thümliche Stellung im Verwaltungs-Organismus, welche sich histo- risch erklärt.
In dem alten Zollverein waren alle dabei betheiligten Staaten von einander unabhängig und souverän und es verstand sich daher von selbst, daß die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Ab- gaben ihnen zustand. Bei dem Interesse, welches jeder einzelne Staat daran hatte, daß diese Verwaltung überall den Zollvereins- verträgen entsprechend und übereinstimmend geführt wurde, traf man die Einrichtung, die Zoll- und Steuerbehörden der Vereins- staaten durch Bevollmächtigte controliren zu lassen. Wurden von diesen Bevollmächtigten Anzeigen erstattet über unrichtige Anwen- dung oder über Mängel, welche bei der Ausführung der Zoll- vereinsverträge hervortraten, so wurde die Angelegenheit, falls sie nicht durch eine Entscheidung der Centralbehörde des betreffenden Staates erledigt wurde, auf den Zollvereins-Conferenzen erörtert und eine gleichmäßige Handhabung des Tarifs oder eine überein- stimmende Einrichtung vereinbart. Ein solcher Beschluß der Zoll- vereins-Conferenz hatte, grade wie ein Beschluß des Frankfurter Bundestages, den Charakter einer völkerrechtlichen Vertragsschlie- ßung. Da sich aus der Natur des Zollvereins das Erforderniß der Einstimmigkeit für die Beschlüsse der Zollconferenz ergab, so war eine präcise Abgränzung ihrer Competenz kein Bedürfniß. Man begnügte sich daher, der Versammlung der Konferenz-Bevoll- mächtigten zuzuweisen: "Die Verhandlung über alle Beschwer- den und Mängel welche in Beziehung auf die Ausführung des Grundvertrages . . . . . wahrgenommen ... worden sind 1).
Auch bei Gründung des Norddeutschen Bundes blieb die im Zollverein ausgebildete Verwaltungs-Organisation im Wesentlichen unverändert; abgesehen davon, daß die zur Controle der Zoll- und Steuerbehörden der einzelnen Staaten dienenden Bevollmäch- tigten vom Präsidium ernannt wurden. Dem Bundesrathe wurde daher im Art. 37 zugewiesen unter Z. 1 die Mitwirkung bei dem Erlaß von Zoll- und Steuergesetzen und dem Abschlusse von Handelsverträgen, unter Z. 2 der Erlaß von Administrativ-Ver- ordnungen, und unter Z. 3. die Beschlußfassung:
1) Zollvereinsv. vom 16. Mai 1865 Art. 34 sub a.
Laband, Reichsstaatsrecht. I. 17
§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
thümliche Stellung im Verwaltungs-Organismus, welche ſich hiſto- riſch erklärt.
In dem alten Zollverein waren alle dabei betheiligten Staaten von einander unabhängig und ſouverän und es verſtand ſich daher von ſelbſt, daß die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Ab- gaben ihnen zuſtand. Bei dem Intereſſe, welches jeder einzelne Staat daran hatte, daß dieſe Verwaltung überall den Zollvereins- verträgen entſprechend und übereinſtimmend geführt wurde, traf man die Einrichtung, die Zoll- und Steuerbehörden der Vereins- ſtaaten durch Bevollmächtigte controliren zu laſſen. Wurden von dieſen Bevollmächtigten Anzeigen erſtattet über unrichtige Anwen- dung oder über Mängel, welche bei der Ausführung der Zoll- vereinsverträge hervortraten, ſo wurde die Angelegenheit, falls ſie nicht durch eine Entſcheidung der Centralbehörde des betreffenden Staates erledigt wurde, auf den Zollvereins-Conferenzen erörtert und eine gleichmäßige Handhabung des Tarifs oder eine überein- ſtimmende Einrichtung vereinbart. Ein ſolcher Beſchluß der Zoll- vereins-Conferenz hatte, grade wie ein Beſchluß des Frankfurter Bundestages, den Charakter einer völkerrechtlichen Vertragsſchlie- ßung. Da ſich aus der Natur des Zollvereins das Erforderniß der Einſtimmigkeit für die Beſchlüſſe der Zollconferenz ergab, ſo war eine präciſe Abgränzung ihrer Competenz kein Bedürfniß. Man begnügte ſich daher, der Verſammlung der Konferenz-Bevoll- mächtigten zuzuweiſen: „Die Verhandlung über alle Beſchwer- den und Mängel welche in Beziehung auf die Ausführung des Grundvertrages . . . . . wahrgenommen … worden ſind 1).
Auch bei Gründung des Norddeutſchen Bundes blieb die im Zollverein ausgebildete Verwaltungs-Organiſation im Weſentlichen unverändert; abgeſehen davon, daß die zur Controle der Zoll- und Steuerbehörden der einzelnen Staaten dienenden Bevollmäch- tigten vom Präſidium ernannt wurden. Dem Bundesrathe wurde daher im Art. 37 zugewieſen unter Z. 1 die Mitwirkung bei dem Erlaß von Zoll- und Steuergeſetzen und dem Abſchluſſe von Handelsverträgen, unter Z. 2 der Erlaß von Adminiſtrativ-Ver- ordnungen, und unter Z. 3. die Beſchlußfaſſung:
1) Zollvereinsv. vom 16. Mai 1865 Art. 34 sub a.
Laband, Reichsſtaatsrecht. I. 17
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0277"n="257"/><fwplace="top"type="header">§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.</fw><lb/>
thümliche Stellung im Verwaltungs-Organismus, welche ſich hiſto-<lb/>
riſch erklärt.</p><lb/><p>In dem alten Zollverein waren alle dabei betheiligten Staaten<lb/>
von einander unabhängig und ſouverän und es verſtand ſich daher<lb/>
von ſelbſt, daß die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Ab-<lb/>
gaben ihnen zuſtand. Bei dem Intereſſe, welches jeder einzelne<lb/>
Staat daran hatte, daß dieſe Verwaltung überall den Zollvereins-<lb/>
verträgen entſprechend und übereinſtimmend geführt wurde, traf<lb/>
man die Einrichtung, die Zoll- und Steuerbehörden der Vereins-<lb/>ſtaaten durch Bevollmächtigte controliren zu laſſen. Wurden von<lb/>
dieſen Bevollmächtigten Anzeigen erſtattet über unrichtige Anwen-<lb/>
dung oder über Mängel, welche bei der Ausführung der Zoll-<lb/>
vereinsverträge hervortraten, ſo wurde die Angelegenheit, falls<lb/>ſie nicht durch eine Entſcheidung der Centralbehörde des betreffenden<lb/>
Staates erledigt wurde, auf den Zollvereins-Conferenzen erörtert<lb/>
und eine gleichmäßige Handhabung des Tarifs oder eine überein-<lb/>ſtimmende Einrichtung vereinbart. Ein ſolcher Beſchluß der Zoll-<lb/>
vereins-Conferenz hatte, grade wie ein Beſchluß des Frankfurter<lb/>
Bundestages, den Charakter einer völkerrechtlichen Vertragsſchlie-<lb/>
ßung. Da ſich aus der Natur des Zollvereins das Erforderniß<lb/>
der Einſtimmigkeit für die Beſchlüſſe der Zollconferenz ergab, ſo<lb/>
war eine präciſe Abgränzung ihrer Competenz kein Bedürfniß.<lb/>
Man begnügte ſich daher, der Verſammlung der Konferenz-Bevoll-<lb/>
mächtigten zuzuweiſen: „Die Verhandlung <hirendition="#g">über alle Beſchwer-<lb/>
den und Mängel</hi> welche in Beziehung auf die Ausführung des<lb/>
Grundvertrages . . . . . wahrgenommen … worden ſind <noteplace="foot"n="1)">Zollvereinsv. vom 16. Mai 1865 Art. 34 <hirendition="#aq">sub a.</hi></note>.</p><lb/><p>Auch bei Gründung des Norddeutſchen Bundes blieb die im<lb/>
Zollverein ausgebildete Verwaltungs-Organiſation im Weſentlichen<lb/>
unverändert; abgeſehen davon, daß die zur Controle der Zoll-<lb/>
und Steuerbehörden der einzelnen Staaten dienenden Bevollmäch-<lb/>
tigten vom Präſidium ernannt wurden. Dem Bundesrathe wurde<lb/>
daher im Art. 37 zugewieſen unter Z. 1 die Mitwirkung bei dem<lb/>
Erlaß von Zoll- und Steuergeſetzen und dem Abſchluſſe von<lb/>
Handelsverträgen, unter Z. 2 der Erlaß von Adminiſtrativ-Ver-<lb/>
ordnungen, und unter Z. 3. die Beſchlußfaſſung:<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Laband</hi>, Reichsſtaatsrecht. <hirendition="#aq">I.</hi> 17</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[257/0277]
§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
thümliche Stellung im Verwaltungs-Organismus, welche ſich hiſto-
riſch erklärt.
In dem alten Zollverein waren alle dabei betheiligten Staaten
von einander unabhängig und ſouverän und es verſtand ſich daher
von ſelbſt, daß die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Ab-
gaben ihnen zuſtand. Bei dem Intereſſe, welches jeder einzelne
Staat daran hatte, daß dieſe Verwaltung überall den Zollvereins-
verträgen entſprechend und übereinſtimmend geführt wurde, traf
man die Einrichtung, die Zoll- und Steuerbehörden der Vereins-
ſtaaten durch Bevollmächtigte controliren zu laſſen. Wurden von
dieſen Bevollmächtigten Anzeigen erſtattet über unrichtige Anwen-
dung oder über Mängel, welche bei der Ausführung der Zoll-
vereinsverträge hervortraten, ſo wurde die Angelegenheit, falls
ſie nicht durch eine Entſcheidung der Centralbehörde des betreffenden
Staates erledigt wurde, auf den Zollvereins-Conferenzen erörtert
und eine gleichmäßige Handhabung des Tarifs oder eine überein-
ſtimmende Einrichtung vereinbart. Ein ſolcher Beſchluß der Zoll-
vereins-Conferenz hatte, grade wie ein Beſchluß des Frankfurter
Bundestages, den Charakter einer völkerrechtlichen Vertragsſchlie-
ßung. Da ſich aus der Natur des Zollvereins das Erforderniß
der Einſtimmigkeit für die Beſchlüſſe der Zollconferenz ergab, ſo
war eine präciſe Abgränzung ihrer Competenz kein Bedürfniß.
Man begnügte ſich daher, der Verſammlung der Konferenz-Bevoll-
mächtigten zuzuweiſen: „Die Verhandlung über alle Beſchwer-
den und Mängel welche in Beziehung auf die Ausführung des
Grundvertrages . . . . . wahrgenommen … worden ſind 1).
Auch bei Gründung des Norddeutſchen Bundes blieb die im
Zollverein ausgebildete Verwaltungs-Organiſation im Weſentlichen
unverändert; abgeſehen davon, daß die zur Controle der Zoll-
und Steuerbehörden der einzelnen Staaten dienenden Bevollmäch-
tigten vom Präſidium ernannt wurden. Dem Bundesrathe wurde
daher im Art. 37 zugewieſen unter Z. 1 die Mitwirkung bei dem
Erlaß von Zoll- und Steuergeſetzen und dem Abſchluſſe von
Handelsverträgen, unter Z. 2 der Erlaß von Adminiſtrativ-Ver-
ordnungen, und unter Z. 3. die Beſchlußfaſſung:
1) Zollvereinsv. vom 16. Mai 1865 Art. 34 sub a.
Laband, Reichsſtaatsrecht. I. 17
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/277>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.