Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte, und das einzige unentgeltliche Studium war das, zu welchem der Weg durch das Landexamen führte. Der Versuch mußte also gemacht werden, das stand fest. Fiel der Junge durch -- wohl ihm! Blieb er im Siebe liegen, wie es der Zufall manchmal wunderlich fügt, daß der Mensch die paar Brocken Wissen, die an ihm hängen geblieben sind, verwerthen kann -- dann noch besser oder schlimmer! Im einen wie im andern Falle, Cardinal! -- so apostrophirte der Pfarrer von Y . . . burg die unsichtbare Gewalt, die ihn drängte -- habe ich das Meinige gethan.

Unter diesen Umständen konnte er es nicht vermeiden, mit dem bisherigen Geistesfreunde nun auch körperlich zusammenzutreffen; denn selbst wenn es ihm gelang, jeder persönlichen Begegnung vorzubeugen, so mußte Jener doch seine Anwesenheit, die in keiner Weise verborgen bleiben konnte, erfahren, und der Widerspruch zwischen diesem unfreundschaftlichen Betragen und dem mit fast leidenschaftlicher Freundschaft geführten Briefwechsel war zu groß, zu auffallend, zu unerklärlich, als daß er sich denselben hätte zu Schulden kommen lassen dürfen.

Hatte er einmal A gesagt, so mußte er jetzt B sagen. So schrieb er denn, wie wir bereits wissen, anscheinend höchst vergnügt zurück, daß er gleichfalls einen Sohn ins Examen bringen und daß hieraus auch den Vätern die Gelegenheit, sich zu sprechen, erblühen werde. Im Herzen aber war er über dieses bevor-

hatte, und das einzige unentgeltliche Studium war das, zu welchem der Weg durch das Landexamen führte. Der Versuch mußte also gemacht werden, das stand fest. Fiel der Junge durch — wohl ihm! Blieb er im Siebe liegen, wie es der Zufall manchmal wunderlich fügt, daß der Mensch die paar Brocken Wissen, die an ihm hängen geblieben sind, verwerthen kann — dann noch besser oder schlimmer! Im einen wie im andern Falle, Cardinal! — so apostrophirte der Pfarrer von Y . . . burg die unsichtbare Gewalt, die ihn drängte — habe ich das Meinige gethan.

Unter diesen Umständen konnte er es nicht vermeiden, mit dem bisherigen Geistesfreunde nun auch körperlich zusammenzutreffen; denn selbst wenn es ihm gelang, jeder persönlichen Begegnung vorzubeugen, so mußte Jener doch seine Anwesenheit, die in keiner Weise verborgen bleiben konnte, erfahren, und der Widerspruch zwischen diesem unfreundschaftlichen Betragen und dem mit fast leidenschaftlicher Freundschaft geführten Briefwechsel war zu groß, zu auffallend, zu unerklärlich, als daß er sich denselben hätte zu Schulden kommen lassen dürfen.

Hatte er einmal A gesagt, so mußte er jetzt B sagen. So schrieb er denn, wie wir bereits wissen, anscheinend höchst vergnügt zurück, daß er gleichfalls einen Sohn ins Examen bringen und daß hieraus auch den Vätern die Gelegenheit, sich zu sprechen, erblühen werde. Im Herzen aber war er über dieses bevor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0066"/>
hatte, und das einzige unentgeltliche Studium war das, zu                welchem der Weg durch das Landexamen führte. Der Versuch mußte also gemacht werden,                das stand fest. Fiel der Junge durch &#x2014; wohl ihm! Blieb er im Siebe liegen, wie es der                Zufall manchmal wunderlich fügt, daß der Mensch die paar Brocken Wissen, die an ihm                hängen geblieben sind, verwerthen kann &#x2014; dann noch besser oder schlimmer! Im einen                wie im andern Falle, Cardinal! &#x2014; so apostrophirte der Pfarrer von Y . . . burg die                unsichtbare Gewalt, die ihn drängte &#x2014; habe ich das Meinige gethan.</p><lb/>
        <p>Unter diesen Umständen konnte er es nicht vermeiden, mit dem bisherigen                Geistesfreunde nun auch körperlich zusammenzutreffen; denn selbst wenn es ihm gelang,                jeder persönlichen Begegnung vorzubeugen, so mußte Jener doch seine Anwesenheit, die                in keiner Weise verborgen bleiben konnte, erfahren, und der Widerspruch zwischen                diesem unfreundschaftlichen Betragen und dem mit fast leidenschaftlicher Freundschaft                geführten Briefwechsel war zu groß, zu auffallend, zu unerklärlich, als daß er sich                denselben hätte zu Schulden kommen lassen dürfen.</p><lb/>
        <p>Hatte er einmal A gesagt, so mußte er jetzt B sagen. So schrieb er denn, wie wir                bereits wissen, anscheinend höchst vergnügt zurück, daß er gleichfalls einen Sohn ins                Examen bringen und daß hieraus auch den Vätern die Gelegenheit, sich zu sprechen,                erblühen werde. Im Herzen aber war er über dieses bevor-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0066] hatte, und das einzige unentgeltliche Studium war das, zu welchem der Weg durch das Landexamen führte. Der Versuch mußte also gemacht werden, das stand fest. Fiel der Junge durch — wohl ihm! Blieb er im Siebe liegen, wie es der Zufall manchmal wunderlich fügt, daß der Mensch die paar Brocken Wissen, die an ihm hängen geblieben sind, verwerthen kann — dann noch besser oder schlimmer! Im einen wie im andern Falle, Cardinal! — so apostrophirte der Pfarrer von Y . . . burg die unsichtbare Gewalt, die ihn drängte — habe ich das Meinige gethan. Unter diesen Umständen konnte er es nicht vermeiden, mit dem bisherigen Geistesfreunde nun auch körperlich zusammenzutreffen; denn selbst wenn es ihm gelang, jeder persönlichen Begegnung vorzubeugen, so mußte Jener doch seine Anwesenheit, die in keiner Weise verborgen bleiben konnte, erfahren, und der Widerspruch zwischen diesem unfreundschaftlichen Betragen und dem mit fast leidenschaftlicher Freundschaft geführten Briefwechsel war zu groß, zu auffallend, zu unerklärlich, als daß er sich denselben hätte zu Schulden kommen lassen dürfen. Hatte er einmal A gesagt, so mußte er jetzt B sagen. So schrieb er denn, wie wir bereits wissen, anscheinend höchst vergnügt zurück, daß er gleichfalls einen Sohn ins Examen bringen und daß hieraus auch den Vätern die Gelegenheit, sich zu sprechen, erblühen werde. Im Herzen aber war er über dieses bevor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:08:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:08:57Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/66
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/66>, abgerufen am 27.11.2024.