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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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war. Denn in seiner "Geschichte einer Räuberin" beschreibt der Sohn
des Oberamtmanns das Verhalten der Zigeunerin vollständig so:
"Schrecken und Wuth durchdrang sie, da sie ihr Todesurtheil anhörte;
sie stand eine Zeit lang starr vor Entsetzen, dann brach sie in die
fürchterlichsten Flüche aus und wüthete so lange bis sich ihre Kräfte
gänzlich erschöpft hatten. Man wird ohne Zweifel begierig sein, wie
das boshafte Weib nun, da sie ihrer Laster überwiesen war und nichts
als gewissen Tod zu erwarten hatte, sich betrug. Die katholischen sowohl,
als die lutherischen Geistlichen suchten, jeder auf seine Art, Reue über
ihre Verbrechen ihr beizubringen und sie auf bessere Wege zu führen.
Schwan selbst gab sich die äußerste Mühe, und versuchte bald durch
die zärtlichste Liebe, bald durch die heftigsten Drohungen sie zu be¬
kehren; sie blieb gänzlich ungerührt. Auf alle Ermahnungen ant¬
wortete sie mit Vorwürfen, und verwünschte sich selbst und alle
Menschen. Oft, wenn ihr der Geistliche vorhielt, daß sie mit diesen
Gesinnungen gewiß zur Hölle verdammt würde, antwortete sie, daß
es ihr gleichgiltig sei, in den Himmel oder in die Hölle zu kommen,
sie werde in beiden Kameraden finden. Oft freute sie sich sogar darauf,
einst in der Hölle gequält zu werden, weil sie sich selbst Hoffnung
mache, daß auch ihre Richter mit ihr gequält würden. Als man ihr
das Beispiel ihrer Magd vorhielt, die sich sehr aufrichtig bekehrt hätte,
so spottete sie darüber, und schrieb ihre Bekehrung ihrer Dummheit
zu, und als man ihr auch Schwan's Beispiel vorstellte, so antwortete
sie, daß Schwan das Leben besser genossen, als sie, und also sie sich
nicht mit ihm vergleichen lassen könne. Nur sie allein, fuhr sie fort,
sei die unglücklichste aller Menschen, da sie, noch so fähig die Freuden
der Welt zu genießen, ihnen schon entrissen werde. So verhielt sie
sich mehrere Tage, aber auf einmal schien ihre ganze Seele verändert.
Sie gestand, daß sie jene verzweiflungsvolle Sprache bloß angenom¬
men, weil sie geglaubt, daß man sie nicht in ihren Sünden dahin
sterben lassen werde. Sie bekannte alle ihre Fehler, bezeugte die
herzlichste Reue, und versprach Schwan in der Freudigkeit beim Tode
zu übertreffen. Auffallend war es dabei, daß sie sich gegen die
lutherischen Geistlichen viel aufmerksamer als gegen die katholischen
bezeugte, mit jenen viel williger und herzlicher betete, und diesen
sogar drohte, bei den lutherischen das Nachtmahl zu nehmen. Kurz,

war. Denn in ſeiner „Geſchichte einer Räuberin“ beſchreibt der Sohn
des Oberamtmanns das Verhalten der Zigeunerin vollſtändig ſo:
„Schrecken und Wuth durchdrang ſie, da ſie ihr Todesurtheil anhörte;
ſie ſtand eine Zeit lang ſtarr vor Entſetzen, dann brach ſie in die
fürchterlichſten Flüche aus und wüthete ſo lange bis ſich ihre Kräfte
gänzlich erſchöpft hatten. Man wird ohne Zweifel begierig ſein, wie
das boshafte Weib nun, da ſie ihrer Laſter überwieſen war und nichts
als gewiſſen Tod zu erwarten hatte, ſich betrug. Die katholiſchen ſowohl,
als die lutheriſchen Geiſtlichen ſuchten, jeder auf ſeine Art, Reue über
ihre Verbrechen ihr beizubringen und ſie auf beſſere Wege zu führen.
Schwan ſelbſt gab ſich die äußerſte Mühe, und verſuchte bald durch
die zärtlichſte Liebe, bald durch die heftigſten Drohungen ſie zu be¬
kehren; ſie blieb gänzlich ungerührt. Auf alle Ermahnungen ant¬
wortete ſie mit Vorwürfen, und verwünſchte ſich ſelbſt und alle
Menſchen. Oft, wenn ihr der Geiſtliche vorhielt, daß ſie mit dieſen
Geſinnungen gewiß zur Hölle verdammt würde, antwortete ſie, daß
es ihr gleichgiltig ſei, in den Himmel oder in die Hölle zu kommen,
ſie werde in beiden Kameraden finden. Oft freute ſie ſich ſogar darauf,
einſt in der Hölle gequält zu werden, weil ſie ſich ſelbſt Hoffnung
mache, daß auch ihre Richter mit ihr gequält würden. Als man ihr
das Beiſpiel ihrer Magd vorhielt, die ſich ſehr aufrichtig bekehrt hätte,
ſo ſpottete ſie darüber, und ſchrieb ihre Bekehrung ihrer Dummheit
zu, und als man ihr auch Schwan's Beiſpiel vorſtellte, ſo antwortete
ſie, daß Schwan das Leben beſſer genoſſen, als ſie, und alſo ſie ſich
nicht mit ihm vergleichen laſſen könne. Nur ſie allein, fuhr ſie fort,
ſei die unglücklichſte aller Menſchen, da ſie, noch ſo fähig die Freuden
der Welt zu genießen, ihnen ſchon entriſſen werde. So verhielt ſie
ſich mehrere Tage, aber auf einmal ſchien ihre ganze Seele verändert.
Sie geſtand, daß ſie jene verzweiflungsvolle Sprache bloß angenom¬
men, weil ſie geglaubt, daß man ſie nicht in ihren Sünden dahin
ſterben laſſen werde. Sie bekannte alle ihre Fehler, bezeugte die
herzlichſte Reue, und verſprach Schwan in der Freudigkeit beim Tode
zu übertreffen. Auffallend war es dabei, daß ſie ſich gegen die
lutheriſchen Geiſtlichen viel aufmerkſamer als gegen die katholiſchen
bezeugte, mit jenen viel williger und herzlicher betete, und dieſen
ſogar drohte, bei den lutheriſchen das Nachtmahl zu nehmen. Kurz,

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[494/0510] war. Denn in ſeiner „Geſchichte einer Räuberin“ beſchreibt der Sohn des Oberamtmanns das Verhalten der Zigeunerin vollſtändig ſo: „Schrecken und Wuth durchdrang ſie, da ſie ihr Todesurtheil anhörte; ſie ſtand eine Zeit lang ſtarr vor Entſetzen, dann brach ſie in die fürchterlichſten Flüche aus und wüthete ſo lange bis ſich ihre Kräfte gänzlich erſchöpft hatten. Man wird ohne Zweifel begierig ſein, wie das boshafte Weib nun, da ſie ihrer Laſter überwieſen war und nichts als gewiſſen Tod zu erwarten hatte, ſich betrug. Die katholiſchen ſowohl, als die lutheriſchen Geiſtlichen ſuchten, jeder auf ſeine Art, Reue über ihre Verbrechen ihr beizubringen und ſie auf beſſere Wege zu führen. Schwan ſelbſt gab ſich die äußerſte Mühe, und verſuchte bald durch die zärtlichſte Liebe, bald durch die heftigſten Drohungen ſie zu be¬ kehren; ſie blieb gänzlich ungerührt. Auf alle Ermahnungen ant¬ wortete ſie mit Vorwürfen, und verwünſchte ſich ſelbſt und alle Menſchen. Oft, wenn ihr der Geiſtliche vorhielt, daß ſie mit dieſen Geſinnungen gewiß zur Hölle verdammt würde, antwortete ſie, daß es ihr gleichgiltig ſei, in den Himmel oder in die Hölle zu kommen, ſie werde in beiden Kameraden finden. Oft freute ſie ſich ſogar darauf, einſt in der Hölle gequält zu werden, weil ſie ſich ſelbſt Hoffnung mache, daß auch ihre Richter mit ihr gequält würden. Als man ihr das Beiſpiel ihrer Magd vorhielt, die ſich ſehr aufrichtig bekehrt hätte, ſo ſpottete ſie darüber, und ſchrieb ihre Bekehrung ihrer Dummheit zu, und als man ihr auch Schwan's Beiſpiel vorſtellte, ſo antwortete ſie, daß Schwan das Leben beſſer genoſſen, als ſie, und alſo ſie ſich nicht mit ihm vergleichen laſſen könne. Nur ſie allein, fuhr ſie fort, ſei die unglücklichſte aller Menſchen, da ſie, noch ſo fähig die Freuden der Welt zu genießen, ihnen ſchon entriſſen werde. So verhielt ſie ſich mehrere Tage, aber auf einmal ſchien ihre ganze Seele verändert. Sie geſtand, daß ſie jene verzweiflungsvolle Sprache bloß angenom¬ men, weil ſie geglaubt, daß man ſie nicht in ihren Sünden dahin ſterben laſſen werde. Sie bekannte alle ihre Fehler, bezeugte die herzlichſte Reue, und verſprach Schwan in der Freudigkeit beim Tode zu übertreffen. Auffallend war es dabei, daß ſie ſich gegen die lutheriſchen Geiſtlichen viel aufmerkſamer als gegen die katholiſchen bezeugte, mit jenen viel williger und herzlicher betete, und dieſen ſogar drohte, bei den lutheriſchen das Nachtmahl zu nehmen. Kurz,

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/510>, abgerufen am 23.11.2024.