Der kann predigen! zischelte die Braut mit unterdrücktem Kichern gegen ihren Bräutigam hin. Friedrich, der es gehört hatte, warf ihr einen Blick der Verachtung zu.
Man sollt' schier gar glauben, sagte die Sonnenwirthin mit äzen¬ dem Spott, wir haben da den lieben unschuldigen Heiland in unsrer Mitte -- verzeih' mir Gott die Sünd'. Ich hab' aber nirgend in der Bibel gelesen, daß er so zu seinem Vater geredt hat.
Der Sonnenwirth war eine Zelt lang sprachlos und außer sich. Die Anrufung der Religion, als Anklägerin wider ihn, machte ihn rasend; gleichviel ob sein Sohn mit Recht oder Unrecht zu diesem Mittel gegriffen -- es erschien ihm als Bruch der letzten Schranke kindlicher Scheu. Ich brauch' weder 'n Hauspfaffen, noch 'n Haus¬ dieb! schrie er: wenn ich eine Predigt brauch', so will ich sie in der Kirch' vom Pfarrer hören, und nicht von so -- so --. Die Stimme versagte ihm. Der Bräutigam und die andern Männer, die an der Haltung von Vater und Sohn ersahen, daß es Ernst wurde, sprangen dazwischen und suchten zu vermitteln, indem Alles zu gleicher Zeit zusammenschrie. Aber bei dem Vater hatte Wein und Wuth über die Furcht gesiegt und vielleicht gab ihm auch das Dazwischenspringen der Männer, das ihn von seinem Sohne trennte, ein Gefühl der Sicherheit. Er fuhr in den höchsten Kehltönen, blauroth im Gesicht, zu toben und zu schimpfen fort, und durch den ohrzerreißenden Lärm der Andern drang von Zeit zu Zeit seine Stimme vernehmlich durch. Ich lass' mir in meinem eigenen Haus von Niemand befehlen -- -- ich sag' was ich mag -- und was ich sag' ist wahr -- -- -- sie ist ein schlecht's Mensch -- er hatte sich Bahn zum Tische gebrochen und schlug mit der Faust darauf, daß Flaschen und Gläser tanzten und umfielen -- ein schlecht's Mensch, sag' ich -- ein ganz schlecht's, schlecht's, schlecht's --
Seine Stimme überschnappte und zugleich erstarb ihm noch aus einer andern Ursache das Wort im Munde, denn mit weit geöffneten Augen zurückbebend sah er, daß sein Sohn das Messer gezogen hatte, und ihm mit der funkelnden Klinge gegenüber stand. Die Weiber kreischten fürchterlich, die Männer wogten hin und her und wichen theils zurück. Mit wild rollenden Augen war der Unglückliche vor¬ getreten, die Spitze des Messers nach seinem Vater gekehrt: -- wenn
D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 17
Der kann predigen! ziſchelte die Braut mit unterdrücktem Kichern gegen ihren Bräutigam hin. Friedrich, der es gehört hatte, warf ihr einen Blick der Verachtung zu.
Man ſollt' ſchier gar glauben, ſagte die Sonnenwirthin mit äzen¬ dem Spott, wir haben da den lieben unſchuldigen Heiland in unſrer Mitte — verzeih' mir Gott die Sünd'. Ich hab' aber nirgend in der Bibel geleſen, daß er ſo zu ſeinem Vater geredt hat.
Der Sonnenwirth war eine Zelt lang ſprachlos und außer ſich. Die Anrufung der Religion, als Anklägerin wider ihn, machte ihn raſend; gleichviel ob ſein Sohn mit Recht oder Unrecht zu dieſem Mittel gegriffen — es erſchien ihm als Bruch der letzten Schranke kindlicher Scheu. Ich brauch' weder 'n Hauspfaffen, noch 'n Haus¬ dieb! ſchrie er: wenn ich eine Predigt brauch', ſo will ich ſie in der Kirch' vom Pfarrer hören, und nicht von ſo — ſo —. Die Stimme verſagte ihm. Der Bräutigam und die andern Männer, die an der Haltung von Vater und Sohn erſahen, daß es Ernſt wurde, ſprangen dazwiſchen und ſuchten zu vermitteln, indem Alles zu gleicher Zeit zuſammenſchrie. Aber bei dem Vater hatte Wein und Wuth über die Furcht geſiegt und vielleicht gab ihm auch das Dazwiſchenſpringen der Männer, das ihn von ſeinem Sohne trennte, ein Gefühl der Sicherheit. Er fuhr in den höchſten Kehltönen, blauroth im Geſicht, zu toben und zu ſchimpfen fort, und durch den ohrzerreißenden Lärm der Andern drang von Zeit zu Zeit ſeine Stimme vernehmlich durch. Ich laſſ' mir in meinem eigenen Haus von Niemand befehlen — — ich ſag' was ich mag — und was ich ſag' iſt wahr — — — ſie iſt ein ſchlecht's Menſch — er hatte ſich Bahn zum Tiſche gebrochen und ſchlug mit der Fauſt darauf, daß Flaſchen und Gläſer tanzten und umfielen — ein ſchlecht's Menſch, ſag' ich — ein ganz ſchlecht's, ſchlecht's, ſchlecht's —
Seine Stimme überſchnappte und zugleich erſtarb ihm noch aus einer andern Urſache das Wort im Munde, denn mit weit geöffneten Augen zurückbebend ſah er, daß ſein Sohn das Meſſer gezogen hatte, und ihm mit der funkelnden Klinge gegenüber ſtand. Die Weiber kreiſchten fürchterlich, die Männer wogten hin und her und wichen theils zurück. Mit wild rollenden Augen war der Unglückliche vor¬ getreten, die Spitze des Meſſers nach ſeinem Vater gekehrt: — wenn
D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 17
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Der kann predigen! ziſchelte die Braut mit unterdrücktem Kichern
gegen ihren Bräutigam hin. Friedrich, der es gehört hatte, warf ihr
einen Blick der Verachtung zu.
Man ſollt' ſchier gar glauben, ſagte die Sonnenwirthin mit äzen¬
dem Spott, wir haben da den lieben unſchuldigen Heiland in unſrer
Mitte — verzeih' mir Gott die Sünd'. Ich hab' aber nirgend in
der Bibel geleſen, daß er ſo zu ſeinem Vater geredt hat.
Der Sonnenwirth war eine Zelt lang ſprachlos und außer ſich.
Die Anrufung der Religion, als Anklägerin wider ihn, machte ihn
raſend; gleichviel ob ſein Sohn mit Recht oder Unrecht zu dieſem
Mittel gegriffen — es erſchien ihm als Bruch der letzten Schranke
kindlicher Scheu. Ich brauch' weder 'n Hauspfaffen, noch 'n Haus¬
dieb! ſchrie er: wenn ich eine Predigt brauch', ſo will ich ſie in der
Kirch' vom Pfarrer hören, und nicht von ſo — ſo —. Die Stimme
verſagte ihm. Der Bräutigam und die andern Männer, die an der
Haltung von Vater und Sohn erſahen, daß es Ernſt wurde, ſprangen
dazwiſchen und ſuchten zu vermitteln, indem Alles zu gleicher Zeit
zuſammenſchrie. Aber bei dem Vater hatte Wein und Wuth über
die Furcht geſiegt und vielleicht gab ihm auch das Dazwiſchenſpringen
der Männer, das ihn von ſeinem Sohne trennte, ein Gefühl der
Sicherheit. Er fuhr in den höchſten Kehltönen, blauroth im Geſicht,
zu toben und zu ſchimpfen fort, und durch den ohrzerreißenden Lärm
der Andern drang von Zeit zu Zeit ſeine Stimme vernehmlich durch.
Ich laſſ' mir in meinem eigenen Haus von Niemand befehlen — —
ich ſag' was ich mag — und was ich ſag' iſt wahr — — — ſie iſt
ein ſchlecht's Menſch — er hatte ſich Bahn zum Tiſche gebrochen und
ſchlug mit der Fauſt darauf, daß Flaſchen und Gläſer tanzten und
umfielen — ein ſchlecht's Menſch, ſag' ich — ein ganz ſchlecht's,
ſchlecht's, ſchlecht's —
Seine Stimme überſchnappte und zugleich erſtarb ihm noch aus
einer andern Urſache das Wort im Munde, denn mit weit geöffneten
Augen zurückbebend ſah er, daß ſein Sohn das Meſſer gezogen hatte,
und ihm mit der funkelnden Klinge gegenüber ſtand. Die Weiber
kreiſchten fürchterlich, die Männer wogten hin und her und wichen
theils zurück. Mit wild rollenden Augen war der Unglückliche vor¬
getreten, die Spitze des Meſſers nach ſeinem Vater gekehrt: — wenn
D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 17
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/273>, abgerufen am 21.11.2024.
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