hat wieder Alles dran getrieben, daß die Sache rückgängig worden ist, Vater und Mutter, Amtmann und Pfarrer, und der Pfarrer hat meinem Vater noch ganz anders zugeredet, als sein Vorgänger, welch' eine Thorheit es für ihn sei, eine Schwiegertochter ohne Vermögen in's Haus zu nehmen. Weißt noch, wie wir vier Wochen lang herum¬ gezogen sind zwischen dem Staufen und der Teck, von einem Pfarr¬ hof zum andern, ob wir nicht einen Geistlichen fänden, der uns um Gotteswillen und aus christlichem Herzen copulirte? War aber Alles vergebens, und wie wir heimkommen, so stecken sie uns wegen Ent¬ führung und Landstreicherei vierzehn Tage lang ein und bringen mir dann eine Verzichtleistung von dir, die mich so rappelköpfig macht, daß ich erklärt hab', jetzt wolle ich auch nichts mehr von dir wissen! Wie wir dann frei wurden, war's leicht, sich über die falsche Vor¬ spiegelung zu verständigen. Drauf klag' ich in Göppingen, und der Vogt sagt selber, das sei keine Art, eine angefangene Copulationssache nach dreimaliger Proclamation also zu hintertreiben, und gibt einen Bescheid für den Pfarrer, daß er fortfahren solle. Wie ich dich nun damit in's Pfarrhaus schicke und der Pfarrer an dich hin zankt und schimpft, das Oberamt solle ihm zuvor die Tar' bezahlen, wenn es ihm mit solchem Bettlerpack beschwerlich fallen wolle, was hast du dann zu mir gesagt, du Biedermännin, die mir jetzt predigen will? Hast du nicht gesagt, der Geizhals von einem Pfaffen hab' Uhr und Ring an der Wand hängen, man sollt's ihm nur nehmen, dann hätt' ich Geld und könnte nach Stuttgart gehen, um ihn zu verklagen und die Copulation zu erzwingen?
Ach freilich hab' ich's gesagt, seufzte sie, aber ich bin eben auch ganz außer mir gewesen vor Jammer und Verzweiflung und vor Zorn über so ein ungeistlich's Betragen gegen die Armen. Aber mein Herz hat nicht dran denkt, daß du das thun würdest, was ich im Zorn 'rausgeschwätzt hab'. Vom Gedanken bis zur That ist doch noch ein weiter Weg, und besser hätt'st doch gethan, wie du jetzt selber einsiehst, wenn du noch einmal an's Oberamt gangen wär'st.
Geh' mir weg mit dem Oberamt! murrte er. Das einemal hören sie Einen an und das andremal jagen sie Einen fort, sonderlich wenn man oft kommt. Was du gedacht und gesagt hast, das hab' ich ge¬ than; 's ist just so weit, wie der Weg vom Weib zum Mann. Um
hat wieder Alles dran getrieben, daß die Sache rückgängig worden iſt, Vater und Mutter, Amtmann und Pfarrer, und der Pfarrer hat meinem Vater noch ganz anders zugeredet, als ſein Vorgänger, welch' eine Thorheit es für ihn ſei, eine Schwiegertochter ohne Vermögen in's Haus zu nehmen. Weißt noch, wie wir vier Wochen lang herum¬ gezogen ſind zwiſchen dem Staufen und der Teck, von einem Pfarr¬ hof zum andern, ob wir nicht einen Geiſtlichen fänden, der uns um Gotteswillen und aus chriſtlichem Herzen copulirte? War aber Alles vergebens, und wie wir heimkommen, ſo ſtecken ſie uns wegen Ent¬ führung und Landſtreicherei vierzehn Tage lang ein und bringen mir dann eine Verzichtleiſtung von dir, die mich ſo rappelköpfig macht, daß ich erklärt hab', jetzt wolle ich auch nichts mehr von dir wiſſen! Wie wir dann frei wurden, war's leicht, ſich über die falſche Vor¬ ſpiegelung zu verſtändigen. Drauf klag' ich in Göppingen, und der Vogt ſagt ſelber, das ſei keine Art, eine angefangene Copulationsſache nach dreimaliger Proclamation alſo zu hintertreiben, und gibt einen Beſcheid für den Pfarrer, daß er fortfahren ſolle. Wie ich dich nun damit in's Pfarrhaus ſchicke und der Pfarrer an dich hin zankt und ſchimpft, das Oberamt ſolle ihm zuvor die Tar' bezahlen, wenn es ihm mit ſolchem Bettlerpack beſchwerlich fallen wolle, was haſt du dann zu mir geſagt, du Biedermännin, die mir jetzt predigen will? Haſt du nicht geſagt, der Geizhals von einem Pfaffen hab' Uhr und Ring an der Wand hängen, man ſollt's ihm nur nehmen, dann hätt' ich Geld und könnte nach Stuttgart gehen, um ihn zu verklagen und die Copulation zu erzwingen?
Ach freilich hab' ich's geſagt, ſeufzte ſie, aber ich bin eben auch ganz außer mir geweſen vor Jammer und Verzweiflung und vor Zorn über ſo ein ungeiſtlich's Betragen gegen die Armen. Aber mein Herz hat nicht dran denkt, daß du das thun würdeſt, was ich im Zorn 'rausgeſchwätzt hab'. Vom Gedanken bis zur That iſt doch noch ein weiter Weg, und beſſer hätt'ſt doch gethan, wie du jetzt ſelber einſiehſt, wenn du noch einmal an's Oberamt gangen wär'ſt.
Geh' mir weg mit dem Oberamt! murrte er. Das einemal hören ſie Einen an und das andremal jagen ſie Einen fort, ſonderlich wenn man oft kommt. Was du gedacht und geſagt haſt, das hab' ich ge¬ than; 's iſt juſt ſo weit, wie der Weg vom Weib zum Mann. Um
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0309"n="293"/>
hat wieder Alles dran getrieben, daß die Sache rückgängig worden iſt,<lb/>
Vater und Mutter, Amtmann und Pfarrer, und der Pfarrer hat<lb/>
meinem Vater noch ganz anders zugeredet, als ſein Vorgänger, welch'<lb/>
eine Thorheit es für ihn ſei, eine Schwiegertochter ohne Vermögen in's<lb/>
Haus zu nehmen. Weißt noch, wie wir vier Wochen lang herum¬<lb/>
gezogen ſind zwiſchen dem Staufen und der Teck, von einem Pfarr¬<lb/>
hof zum andern, ob wir nicht einen Geiſtlichen fänden, der uns um<lb/>
Gotteswillen und aus chriſtlichem Herzen copulirte? War aber Alles<lb/>
vergebens, und wie wir heimkommen, ſo ſtecken ſie uns wegen Ent¬<lb/>
führung und Landſtreicherei vierzehn Tage lang ein und bringen mir<lb/>
dann eine Verzichtleiſtung von dir, die mich ſo rappelköpfig macht,<lb/>
daß ich erklärt hab', jetzt wolle ich auch nichts mehr von dir wiſſen!<lb/>
Wie wir dann frei wurden, war's leicht, ſich über die falſche Vor¬<lb/>ſpiegelung zu verſtändigen. Drauf klag' ich in Göppingen, und der<lb/>
Vogt ſagt ſelber, das ſei keine Art, eine angefangene Copulationsſache<lb/>
nach dreimaliger Proclamation alſo zu hintertreiben, und gibt einen<lb/>
Beſcheid für den Pfarrer, daß er fortfahren ſolle. Wie ich dich nun<lb/>
damit in's Pfarrhaus ſchicke und der Pfarrer an dich hin zankt und<lb/>ſchimpft, das Oberamt ſolle ihm zuvor die Tar' bezahlen, wenn es<lb/>
ihm mit ſolchem Bettlerpack beſchwerlich fallen wolle, was haſt du<lb/>
dann zu mir geſagt, du Biedermännin, die mir jetzt predigen will?<lb/>
Haſt du nicht geſagt, der Geizhals von einem Pfaffen hab' Uhr und<lb/>
Ring an der Wand hängen, man ſollt's ihm nur nehmen, dann hätt'<lb/>
ich Geld und könnte nach Stuttgart gehen, um ihn zu verklagen und<lb/>
die Copulation zu erzwingen?</p><lb/><p>Ach freilich hab' ich's geſagt, ſeufzte ſie, aber ich bin eben auch<lb/>
ganz außer mir geweſen vor Jammer und Verzweiflung und vor<lb/>
Zorn über ſo ein ungeiſtlich's Betragen gegen die Armen. Aber mein<lb/>
Herz hat nicht dran denkt, daß du das thun würdeſt, was ich im<lb/>
Zorn 'rausgeſchwätzt hab'. Vom Gedanken bis zur That iſt doch noch<lb/>
ein weiter Weg, und beſſer hätt'ſt doch gethan, wie du jetzt ſelber<lb/>
einſiehſt, wenn du noch einmal an's Oberamt gangen wär'ſt.</p><lb/><p>Geh' mir weg mit dem Oberamt! murrte er. Das einemal hören<lb/>ſie Einen an und das andremal jagen ſie Einen fort, ſonderlich wenn<lb/>
man oft kommt. Was du gedacht und geſagt haſt, das hab' ich ge¬<lb/>
than; 's iſt juſt ſo weit, wie der Weg vom Weib zum Mann. Um<lb/></p></div></body></text></TEI>
[293/0309]
hat wieder Alles dran getrieben, daß die Sache rückgängig worden iſt,
Vater und Mutter, Amtmann und Pfarrer, und der Pfarrer hat
meinem Vater noch ganz anders zugeredet, als ſein Vorgänger, welch'
eine Thorheit es für ihn ſei, eine Schwiegertochter ohne Vermögen in's
Haus zu nehmen. Weißt noch, wie wir vier Wochen lang herum¬
gezogen ſind zwiſchen dem Staufen und der Teck, von einem Pfarr¬
hof zum andern, ob wir nicht einen Geiſtlichen fänden, der uns um
Gotteswillen und aus chriſtlichem Herzen copulirte? War aber Alles
vergebens, und wie wir heimkommen, ſo ſtecken ſie uns wegen Ent¬
führung und Landſtreicherei vierzehn Tage lang ein und bringen mir
dann eine Verzichtleiſtung von dir, die mich ſo rappelköpfig macht,
daß ich erklärt hab', jetzt wolle ich auch nichts mehr von dir wiſſen!
Wie wir dann frei wurden, war's leicht, ſich über die falſche Vor¬
ſpiegelung zu verſtändigen. Drauf klag' ich in Göppingen, und der
Vogt ſagt ſelber, das ſei keine Art, eine angefangene Copulationsſache
nach dreimaliger Proclamation alſo zu hintertreiben, und gibt einen
Beſcheid für den Pfarrer, daß er fortfahren ſolle. Wie ich dich nun
damit in's Pfarrhaus ſchicke und der Pfarrer an dich hin zankt und
ſchimpft, das Oberamt ſolle ihm zuvor die Tar' bezahlen, wenn es
ihm mit ſolchem Bettlerpack beſchwerlich fallen wolle, was haſt du
dann zu mir geſagt, du Biedermännin, die mir jetzt predigen will?
Haſt du nicht geſagt, der Geizhals von einem Pfaffen hab' Uhr und
Ring an der Wand hängen, man ſollt's ihm nur nehmen, dann hätt'
ich Geld und könnte nach Stuttgart gehen, um ihn zu verklagen und
die Copulation zu erzwingen?
Ach freilich hab' ich's geſagt, ſeufzte ſie, aber ich bin eben auch
ganz außer mir geweſen vor Jammer und Verzweiflung und vor
Zorn über ſo ein ungeiſtlich's Betragen gegen die Armen. Aber mein
Herz hat nicht dran denkt, daß du das thun würdeſt, was ich im
Zorn 'rausgeſchwätzt hab'. Vom Gedanken bis zur That iſt doch noch
ein weiter Weg, und beſſer hätt'ſt doch gethan, wie du jetzt ſelber
einſiehſt, wenn du noch einmal an's Oberamt gangen wär'ſt.
Geh' mir weg mit dem Oberamt! murrte er. Das einemal hören
ſie Einen an und das andremal jagen ſie Einen fort, ſonderlich wenn
man oft kommt. Was du gedacht und geſagt haſt, das hab' ich ge¬
than; 's iſt juſt ſo weit, wie der Weg vom Weib zum Mann. Um
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/309>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.