man der Leidenschaft in ihrem vollen Ausbruche zutrauen darf, daß sie noch einen Rest von Besinnung in sich birgt, so kann man wohl nicht zweifeln, daß er froh gewesen wäre, sich durch irgend ein da¬ zwischenplatzendes Hinderniß die Haltung seines blinden Eides unmög¬ lich gemacht zu sehen. Auch wurde ihm dieser Wunsch, wenn er vor¬ handen war, erfüllt. Der Müllerknecht, hinter welchem die Andern allmählich zurückgewichen waren, sprang ohne Weiteres auf ihn zu und packte ihn kräftig am Arme, um ihn zurückzuhalten. Messer weg! schrie er, gleichfalls entbrannt, mit zornig gebietender Stimme und wildem Blick -- aber ehe er vollenden konnte, hörte man aus dem Munde des Wüthenden einen tollen Schrei, sah seinen Arm mit dem Messer zucken, und das Blut schoß dem zurücktaumelnden Knechte am Arme herab. Die Sonnenwirthin stürzte aus der Stube: Feurio! Mordio! Feurio! ein Dieb! ein Mörder! hörte man sie nach einem Augenblick auf der Straße schreien, daß es durch die ganze Nachbarschaft gellte. Unten und oben erschallte verworrenes Geschrei. Die Gäste, den Sonnenwirth in der Mitte, stürzten der Frau vom Hause nach. Die Braut ließ sich, an ihrem Bräutigam hängend, von diesem mit fort¬ schleppen und weinte überlaut über die böse Vorbedeutung dieses Un¬ glückstages. Der Bräutigam wollte den Getroffenen mit sich ziehen, aber dieser riß sich los und blieb steif und starr vor seinem Angreifer stehen, während ihm das Blut fortwährend vom Arme niedertroff.
Friedrich kam wie aus einer langen Betäubung zu sich und ge¬ wahrte, daß er mit dem Knecht allein in der Stube war. Er hatte das Messer noch immer in der Hand. Da nimm's, sagte er zu dem Opfer seines Jähzorns, und stich mich über den Haufen, du thust ein gut's Werk.
Der Knecht wies das dargebotene Messer zurück. Ich bin kein Mörder wie du, sagte er, während seine gläsern gewordenen Augen sich nach und nach wieder belebten.
Peter! um Gotteswillen! hat's dir was gethan? rief Friedrich, dem seine That erst jetzt zum klaren Bewußtsein kam. Laß mich sehen, komm, ich will dich verbinden, du verblut'st dich ja.
Der Knecht stieß ihn zurück. Ist schon recht, murmelte er, 's ist recht, ja, ja -- sein' Wohlthäter stechen -- ist eine neue Art seine Schulden zu zahlen -- 's ist aber recht -- ich will dich finden --
man der Leidenſchaft in ihrem vollen Ausbruche zutrauen darf, daß ſie noch einen Reſt von Beſinnung in ſich birgt, ſo kann man wohl nicht zweifeln, daß er froh geweſen wäre, ſich durch irgend ein da¬ zwiſchenplatzendes Hinderniß die Haltung ſeines blinden Eides unmög¬ lich gemacht zu ſehen. Auch wurde ihm dieſer Wunſch, wenn er vor¬ handen war, erfüllt. Der Müllerknecht, hinter welchem die Andern allmählich zurückgewichen waren, ſprang ohne Weiteres auf ihn zu und packte ihn kräftig am Arme, um ihn zurückzuhalten. Meſſer weg! ſchrie er, gleichfalls entbrannt, mit zornig gebietender Stimme und wildem Blick — aber ehe er vollenden konnte, hörte man aus dem Munde des Wüthenden einen tollen Schrei, ſah ſeinen Arm mit dem Meſſer zucken, und das Blut ſchoß dem zurücktaumelnden Knechte am Arme herab. Die Sonnenwirthin ſtürzte aus der Stube: Feurio! Mordio! Feurio! ein Dieb! ein Mörder! hörte man ſie nach einem Augenblick auf der Straße ſchreien, daß es durch die ganze Nachbarſchaft gellte. Unten und oben erſchallte verworrenes Geſchrei. Die Gäſte, den Sonnenwirth in der Mitte, ſtürzten der Frau vom Hauſe nach. Die Braut ließ ſich, an ihrem Bräutigam hängend, von dieſem mit fort¬ ſchleppen und weinte überlaut über die böſe Vorbedeutung dieſes Un¬ glückstages. Der Bräutigam wollte den Getroffenen mit ſich ziehen, aber dieſer riß ſich los und blieb ſteif und ſtarr vor ſeinem Angreifer ſtehen, während ihm das Blut fortwährend vom Arme niedertroff.
Friedrich kam wie aus einer langen Betäubung zu ſich und ge¬ wahrte, daß er mit dem Knecht allein in der Stube war. Er hatte das Meſſer noch immer in der Hand. Da nimm's, ſagte er zu dem Opfer ſeines Jähzorns, und ſtich mich über den Haufen, du thuſt ein gut's Werk.
Der Knecht wies das dargebotene Meſſer zurück. Ich bin kein Mörder wie du, ſagte er, während ſeine gläſern gewordenen Augen ſich nach und nach wieder belebten.
Peter! um Gotteswillen! hat's dir was gethan? rief Friedrich, dem ſeine That erſt jetzt zum klaren Bewußtſein kam. Laß mich ſehen, komm, ich will dich verbinden, du verblut'ſt dich ja.
Der Knecht ſtieß ihn zurück. Iſt ſchon recht, murmelte er, 's iſt recht, ja, ja — ſein' Wohlthäter ſtechen — iſt eine neue Art ſeine Schulden zu zahlen — 's iſt aber recht — ich will dich finden —
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man der Leidenſchaft in ihrem vollen Ausbruche zutrauen darf, daß
ſie noch einen Reſt von Beſinnung in ſich birgt, ſo kann man wohl
nicht zweifeln, daß er froh geweſen wäre, ſich durch irgend ein da¬
zwiſchenplatzendes Hinderniß die Haltung ſeines blinden Eides unmög¬
lich gemacht zu ſehen. Auch wurde ihm dieſer Wunſch, wenn er vor¬
handen war, erfüllt. Der Müllerknecht, hinter welchem die Andern
allmählich zurückgewichen waren, ſprang ohne Weiteres auf ihn zu
und packte ihn kräftig am Arme, um ihn zurückzuhalten. Meſſer weg!
ſchrie er, gleichfalls entbrannt, mit zornig gebietender Stimme und wildem
Blick — aber ehe er vollenden konnte, hörte man aus dem Munde
des Wüthenden einen tollen Schrei, ſah ſeinen Arm mit dem Meſſer
zucken, und das Blut ſchoß dem zurücktaumelnden Knechte am Arme
herab. Die Sonnenwirthin ſtürzte aus der Stube: Feurio! Mordio!
Feurio! ein Dieb! ein Mörder! hörte man ſie nach einem Augenblick
auf der Straße ſchreien, daß es durch die ganze Nachbarſchaft gellte.
Unten und oben erſchallte verworrenes Geſchrei. Die Gäſte, den
Sonnenwirth in der Mitte, ſtürzten der Frau vom Hauſe nach. Die
Braut ließ ſich, an ihrem Bräutigam hängend, von dieſem mit fort¬
ſchleppen und weinte überlaut über die böſe Vorbedeutung dieſes Un¬
glückstages. Der Bräutigam wollte den Getroffenen mit ſich ziehen,
aber dieſer riß ſich los und blieb ſteif und ſtarr vor ſeinem Angreifer
ſtehen, während ihm das Blut fortwährend vom Arme niedertroff.
Friedrich kam wie aus einer langen Betäubung zu ſich und ge¬
wahrte, daß er mit dem Knecht allein in der Stube war. Er hatte
das Meſſer noch immer in der Hand. Da nimm's, ſagte er zu dem
Opfer ſeines Jähzorns, und ſtich mich über den Haufen, du thuſt ein
gut's Werk.
Der Knecht wies das dargebotene Meſſer zurück. Ich bin kein
Mörder wie du, ſagte er, während ſeine gläſern gewordenen Augen
ſich nach und nach wieder belebten.
Peter! um Gotteswillen! hat's dir was gethan? rief Friedrich,
dem ſeine That erſt jetzt zum klaren Bewußtſein kam. Laß mich ſehen,
komm, ich will dich verbinden, du verblut'ſt dich ja.
Der Knecht ſtieß ihn zurück. Iſt ſchon recht, murmelte er, 's iſt
recht, ja, ja — ſein' Wohlthäter ſtechen — iſt eine neue Art ſeine
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/274>, abgerufen am 21.11.2024.
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