Wenn nur dein Vater nicht erfährt, was du ihm für einen Be¬ such gemacht hast! seufzte Christine, die nachgerade wieder unruhig wurde.
Der erfährt's freilich, erwiderte er. Der Knecht, der neben der Frucht liegt, ist aufgewacht, hat sich ein wenig auf'm Ellenbogen auf¬ gerichtet und hat mich anglotzt. Der schweigt nicht.
Jesus, Jesus! und das sagst du erst jetzt.
Es kommt immer noch früh genug. Gut ist's auf alle Fäll', wenn die Sach' mit dem Christle morgen gleich in's Reine kommt. Jetzt aber fort in's Bett und lass' dir von vollen Schüsseln träumen.
Am folgenden Morgen gab es in der Sonne, sobald der Sohn des Hauses sich blicken ließ, einen jener stürmischen Auftritte, welche der Nachbarschaft so oft verriethen, wie es um den Frieden desselben stand. Sein Vater empfing ihn mit einer Fluth von Schimpfworten, warf ihm den nächtlichen Diebstahl vor und drohte ihn alsbald wieder in's Zuchthaus zu bringen. Der Knecht hatte ihn angegeben, schon deßhalb, um, wie er nachher entschuldigend zu ihm sagte, für den Fall der Entdeckung sich selbst von dem Verdachte zu reinigen; doch wollte er ihn nur einen kleinen Sack mit Getreide haben fortschleppen sehen.
Wenn Ihr mich in's Zuchthaus bringen wollet, Vater, so steht's Euch frei, sagte Friedrich. Ihr habt's ja schon einmal gethan. Frei¬ lich haben die Leut' verschiedentlich drüber geurtheilt, daß Ihr Eurem eigenen und einzigen Sohn zum Ankläger worden seid.
Das ist nicht wahr, entgegnete der Sonnenwirth. Die Sach' ist damals ohne meine Schuld offenkundig worden und ich hab's nicht hindern können, daß sie vor Amt kommen ist.
Also wollt Ihr jetzt nachholen, was Ihr damals versäumt habt?
Gib 'raus, was du mir gestohlen hast.
Es ist weit fort, Ihr findet's nicht, und wenn Ihr alle Eure Stalllaternen anzündet. Laßt mich majorenn werden und gebt mir mein Mütterlich's heraus, dann will ich mit Euch abrechnen und will Euch den Schaden ersetzen, daß nicht ein Kreuzer dran fehlen soll, und wenn der Fruchtpreis derweil anzieht, so soll der Gewinn Euer sein. Dann könnt Ihr von Stehlen sagen, so viel Ihr wollt, 's glaubt's Euch Niemand.
Hast du deinem Weibsbild davon gebracht?
Wenn nur dein Vater nicht erfährt, was du ihm für einen Be¬ ſuch gemacht haſt! ſeufzte Chriſtine, die nachgerade wieder unruhig wurde.
Der erfährt's freilich, erwiderte er. Der Knecht, der neben der Frucht liegt, iſt aufgewacht, hat ſich ein wenig auf'm Ellenbogen auf¬ gerichtet und hat mich anglotzt. Der ſchweigt nicht.
Jeſus, Jeſus! und das ſagſt du erſt jetzt.
Es kommt immer noch früh genug. Gut iſt's auf alle Fäll', wenn die Sach' mit dem Chriſtle morgen gleich in's Reine kommt. Jetzt aber fort in's Bett und laſſ' dir von vollen Schüſſeln träumen.
Am folgenden Morgen gab es in der Sonne, ſobald der Sohn des Hauſes ſich blicken ließ, einen jener ſtürmiſchen Auftritte, welche der Nachbarſchaft ſo oft verriethen, wie es um den Frieden deſſelben ſtand. Sein Vater empfing ihn mit einer Fluth von Schimpfworten, warf ihm den nächtlichen Diebſtahl vor und drohte ihn alsbald wieder in's Zuchthaus zu bringen. Der Knecht hatte ihn angegeben, ſchon deßhalb, um, wie er nachher entſchuldigend zu ihm ſagte, für den Fall der Entdeckung ſich ſelbſt von dem Verdachte zu reinigen; doch wollte er ihn nur einen kleinen Sack mit Getreide haben fortſchleppen ſehen.
Wenn Ihr mich in's Zuchthaus bringen wollet, Vater, ſo ſteht's Euch frei, ſagte Friedrich. Ihr habt's ja ſchon einmal gethan. Frei¬ lich haben die Leut' verſchiedentlich drüber geurtheilt, daß Ihr Eurem eigenen und einzigen Sohn zum Ankläger worden ſeid.
Das iſt nicht wahr, entgegnete der Sonnenwirth. Die Sach' iſt damals ohne meine Schuld offenkundig worden und ich hab's nicht hindern können, daß ſie vor Amt kommen iſt.
Alſo wollt Ihr jetzt nachholen, was Ihr damals verſäumt habt?
Gib 'raus, was du mir geſtohlen haſt.
Es iſt weit fort, Ihr findet's nicht, und wenn Ihr alle Eure Stalllaternen anzündet. Laßt mich majorenn werden und gebt mir mein Mütterlich's heraus, dann will ich mit Euch abrechnen und will Euch den Schaden erſetzen, daß nicht ein Kreuzer dran fehlen ſoll, und wenn der Fruchtpreis derweil anzieht, ſo ſoll der Gewinn Euer ſein. Dann könnt Ihr von Stehlen ſagen, ſo viel Ihr wollt, 's glaubt's Euch Niemand.
Haſt du deinem Weibsbild davon gebracht?
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Wenn nur dein Vater nicht erfährt, was du ihm für einen Be¬
ſuch gemacht haſt! ſeufzte Chriſtine, die nachgerade wieder unruhig
wurde.
Der erfährt's freilich, erwiderte er. Der Knecht, der neben der
Frucht liegt, iſt aufgewacht, hat ſich ein wenig auf'm Ellenbogen auf¬
gerichtet und hat mich anglotzt. Der ſchweigt nicht.
Jeſus, Jeſus! und das ſagſt du erſt jetzt.
Es kommt immer noch früh genug. Gut iſt's auf alle Fäll', wenn
die Sach' mit dem Chriſtle morgen gleich in's Reine kommt. Jetzt
aber fort in's Bett und laſſ' dir von vollen Schüſſeln träumen.
Am folgenden Morgen gab es in der Sonne, ſobald der Sohn
des Hauſes ſich blicken ließ, einen jener ſtürmiſchen Auftritte, welche
der Nachbarſchaft ſo oft verriethen, wie es um den Frieden deſſelben
ſtand. Sein Vater empfing ihn mit einer Fluth von Schimpfworten,
warf ihm den nächtlichen Diebſtahl vor und drohte ihn alsbald wieder
in's Zuchthaus zu bringen. Der Knecht hatte ihn angegeben, ſchon
deßhalb, um, wie er nachher entſchuldigend zu ihm ſagte, für den Fall
der Entdeckung ſich ſelbſt von dem Verdachte zu reinigen; doch wollte
er ihn nur einen kleinen Sack mit Getreide haben fortſchleppen ſehen.
Wenn Ihr mich in's Zuchthaus bringen wollet, Vater, ſo ſteht's
Euch frei, ſagte Friedrich. Ihr habt's ja ſchon einmal gethan. Frei¬
lich haben die Leut' verſchiedentlich drüber geurtheilt, daß Ihr Eurem
eigenen und einzigen Sohn zum Ankläger worden ſeid.
Das iſt nicht wahr, entgegnete der Sonnenwirth. Die Sach' iſt
damals ohne meine Schuld offenkundig worden und ich hab's nicht
hindern können, daß ſie vor Amt kommen iſt.
Alſo wollt Ihr jetzt nachholen, was Ihr damals verſäumt habt?
Gib 'raus, was du mir geſtohlen haſt.
Es iſt weit fort, Ihr findet's nicht, und wenn Ihr alle Eure
Stalllaternen anzündet. Laßt mich majorenn werden und gebt mir
mein Mütterlich's heraus, dann will ich mit Euch abrechnen und will
Euch den Schaden erſetzen, daß nicht ein Kreuzer dran fehlen ſoll,
und wenn der Fruchtpreis derweil anzieht, ſo ſoll der Gewinn Euer
ſein. Dann könnt Ihr von Stehlen ſagen, ſo viel Ihr wollt, 's glaubt's
Euch Niemand.
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/237>, abgerufen am 24.11.2024.
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