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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Ihr könnt in und unterm Bett bei ihr suchen, Ihr findet nichts.
Es ist aber eine rechte Schand' für Euch, Vater, daß ein reicher Mann,
wie Ihr, dem kranken Hirschbauer ein einzigsmal eine Schüssel Mehl
schickt.

Was? fuhr der Sonnenwirth auf: ich hab' schon öfter gesagt, daß
man hinaus schicken soll.

Dann ist's unterwegs in irgend ein Loch gefallen, versetzte Friedrich.
Der Sonnenwirth schwieg unschlüssig. Es machte ihn betroffen,
obwohl er es sich bei den bekannten Gesinnungen seiner Frau leicht er¬
klären konnte, daß seine Befehle nicht vollzogen worden waren, und
unter diesen Umständen glaubte er, bei seinem reichen Fruchtvorrathe,
den von dem Knecht angegebenen Verlust ohne Geschrei ertragen zu
sollen. Er ging zur Stube hinaus und ließ seinen Sohn in Unge¬
wißheit, was er thun werde.

Hast dein' Hausdieb im Verhör gehabt? fragte seine Frau draußen.
Woher weißt du's denn?

Du schreist ja so laut, daß man's in Göppingen hört. Und jetzt
willst immer noch in deiner Langmuth zusehen?

Der Alte kratzte sich hinter dem Ohr. Das Stehlen will ich ihm
vertreiben, sagte er. Du aber sagst mir weder im Pfarrhaus noch im
Amthaus ein Wort davon, sonst ist's zwischen uns aus, und ich lass'
ihn morgen heirathen und nehm' alle Beide in's Haus zu mir.
So hitzig? maulte sie.

Erstens, erklärte er, hätt' ich ihn zwar gern in Numero Sicher,
aber nicht im Zuchthaus, und zweitens möcht' ich mir nicht nachsagen
lassen, daß ich dem Hirschbauer nichts als ein Schüssele mit Mehl ge¬
schickt hab'. Was sie jetzt haben, das sollen sie behalten.

Der Tag verging ruhiger als er begonnen hatte. Friedrich wußte
zwar immer noch nicht, wessen er sich zu versehen habe; auch ließen
ihn gewisse Anspielungen seiner Stiefmutter, welche von der Noth¬
wendigkeit sprach, Schlösser und Riegel ausbessern zu lassen, nichts
Gutes ahnen; doch meinte er aus dem Betragen seines Vaters schlie¬
ßen zu dürfen, daß seine eigenmächtige Pfändung ohne Folgen blei¬
ben werde.

Zur verabredeten Stunde ging er in des Hirschbauern Haus. Der
Erwartete war bereits da, ein Mann mit rundem, schelmisch lächeln¬

Ihr könnt in und unterm Bett bei ihr ſuchen, Ihr findet nichts.
Es iſt aber eine rechte Schand' für Euch, Vater, daß ein reicher Mann,
wie Ihr, dem kranken Hirſchbauer ein einzigsmal eine Schüſſel Mehl
ſchickt.

Was? fuhr der Sonnenwirth auf: ich hab' ſchon öfter geſagt, daß
man hinaus ſchicken ſoll.

Dann iſt's unterwegs in irgend ein Loch gefallen, verſetzte Friedrich.
Der Sonnenwirth ſchwieg unſchlüſſig. Es machte ihn betroffen,
obwohl er es ſich bei den bekannten Geſinnungen ſeiner Frau leicht er¬
klären konnte, daß ſeine Befehle nicht vollzogen worden waren, und
unter dieſen Umſtänden glaubte er, bei ſeinem reichen Fruchtvorrathe,
den von dem Knecht angegebenen Verluſt ohne Geſchrei ertragen zu
ſollen. Er ging zur Stube hinaus und ließ ſeinen Sohn in Unge¬
wißheit, was er thun werde.

Haſt dein' Hausdieb im Verhör gehabt? fragte ſeine Frau draußen.
Woher weißt du's denn?

Du ſchreiſt ja ſo laut, daß man's in Göppingen hört. Und jetzt
willſt immer noch in deiner Langmuth zuſehen?

Der Alte kratzte ſich hinter dem Ohr. Das Stehlen will ich ihm
vertreiben, ſagte er. Du aber ſagſt mir weder im Pfarrhaus noch im
Amthaus ein Wort davon, ſonſt iſt's zwiſchen uns aus, und ich laſſ'
ihn morgen heirathen und nehm' alle Beide in's Haus zu mir.
So hitzig? maulte ſie.

Erſtens, erklärte er, hätt' ich ihn zwar gern in Numero Sicher,
aber nicht im Zuchthaus, und zweitens möcht' ich mir nicht nachſagen
laſſen, daß ich dem Hirſchbauer nichts als ein Schüſſele mit Mehl ge¬
ſchickt hab'. Was ſie jetzt haben, das ſollen ſie behalten.

Der Tag verging ruhiger als er begonnen hatte. Friedrich wußte
zwar immer noch nicht, weſſen er ſich zu verſehen habe; auch ließen
ihn gewiſſe Anſpielungen ſeiner Stiefmutter, welche von der Noth¬
wendigkeit ſprach, Schlöſſer und Riegel ausbeſſern zu laſſen, nichts
Gutes ahnen; doch meinte er aus dem Betragen ſeines Vaters ſchlie¬
ßen zu dürfen, daß ſeine eigenmächtige Pfändung ohne Folgen blei¬
ben werde.

Zur verabredeten Stunde ging er in des Hirſchbauern Haus. Der
Erwartete war bereits da, ein Mann mit rundem, ſchelmiſch lächeln¬

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[222/0238] Ihr könnt in und unterm Bett bei ihr ſuchen, Ihr findet nichts. Es iſt aber eine rechte Schand' für Euch, Vater, daß ein reicher Mann, wie Ihr, dem kranken Hirſchbauer ein einzigsmal eine Schüſſel Mehl ſchickt. Was? fuhr der Sonnenwirth auf: ich hab' ſchon öfter geſagt, daß man hinaus ſchicken ſoll. Dann iſt's unterwegs in irgend ein Loch gefallen, verſetzte Friedrich. Der Sonnenwirth ſchwieg unſchlüſſig. Es machte ihn betroffen, obwohl er es ſich bei den bekannten Geſinnungen ſeiner Frau leicht er¬ klären konnte, daß ſeine Befehle nicht vollzogen worden waren, und unter dieſen Umſtänden glaubte er, bei ſeinem reichen Fruchtvorrathe, den von dem Knecht angegebenen Verluſt ohne Geſchrei ertragen zu ſollen. Er ging zur Stube hinaus und ließ ſeinen Sohn in Unge¬ wißheit, was er thun werde. Haſt dein' Hausdieb im Verhör gehabt? fragte ſeine Frau draußen. Woher weißt du's denn? Du ſchreiſt ja ſo laut, daß man's in Göppingen hört. Und jetzt willſt immer noch in deiner Langmuth zuſehen? Der Alte kratzte ſich hinter dem Ohr. Das Stehlen will ich ihm vertreiben, ſagte er. Du aber ſagſt mir weder im Pfarrhaus noch im Amthaus ein Wort davon, ſonſt iſt's zwiſchen uns aus, und ich laſſ' ihn morgen heirathen und nehm' alle Beide in's Haus zu mir. So hitzig? maulte ſie. Erſtens, erklärte er, hätt' ich ihn zwar gern in Numero Sicher, aber nicht im Zuchthaus, und zweitens möcht' ich mir nicht nachſagen laſſen, daß ich dem Hirſchbauer nichts als ein Schüſſele mit Mehl ge¬ ſchickt hab'. Was ſie jetzt haben, das ſollen ſie behalten. Der Tag verging ruhiger als er begonnen hatte. Friedrich wußte zwar immer noch nicht, weſſen er ſich zu verſehen habe; auch ließen ihn gewiſſe Anſpielungen ſeiner Stiefmutter, welche von der Noth¬ wendigkeit ſprach, Schlöſſer und Riegel ausbeſſern zu laſſen, nichts Gutes ahnen; doch meinte er aus dem Betragen ſeines Vaters ſchlie¬ ßen zu dürfen, daß ſeine eigenmächtige Pfändung ohne Folgen blei¬ ben werde. Zur verabredeten Stunde ging er in des Hirſchbauern Haus. Der Erwartete war bereits da, ein Mann mit rundem, ſchelmiſch lächeln¬

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/238>, abgerufen am 24.11.2024.