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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Da sagst recht, unterbrach sie ihn: freilich ist's eine Dummheit
gewesen. Weißt noch was ich zu dir gesagt hab', wie du mir Nachts
mit den Sachen über's Bett kommen bist? Bist denn immer noch ein
Bub'? willst denn gar nie kein Mann werden? hab' ich gesagt.
Und warum hast denn nicht, wie du mir doch versprochen hast, den
Kelch gleich wieder in's Pfarrers Garten geworfen? Ich hab' dir
doch gesagt, das sei ja der Krankenkelch, werd' wohl hundert Gul¬
den werth sein, und wenn's auf dich bekannt werd', so kommest an
Galgen.

Sei doch vernünftig! sagte er. Ich hab' ja nicht können. Wie
ich mich wieder gegen das Pfarrhaus hingeschlichen hab', hat mich der
Nachtwächter gesehen und da hab' ich nimmer trauen dürfen. Ich
hab' dann eben die Sachen zu Haus im Stroh versteckt, und da hat's
am Morgen der Knecht gefunden und meinem Vater bracht, und der
hat in der Todesangst Alles dem Pfarrer geschickt. Er hat gemeint,
man könnt' ihn selber als Hehler beim Kopf nehmen, und die Frau
Stiefmutter hat ihm natürlich die Höll' noch heißer gemacht.

Hätt'st aber auch den Spaß können bleiben lassen! eiferte sie.
Wenn du nur ein klein bisle Grütz im Kopf gehabt hätt'st, so hätt'st
doch wissen müssen, daß ein Einbruch in einem Pfarrhaus, sonderlich
wenn Kirchensachen dabei wegkommen, so laut schallt wie die Posaun'
von Jericho. Und wenn nur auch was dabei 'rauskommen wär'! aber
der ganz' Vettel ist ja des Einsteigens nicht werth gewesen.

Das ist wahr, versetzte er, außer der silbernen Sackuhr, dem gol¬
denen Ring und den paar Batzen Geld, ist an der ganzen Lumperei
nichts ächt gewesen. Das andre Uehrle war von Messing und zer¬
brochen, und dein kostbarer Nachtmahlskelch, den du hast auf hundert
Gulden taxiren wollen, was ist er gewesen? von Kupfer und ein
wenig verguld't.

Drum eben! sagte sie noch eifriger. Und doch hast bei der Lum¬
perei nicht bedacht, daß es um den Hals gehen, oder, wie sich's nach¬
her auch zeigt hat, eine Lebenslänglichkeit dabei 'raus springen kann.
Du hast gut reden, entgegnete er verdrießlich. Bin ich darum
aus meiner sichern Freistatt zu dir kommen, um mir gleich von dir
vopredigen zu lassen? Du hast, scheint's, ganz vergessen, wie man's
uns gemacht hat --

19*

Da ſagſt recht, unterbrach ſie ihn: freilich iſt's eine Dummheit
geweſen. Weißt noch was ich zu dir geſagt hab', wie du mir Nachts
mit den Sachen über's Bett kommen biſt? Biſt denn immer noch ein
Bub'? willſt denn gar nie kein Mann werden? hab' ich geſagt.
Und warum haſt denn nicht, wie du mir doch verſprochen haſt, den
Kelch gleich wieder in's Pfarrers Garten geworfen? Ich hab' dir
doch geſagt, das ſei ja der Krankenkelch, werd' wohl hundert Gul¬
den werth ſein, und wenn's auf dich bekannt werd', ſo kommeſt an
Galgen.

Sei doch vernünftig! ſagte er. Ich hab' ja nicht können. Wie
ich mich wieder gegen das Pfarrhaus hingeſchlichen hab', hat mich der
Nachtwächter geſehen und da hab' ich nimmer trauen dürfen. Ich
hab' dann eben die Sachen zu Haus im Stroh verſteckt, und da hat's
am Morgen der Knecht gefunden und meinem Vater bracht, und der
hat in der Todesangſt Alles dem Pfarrer geſchickt. Er hat gemeint,
man könnt' ihn ſelber als Hehler beim Kopf nehmen, und die Frau
Stiefmutter hat ihm natürlich die Höll' noch heißer gemacht.

Hätt'ſt aber auch den Spaß können bleiben laſſen! eiferte ſie.
Wenn du nur ein klein bisle Grütz im Kopf gehabt hätt'ſt, ſo hätt'ſt
doch wiſſen müſſen, daß ein Einbruch in einem Pfarrhaus, ſonderlich
wenn Kirchenſachen dabei wegkommen, ſo laut ſchallt wie die Poſaun'
von Jericho. Und wenn nur auch was dabei 'rauskommen wär'! aber
der ganz' Vettel iſt ja des Einſteigens nicht werth geweſen.

Das iſt wahr, verſetzte er, außer der ſilbernen Sackuhr, dem gol¬
denen Ring und den paar Batzen Geld, iſt an der ganzen Lumperei
nichts ächt geweſen. Das andre Uehrle war von Meſſing und zer¬
brochen, und dein koſtbarer Nachtmahlskelch, den du haſt auf hundert
Gulden taxiren wollen, was iſt er geweſen? von Kupfer und ein
wenig verguld't.

Drum eben! ſagte ſie noch eifriger. Und doch haſt bei der Lum¬
perei nicht bedacht, daß es um den Hals gehen, oder, wie ſich's nach¬
her auch zeigt hat, eine Lebenslänglichkeit dabei 'raus ſpringen kann.
Du haſt gut reden, entgegnete er verdrießlich. Bin ich darum
aus meiner ſichern Freiſtatt zu dir kommen, um mir gleich von dir
vopredigen zu laſſen? Du haſt, ſcheint's, ganz vergeſſen, wie man's
uns gemacht hat —

19*
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[291/0307] Da ſagſt recht, unterbrach ſie ihn: freilich iſt's eine Dummheit geweſen. Weißt noch was ich zu dir geſagt hab', wie du mir Nachts mit den Sachen über's Bett kommen biſt? Biſt denn immer noch ein Bub'? willſt denn gar nie kein Mann werden? hab' ich geſagt. Und warum haſt denn nicht, wie du mir doch verſprochen haſt, den Kelch gleich wieder in's Pfarrers Garten geworfen? Ich hab' dir doch geſagt, das ſei ja der Krankenkelch, werd' wohl hundert Gul¬ den werth ſein, und wenn's auf dich bekannt werd', ſo kommeſt an Galgen. Sei doch vernünftig! ſagte er. Ich hab' ja nicht können. Wie ich mich wieder gegen das Pfarrhaus hingeſchlichen hab', hat mich der Nachtwächter geſehen und da hab' ich nimmer trauen dürfen. Ich hab' dann eben die Sachen zu Haus im Stroh verſteckt, und da hat's am Morgen der Knecht gefunden und meinem Vater bracht, und der hat in der Todesangſt Alles dem Pfarrer geſchickt. Er hat gemeint, man könnt' ihn ſelber als Hehler beim Kopf nehmen, und die Frau Stiefmutter hat ihm natürlich die Höll' noch heißer gemacht. Hätt'ſt aber auch den Spaß können bleiben laſſen! eiferte ſie. Wenn du nur ein klein bisle Grütz im Kopf gehabt hätt'ſt, ſo hätt'ſt doch wiſſen müſſen, daß ein Einbruch in einem Pfarrhaus, ſonderlich wenn Kirchenſachen dabei wegkommen, ſo laut ſchallt wie die Poſaun' von Jericho. Und wenn nur auch was dabei 'rauskommen wär'! aber der ganz' Vettel iſt ja des Einſteigens nicht werth geweſen. Das iſt wahr, verſetzte er, außer der ſilbernen Sackuhr, dem gol¬ denen Ring und den paar Batzen Geld, iſt an der ganzen Lumperei nichts ächt geweſen. Das andre Uehrle war von Meſſing und zer¬ brochen, und dein koſtbarer Nachtmahlskelch, den du haſt auf hundert Gulden taxiren wollen, was iſt er geweſen? von Kupfer und ein wenig verguld't. Drum eben! ſagte ſie noch eifriger. Und doch haſt bei der Lum¬ perei nicht bedacht, daß es um den Hals gehen, oder, wie ſich's nach¬ her auch zeigt hat, eine Lebenslänglichkeit dabei 'raus ſpringen kann. Du haſt gut reden, entgegnete er verdrießlich. Bin ich darum aus meiner ſichern Freiſtatt zu dir kommen, um mir gleich von dir vopredigen zu laſſen? Du haſt, ſcheint's, ganz vergeſſen, wie man's uns gemacht hat — 19*

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/307>, abgerufen am 22.11.2024.