der Hitz' aus Unvorsichtigkeit und Uebereilung gethan, und wie ich gehört hab', daß ihm's nichts geschad't hat, so ist mir's gewesen, als wär' ich aus Ketten und Banden erlöst. Er sollt' aber jetzt auch keinen solchen Kessel überhängen. Was! das bisle Aderlaß ist ihm gesund gewesen, er ist ja ein Kerl wie ein Ochs.
Nun ja, Er darf freilich Gott danken, daß die Sache so gut ab¬ gelaufen ist, sagte der Amtmann etwas zutraulich: mit Blutvergießen ist nicht zu spaßen, da geht's gleich um den Kopf. Aber, fügte er hinzu, wenn Er in der Rage zugestoßen hat, so hat Er doch nicht so gewiß wissen können, ob der Stoß nicht tiefer oder bis an's Leben gehen werde.
Ich bin freilich in der Rage gewesen, antwortete Friedrich, aber ich hab' ihm doch nicht viel thun können, denn er hat mich ja am Arm gepackt gehabt, und also hab' ich eigentlich gar nirgends anders hinstoßen können als nach seinem Arm.
Glaubt Er, forschte der Amtmann, Er habe das so sicher berech¬ nen können? Es ist doch nicht wohl anzunehmen, daß man im Zorn zugleich kalt und besonnen zielt. Man stoßt eben zu, und dann kann der Stoß eben so wohl am Arm vorbei und in den Körper gehen.
Ja, gezielt hab' ich freilich nicht, erwiderte Friedrich, und hab' mir auch nicht fürgenommen, wie tief es gehen soll. Ich hab' ja schier nicht gewußt, daß ich nur gestochen hab'. Wenn ich kein Messer in der Hand gehabt hätt', so hätt' ich ihm eben die Faust zu Gemüth geführt.
Da hätte Er ja aber auch das Messer vorher weglegen können, sagte der Amtmann.
Ja was! wenn man im Zorn ist, so denkt man an nichts und stoßt eben zu. Wenn man je was denkt, so denkt man höchstens im Unsinn: Kerl, hin mußt sein!
Hin? fragte der Amtmann, die Gerichtsbeisitzer anblickend und rasch der neuen Fährte folgend.
Das ist Einem aber nicht Ernst, verbesserte der Gefangene, dem es nachgerade schien, er sei im Begriffe, zu viel zu sagen. Man ist nachher heilig froh, wenn's nichts gethan hat.
Der Amtmann protokollirte fleißig drauf los, während dem Ge¬ fangenen eine dunkle Ahnung verrathen mochte, seine Vorsicht komme
D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 18
der Hitz' aus Unvorſichtigkeit und Uebereilung gethan, und wie ich gehört hab', daß ihm's nichts geſchad't hat, ſo iſt mir's geweſen, als wär' ich aus Ketten und Banden erlöſt. Er ſollt' aber jetzt auch keinen ſolchen Keſſel überhängen. Was! das bisle Aderlaß iſt ihm geſund geweſen, er iſt ja ein Kerl wie ein Ochs.
Nun ja, Er darf freilich Gott danken, daß die Sache ſo gut ab¬ gelaufen iſt, ſagte der Amtmann etwas zutraulich: mit Blutvergießen iſt nicht zu ſpaßen, da geht's gleich um den Kopf. Aber, fügte er hinzu, wenn Er in der Rage zugeſtoßen hat, ſo hat Er doch nicht ſo gewiß wiſſen können, ob der Stoß nicht tiefer oder bis an's Leben gehen werde.
Ich bin freilich in der Rage geweſen, antwortete Friedrich, aber ich hab' ihm doch nicht viel thun können, denn er hat mich ja am Arm gepackt gehabt, und alſo hab' ich eigentlich gar nirgends anders hinſtoßen können als nach ſeinem Arm.
Glaubt Er, forſchte der Amtmann, Er habe das ſo ſicher berech¬ nen können? Es iſt doch nicht wohl anzunehmen, daß man im Zorn zugleich kalt und beſonnen zielt. Man ſtoßt eben zu, und dann kann der Stoß eben ſo wohl am Arm vorbei und in den Körper gehen.
Ja, gezielt hab' ich freilich nicht, erwiderte Friedrich, und hab' mir auch nicht fürgenommen, wie tief es gehen ſoll. Ich hab' ja ſchier nicht gewußt, daß ich nur geſtochen hab'. Wenn ich kein Meſſer in der Hand gehabt hätt', ſo hätt' ich ihm eben die Fauſt zu Gemüth geführt.
Da hätte Er ja aber auch das Meſſer vorher weglegen können, ſagte der Amtmann.
Ja was! wenn man im Zorn iſt, ſo denkt man an nichts und ſtoßt eben zu. Wenn man je was denkt, ſo denkt man höchſtens im Unſinn: Kerl, hin mußt ſein!
Hin? fragte der Amtmann, die Gerichtsbeiſitzer anblickend und raſch der neuen Fährte folgend.
Das iſt Einem aber nicht Ernſt, verbeſſerte der Gefangene, dem es nachgerade ſchien, er ſei im Begriffe, zu viel zu ſagen. Man iſt nachher heilig froh, wenn's nichts gethan hat.
Der Amtmann protokollirte fleißig drauf los, während dem Ge¬ fangenen eine dunkle Ahnung verrathen mochte, ſeine Vorſicht komme
D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 18
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der Hitz' aus Unvorſichtigkeit und Uebereilung gethan, und wie ich
gehört hab', daß ihm's nichts geſchad't hat, ſo iſt mir's geweſen, als
wär' ich aus Ketten und Banden erlöſt. Er ſollt' aber jetzt auch
keinen ſolchen Keſſel überhängen. Was! das bisle Aderlaß iſt ihm
geſund geweſen, er iſt ja ein Kerl wie ein Ochs.
Nun ja, Er darf freilich Gott danken, daß die Sache ſo gut ab¬
gelaufen iſt, ſagte der Amtmann etwas zutraulich: mit Blutvergießen
iſt nicht zu ſpaßen, da geht's gleich um den Kopf. Aber, fügte er
hinzu, wenn Er in der Rage zugeſtoßen hat, ſo hat Er doch nicht ſo
gewiß wiſſen können, ob der Stoß nicht tiefer oder bis an's Leben
gehen werde.
Ich bin freilich in der Rage geweſen, antwortete Friedrich, aber
ich hab' ihm doch nicht viel thun können, denn er hat mich ja am
Arm gepackt gehabt, und alſo hab' ich eigentlich gar nirgends anders
hinſtoßen können als nach ſeinem Arm.
Glaubt Er, forſchte der Amtmann, Er habe das ſo ſicher berech¬
nen können? Es iſt doch nicht wohl anzunehmen, daß man im Zorn
zugleich kalt und beſonnen zielt. Man ſtoßt eben zu, und dann kann
der Stoß eben ſo wohl am Arm vorbei und in den Körper gehen.
Ja, gezielt hab' ich freilich nicht, erwiderte Friedrich, und hab' mir
auch nicht fürgenommen, wie tief es gehen ſoll. Ich hab' ja ſchier
nicht gewußt, daß ich nur geſtochen hab'. Wenn ich kein Meſſer in
der Hand gehabt hätt', ſo hätt' ich ihm eben die Fauſt zu Gemüth
geführt.
Da hätte Er ja aber auch das Meſſer vorher weglegen können,
ſagte der Amtmann.
Ja was! wenn man im Zorn iſt, ſo denkt man an nichts und
ſtoßt eben zu. Wenn man je was denkt, ſo denkt man höchſtens im
Unſinn: Kerl, hin mußt ſein!
Hin? fragte der Amtmann, die Gerichtsbeiſitzer anblickend und
raſch der neuen Fährte folgend.
Das iſt Einem aber nicht Ernſt, verbeſſerte der Gefangene, dem
es nachgerade ſchien, er ſei im Begriffe, zu viel zu ſagen. Man iſt
nachher heilig froh, wenn's nichts gethan hat.
Der Amtmann protokollirte fleißig drauf los, während dem Ge¬
fangenen eine dunkle Ahnung verrathen mochte, ſeine Vorſicht komme
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/289>, abgerufen am 21.11.2024.
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