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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Ach Frieder, Sorgen und Noth machen den Menschen alt vor der
Zeit. Ich fürcht', ich werd' dir nicht mehr so gut gefallen.

Schwätz' mir nicht so verkehrt 'raus! erwiderte er. Daß du nicht
siebzehn Jahr' alt bleiben kannst, das hab' ich gewußt, wie ich dich lieb¬
gewonnen hab', und hab' mir's auch sagen können, wie ich, gleichfalls aus
dem besten Leben 'raus, fort bin, um dir das Wort zu halten, das
ich dir zugeschworen hab'. Hast übrigens gar nicht so alt ausgesehen
vorhin am Brunnen, wie ich zu dir kommen bin. Ich hab' dich just
fragen wollen: Jungferle, wo ist das Schulhaus? da seh' ich auf ein¬
mal, daß du's selber bist.

Sie hatten unter diesen Gesprächen ein Gewirr sich kreuzender
Feldwege, welchen sie oft eine Strecke folgen mußten, längs des Dor¬
fes hin durchschritten. Hie und da bellte ein Hund, aber sie verfolg¬
ten unangefochten ihren Weg. Von einem Rain, an welchem der
Fußsteig steil emporkletterte, flog sie mit einem leichten Sprung auf
die Straße hinab und er ihr nach. Er faßte sie eng um den Leib,
sie ihn desgleichen, und so wanderten sie in der Nacht zusammen hin.
Sie drückte ihn noch einmal fester an sich: so, jetzt erzähl'! sagte sie.

Also! begann er. Wie ich vor drei Jahren nach Hohentwiel kom¬
men bin, das weißt du. Ich wär' aber doch begierig, ob du auch
weißt, was dein Hannes, mein hochachtbarer Herr Schwager, dazu bei¬
tragen hat. Gelt, das wird er dir nicht gesagt haben?

Ich weiß gar nichts, sagte sie, als daß du den Tag nachdem wir
uns das letzt'mal gesehen haben, in der Sonne bist gefangen genom¬
men worden, und daß es da wieder einen Kampf und ein Getümmel
geben hab', wie vor sechs Jahr', wo du vom Dach in's Zuchthaus
geflogen bist, und daß man dich dann weit fortgebracht hat nach
Hohentwiel. Kannst dir selber sagen, was mir das gewesen ist, daß
ich dich Zeitlebens nicht mehr sehen soll, und dazu zwei unversorgte
Kinder, von denen eins noch nicht einmal auf der Welt gewesen ist.
Aber von meinem Hannes weiß ich nichts.

Der hat eine Pique auf mich gehabt, von damals her, wo er mit
mir in's Zuchthaus kommen ist, und du weißt doch selber am besten,
wie unschuldig ich daran gewesen bin. Wie's nun Lärm geben hat
wegen der Dummheit im Pfarrhaus --

Ach Frieder, Sorgen und Noth machen den Menſchen alt vor der
Zeit. Ich fürcht', ich werd' dir nicht mehr ſo gut gefallen.

Schwätz' mir nicht ſo verkehrt 'raus! erwiderte er. Daß du nicht
ſiebzehn Jahr' alt bleiben kannſt, das hab' ich gewußt, wie ich dich lieb¬
gewonnen hab', und hab' mir's auch ſagen können, wie ich, gleichfalls aus
dem beſten Leben 'raus, fort bin, um dir das Wort zu halten, das
ich dir zugeſchworen hab'. Haſt übrigens gar nicht ſo alt ausgeſehen
vorhin am Brunnen, wie ich zu dir kommen bin. Ich hab' dich juſt
fragen wollen: Jungferle, wo iſt das Schulhaus? da ſeh' ich auf ein¬
mal, daß du's ſelber biſt.

Sie hatten unter dieſen Geſprächen ein Gewirr ſich kreuzender
Feldwege, welchen ſie oft eine Strecke folgen mußten, längs des Dor¬
fes hin durchſchritten. Hie und da bellte ein Hund, aber ſie verfolg¬
ten unangefochten ihren Weg. Von einem Rain, an welchem der
Fußſteig ſteil emporkletterte, flog ſie mit einem leichten Sprung auf
die Straße hinab und er ihr nach. Er faßte ſie eng um den Leib,
ſie ihn desgleichen, und ſo wanderten ſie in der Nacht zuſammen hin.
Sie drückte ihn noch einmal feſter an ſich: ſo, jetzt erzähl'! ſagte ſie.

Alſo! begann er. Wie ich vor drei Jahren nach Hohentwiel kom¬
men bin, das weißt du. Ich wär' aber doch begierig, ob du auch
weißt, was dein Hannes, mein hochachtbarer Herr Schwager, dazu bei¬
tragen hat. Gelt, das wird er dir nicht geſagt haben?

Ich weiß gar nichts, ſagte ſie, als daß du den Tag nachdem wir
uns das letzt'mal geſehen haben, in der Sonne biſt gefangen genom¬
men worden, und daß es da wieder einen Kampf und ein Getümmel
geben hab', wie vor ſechs Jahr', wo du vom Dach in's Zuchthaus
geflogen biſt, und daß man dich dann weit fortgebracht hat nach
Hohentwiel. Kannſt dir ſelber ſagen, was mir das geweſen iſt, daß
ich dich Zeitlebens nicht mehr ſehen ſoll, und dazu zwei unverſorgte
Kinder, von denen eins noch nicht einmal auf der Welt geweſen iſt.
Aber von meinem Hannes weiß ich nichts.

Der hat eine Pique auf mich gehabt, von damals her, wo er mit
mir in's Zuchthaus kommen iſt, und du weißt doch ſelber am beſten,
wie unſchuldig ich daran geweſen bin. Wie's nun Lärm geben hat
wegen der Dummheit im Pfarrhaus —

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[290/0306] Ach Frieder, Sorgen und Noth machen den Menſchen alt vor der Zeit. Ich fürcht', ich werd' dir nicht mehr ſo gut gefallen. Schwätz' mir nicht ſo verkehrt 'raus! erwiderte er. Daß du nicht ſiebzehn Jahr' alt bleiben kannſt, das hab' ich gewußt, wie ich dich lieb¬ gewonnen hab', und hab' mir's auch ſagen können, wie ich, gleichfalls aus dem beſten Leben 'raus, fort bin, um dir das Wort zu halten, das ich dir zugeſchworen hab'. Haſt übrigens gar nicht ſo alt ausgeſehen vorhin am Brunnen, wie ich zu dir kommen bin. Ich hab' dich juſt fragen wollen: Jungferle, wo iſt das Schulhaus? da ſeh' ich auf ein¬ mal, daß du's ſelber biſt. Sie hatten unter dieſen Geſprächen ein Gewirr ſich kreuzender Feldwege, welchen ſie oft eine Strecke folgen mußten, längs des Dor¬ fes hin durchſchritten. Hie und da bellte ein Hund, aber ſie verfolg¬ ten unangefochten ihren Weg. Von einem Rain, an welchem der Fußſteig ſteil emporkletterte, flog ſie mit einem leichten Sprung auf die Straße hinab und er ihr nach. Er faßte ſie eng um den Leib, ſie ihn desgleichen, und ſo wanderten ſie in der Nacht zuſammen hin. Sie drückte ihn noch einmal feſter an ſich: ſo, jetzt erzähl'! ſagte ſie. Alſo! begann er. Wie ich vor drei Jahren nach Hohentwiel kom¬ men bin, das weißt du. Ich wär' aber doch begierig, ob du auch weißt, was dein Hannes, mein hochachtbarer Herr Schwager, dazu bei¬ tragen hat. Gelt, das wird er dir nicht geſagt haben? Ich weiß gar nichts, ſagte ſie, als daß du den Tag nachdem wir uns das letzt'mal geſehen haben, in der Sonne biſt gefangen genom¬ men worden, und daß es da wieder einen Kampf und ein Getümmel geben hab', wie vor ſechs Jahr', wo du vom Dach in's Zuchthaus geflogen biſt, und daß man dich dann weit fortgebracht hat nach Hohentwiel. Kannſt dir ſelber ſagen, was mir das geweſen iſt, daß ich dich Zeitlebens nicht mehr ſehen ſoll, und dazu zwei unverſorgte Kinder, von denen eins noch nicht einmal auf der Welt geweſen iſt. Aber von meinem Hannes weiß ich nichts. Der hat eine Pique auf mich gehabt, von damals her, wo er mit mir in's Zuchthaus kommen iſt, und du weißt doch ſelber am beſten, wie unſchuldig ich daran geweſen bin. Wie's nun Lärm geben hat wegen der Dummheit im Pfarrhaus —

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/306>, abgerufen am 21.11.2024.