppingen, und bald hatte er es dahin gebracht, daß ſeine Supplik bei der fürſtlichen Regierung lag. Nachdem aber ſeine An¬ gelegenheit dieſen Schritt vorwärts gethan hatte, erfolgte wieder ein langer Stillſtand und jeder vorüberfliehende Tag mehrte ihm das Gewicht der Klagen Chriſtinens, die in der Ungeduld ihres Jammers meinte, wenn ſie nur einmal rechtmäßig die Seinige wäre, dann würde allen andern Sorgen auf immer abgeholfen ſein.
Abermals liefen die Weiber im Flecken zuſammen und erzählten ſich von gräßlichen Reden, die er ausgeſtoßen haben ſollte; ja man legte ihm die Verſicherung in den Mund, er wolle den Nächſten Be¬ ſten, der ein paar Gulden im Sack habe, über den Haufen ſtechen, um mit dem Geld nach Stuttgart gehen zu können. Allein ungeach¬ tet dieſer rohen Worte waren und blieben die Straßen ſicher vor ihm, und er gelangte auf dieſem Wege ſo wenig in den Beſitz des unentbehrlichen Geldes, als er es diesmal von der unſtet hin und her ſchwankenden Geſinnung ſeines Vaters herauszubekommen vermochte.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0230"n="214"/>
vorhanden ſei. Dieſes Alles habe er mit einem recht unmenſchlichen<lb/>
und beſtialiſchen Grimm und Eifer ausgeſprochen: das Donnerwetter<lb/>ſolle ihn in die Ewigkeit hinüberſchlagen, wenn er das nicht thue;<lb/>
weßhalb ihr ſo angſt geworden, daß ſie nicht ruhig habe zum heiligen<lb/>
Abendmahl gehen können.</p><lb/><p>Nachdem der Amtmann das Protokoll aufgenommen und die An¬<lb/>
geberin entlaſſen hatte, ſagte einer der beiden Gerichtsbeiſitzer: Es<lb/>
wird doch nöthig ſein, daß man den Frieder auch verhört.</p><lb/><p>Wozu? verſetzte der Amtmann. Ich weiß ſchon zum Voraus, was<lb/>
der ſagen würde, der Advocat. Ich ſchicke eben einfach den Bericht<lb/>
nach Göppingen, und wenn von dort wieder nichts kommt, wie auf die<lb/>
Kirchenconventsverhandlung, ſo kann mir's gleichgiltig ſein. Wiewohl,<lb/>
der neue Vogt wird es vielleicht mit dergleichen comminatoriſchen und<lb/>
calumniöſen Redensarten etwas ſchärfer nehmen. Vielleicht läßt er<lb/>
auch die Sachen <hirendition="#aq">ad cumulum</hi> zuſammen kommen; denn mir ahnt's,<lb/>
daß noch mehr bevorſteht und daß ich noch weitere Protokolle und<lb/>
Berichte ſchreiben muß.</p><lb/><p>Indeſſen ſchien es doch, daß Friedrich's Drohungen nicht auf un¬<lb/>
fruchtbaren Boden gefallen ſeien, denn unerwartet gab ihm ſein Vater,<lb/>
der etwa unruhig geſchlafen haben mochte, das Geld zu ſeiner Wer¬<lb/>
bung in Göppingen, und bald hatte er es dahin gebracht, daß ſeine<lb/>
Supplik bei der fürſtlichen Regierung lag. Nachdem aber ſeine An¬<lb/>
gelegenheit dieſen Schritt vorwärts gethan hatte, erfolgte wieder ein<lb/>
langer Stillſtand und jeder vorüberfliehende Tag mehrte ihm das<lb/>
Gewicht der Klagen Chriſtinens, die in der Ungeduld ihres Jammers<lb/>
meinte, wenn ſie nur einmal rechtmäßig die Seinige wäre, dann würde<lb/>
allen andern Sorgen auf immer abgeholfen ſein.</p><lb/><p>Abermals liefen die Weiber im Flecken zuſammen und erzählten<lb/>ſich von gräßlichen Reden, die er ausgeſtoßen haben ſollte; ja man<lb/>
legte ihm die Verſicherung in den Mund, er wolle den Nächſten Be¬<lb/>ſten, der ein paar Gulden im Sack habe, über den Haufen ſtechen,<lb/>
um mit dem Geld nach Stuttgart gehen zu können. Allein ungeach¬<lb/>
tet dieſer rohen Worte waren und blieben die Straßen ſicher vor<lb/>
ihm, und er gelangte auf dieſem Wege ſo wenig in den Beſitz des<lb/>
unentbehrlichen Geldes, als er es diesmal von der unſtet hin und her<lb/>ſchwankenden Geſinnung ſeines Vaters herauszubekommen vermochte.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[214/0230]
vorhanden ſei. Dieſes Alles habe er mit einem recht unmenſchlichen
und beſtialiſchen Grimm und Eifer ausgeſprochen: das Donnerwetter
ſolle ihn in die Ewigkeit hinüberſchlagen, wenn er das nicht thue;
weßhalb ihr ſo angſt geworden, daß ſie nicht ruhig habe zum heiligen
Abendmahl gehen können.
Nachdem der Amtmann das Protokoll aufgenommen und die An¬
geberin entlaſſen hatte, ſagte einer der beiden Gerichtsbeiſitzer: Es
wird doch nöthig ſein, daß man den Frieder auch verhört.
Wozu? verſetzte der Amtmann. Ich weiß ſchon zum Voraus, was
der ſagen würde, der Advocat. Ich ſchicke eben einfach den Bericht
nach Göppingen, und wenn von dort wieder nichts kommt, wie auf die
Kirchenconventsverhandlung, ſo kann mir's gleichgiltig ſein. Wiewohl,
der neue Vogt wird es vielleicht mit dergleichen comminatoriſchen und
calumniöſen Redensarten etwas ſchärfer nehmen. Vielleicht läßt er
auch die Sachen ad cumulum zuſammen kommen; denn mir ahnt's,
daß noch mehr bevorſteht und daß ich noch weitere Protokolle und
Berichte ſchreiben muß.
Indeſſen ſchien es doch, daß Friedrich's Drohungen nicht auf un¬
fruchtbaren Boden gefallen ſeien, denn unerwartet gab ihm ſein Vater,
der etwa unruhig geſchlafen haben mochte, das Geld zu ſeiner Wer¬
bung in Göppingen, und bald hatte er es dahin gebracht, daß ſeine
Supplik bei der fürſtlichen Regierung lag. Nachdem aber ſeine An¬
gelegenheit dieſen Schritt vorwärts gethan hatte, erfolgte wieder ein
langer Stillſtand und jeder vorüberfliehende Tag mehrte ihm das
Gewicht der Klagen Chriſtinens, die in der Ungeduld ihres Jammers
meinte, wenn ſie nur einmal rechtmäßig die Seinige wäre, dann würde
allen andern Sorgen auf immer abgeholfen ſein.
Abermals liefen die Weiber im Flecken zuſammen und erzählten
ſich von gräßlichen Reden, die er ausgeſtoßen haben ſollte; ja man
legte ihm die Verſicherung in den Mund, er wolle den Nächſten Be¬
ſten, der ein paar Gulden im Sack habe, über den Haufen ſtechen,
um mit dem Geld nach Stuttgart gehen zu können. Allein ungeach¬
tet dieſer rohen Worte waren und blieben die Straßen ſicher vor
ihm, und er gelangte auf dieſem Wege ſo wenig in den Beſitz des
unentbehrlichen Geldes, als er es diesmal von der unſtet hin und her
ſchwankenden Geſinnung ſeines Vaters herauszubekommen vermochte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/230>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.