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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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zusammen ist es möglich, ein Bild von den letzten Lebensjahren des
verlorenen Sohnes von Ebersbach zu geben.

Der scharfsinnige Plan, der an der Waldecke bei Wäschenbeuren
gefaßt wurde, war nur sehr unvollkommen ausgeführt worden. Das
Sprichwort, daß nicht Alles Gold ist, was glänzt, hatte sich auch bei
dem Eintritt Schwan's in die Genossenschaft der Jauner bewährt. Es
ist nicht wahr, daß die Spitzbuben ehrlich gegen einander sind und
daß sich auf diese Eigenschaft eine feste gesellige Ordnung unter ihnen
gründen ließe. Neid, gegenseitiger Betrug und nie ruhender Verdacht,
selbst unter Verwandten, verbitterten ihm das von Hause aus arglose
Gemüth gegen diese neue Welt bald noch stärker als gegen die alte,
die ihn ausgestoßen hatte. Er zog meist mit der schwarzen Christine,
die er sich beigesellte, allein in den Landen umher. Dieses ungewöhnliche
Weib, von welcher der Geschichtschreiber "eines Räubers" und "einer Räu¬
berin" sagt, sie habe alle Gaben der Natur in reichem Maße besessen und
mit einer sehr schönen Körperbildung eine große Thätigkeit und Anlage
des Geistes verbunden, hing an ihm mit einer Leidenschaft, wie sie die
alten Sagen jenen Hünenweibern beilegen; aber sie quälte ihn durch
eine unbändige Eifersucht, und als die blonde Christine, trotzdem daß
es ihr geglückt war in einem Dienste unterzukommen, dem Zuge ihres
Herzens folgend ihn einst besuchte, so duldete die Zigeunerin sie nicht,
sondern trieb sie gegen seinen Willen nach kurzem Zusammensein wie¬
der fort. Dem Scharfsinn und der Gewandtheit dieses Weibes ver¬
dankte er seine glücklichsten Tage, wenn man es ein Glück heißen kann,
von gestohlenem Gute zu leben. Aber man trifft nicht jeden Tag einen
Markt, um die Taschen zu füllen, auch gelang nicht jeder Marktbesuch.
Christine wurde mehrmals gefangen; auch die Ehehändel trennten das
Paar oft Wochen lang. Wenn es gut ging, so zog er als Krämer
mit Paß und Kramkiste durch das Land, verkaufte seine Waaren um
billige Preise von Haus zu Haus, mied jede verrufene Gesellschaft,
herbergte in den besten Gasthäusern und war, wie er in der Unter¬
suchung sagte, auf der ganzen Straße von Mergentheim bis Stra߬
burg als der ehrlichste Kerl bekannt, so daß die Wirthe, wie er hin¬
zufügte, sich entsetzlich verwundern würden, wenn sie erführen, daß sie
unter dem Namen des ehrsamen Krämers Johann Sigmund oder auch
Hermann den Sonnenwirthle aufgenommen haben. Daß seine äußere

zuſammen iſt es möglich, ein Bild von den letzten Lebensjahren des
verlorenen Sohnes von Ebersbach zu geben.

Der ſcharfſinnige Plan, der an der Waldecke bei Wäſchenbeuren
gefaßt wurde, war nur ſehr unvollkommen ausgeführt worden. Das
Sprichwort, daß nicht Alles Gold iſt, was glänzt, hatte ſich auch bei
dem Eintritt Schwan's in die Genoſſenſchaft der Jauner bewährt. Es
iſt nicht wahr, daß die Spitzbuben ehrlich gegen einander ſind und
daß ſich auf dieſe Eigenſchaft eine feſte geſellige Ordnung unter ihnen
gründen ließe. Neid, gegenſeitiger Betrug und nie ruhender Verdacht,
ſelbſt unter Verwandten, verbitterten ihm das von Hauſe aus argloſe
Gemüth gegen dieſe neue Welt bald noch ſtärker als gegen die alte,
die ihn ausgeſtoßen hatte. Er zog meiſt mit der ſchwarzen Chriſtine,
die er ſich beigeſellte, allein in den Landen umher. Dieſes ungewöhnliche
Weib, von welcher der Geſchichtſchreiber „eines Räubers“ und „einer Räu¬
berin“ ſagt, ſie habe alle Gaben der Natur in reichem Maße beſeſſen und
mit einer ſehr ſchönen Körperbildung eine große Thätigkeit und Anlage
des Geiſtes verbunden, hing an ihm mit einer Leidenſchaft, wie ſie die
alten Sagen jenen Hünenweibern beilegen; aber ſie quälte ihn durch
eine unbändige Eiferſucht, und als die blonde Chriſtine, trotzdem daß
es ihr geglückt war in einem Dienſte unterzukommen, dem Zuge ihres
Herzens folgend ihn einſt beſuchte, ſo duldete die Zigeunerin ſie nicht,
ſondern trieb ſie gegen ſeinen Willen nach kurzem Zuſammenſein wie¬
der fort. Dem Scharfſinn und der Gewandtheit dieſes Weibes ver¬
dankte er ſeine glücklichſten Tage, wenn man es ein Glück heißen kann,
von geſtohlenem Gute zu leben. Aber man trifft nicht jeden Tag einen
Markt, um die Taſchen zu füllen, auch gelang nicht jeder Marktbeſuch.
Chriſtine wurde mehrmals gefangen; auch die Ehehändel trennten das
Paar oft Wochen lang. Wenn es gut ging, ſo zog er als Krämer
mit Paß und Kramkiſte durch das Land, verkaufte ſeine Waaren um
billige Preiſe von Haus zu Haus, mied jede verrufene Geſellſchaft,
herbergte in den beſten Gaſthäuſern und war, wie er in der Unter¬
ſuchung ſagte, auf der ganzen Straße von Mergentheim bis Stra߬
burg als der ehrlichſte Kerl bekannt, ſo daß die Wirthe, wie er hin¬
zufügte, ſich entſetzlich verwundern würden, wenn ſie erführen, daß ſie
unter dem Namen des ehrſamen Krämers Johann Sigmund oder auch
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[446/0462] zuſammen iſt es möglich, ein Bild von den letzten Lebensjahren des verlorenen Sohnes von Ebersbach zu geben. Der ſcharfſinnige Plan, der an der Waldecke bei Wäſchenbeuren gefaßt wurde, war nur ſehr unvollkommen ausgeführt worden. Das Sprichwort, daß nicht Alles Gold iſt, was glänzt, hatte ſich auch bei dem Eintritt Schwan's in die Genoſſenſchaft der Jauner bewährt. Es iſt nicht wahr, daß die Spitzbuben ehrlich gegen einander ſind und daß ſich auf dieſe Eigenſchaft eine feſte geſellige Ordnung unter ihnen gründen ließe. Neid, gegenſeitiger Betrug und nie ruhender Verdacht, ſelbſt unter Verwandten, verbitterten ihm das von Hauſe aus argloſe Gemüth gegen dieſe neue Welt bald noch ſtärker als gegen die alte, die ihn ausgeſtoßen hatte. Er zog meiſt mit der ſchwarzen Chriſtine, die er ſich beigeſellte, allein in den Landen umher. Dieſes ungewöhnliche Weib, von welcher der Geſchichtſchreiber „eines Räubers“ und „einer Räu¬ berin“ ſagt, ſie habe alle Gaben der Natur in reichem Maße beſeſſen und mit einer ſehr ſchönen Körperbildung eine große Thätigkeit und Anlage des Geiſtes verbunden, hing an ihm mit einer Leidenſchaft, wie ſie die alten Sagen jenen Hünenweibern beilegen; aber ſie quälte ihn durch eine unbändige Eiferſucht, und als die blonde Chriſtine, trotzdem daß es ihr geglückt war in einem Dienſte unterzukommen, dem Zuge ihres Herzens folgend ihn einſt beſuchte, ſo duldete die Zigeunerin ſie nicht, ſondern trieb ſie gegen ſeinen Willen nach kurzem Zuſammenſein wie¬ der fort. Dem Scharfſinn und der Gewandtheit dieſes Weibes ver¬ dankte er ſeine glücklichſten Tage, wenn man es ein Glück heißen kann, von geſtohlenem Gute zu leben. Aber man trifft nicht jeden Tag einen Markt, um die Taſchen zu füllen, auch gelang nicht jeder Marktbeſuch. Chriſtine wurde mehrmals gefangen; auch die Ehehändel trennten das Paar oft Wochen lang. Wenn es gut ging, ſo zog er als Krämer mit Paß und Kramkiſte durch das Land, verkaufte ſeine Waaren um billige Preiſe von Haus zu Haus, mied jede verrufene Geſellſchaft, herbergte in den beſten Gaſthäuſern und war, wie er in der Unter¬ ſuchung ſagte, auf der ganzen Straße von Mergentheim bis Stra߬ burg als der ehrlichſte Kerl bekannt, ſo daß die Wirthe, wie er hin¬ zufügte, ſich entſetzlich verwundern würden, wenn ſie erführen, daß ſie unter dem Namen des ehrſamen Krämers Johann Sigmund oder auch Hermann den Sonnenwirthle aufgenommen haben. Daß ſeine äußere

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/462>, abgerufen am 22.11.2024.