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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.

Den einzelnen Disciplinarkammern sind bestimmte Jurisdik-
tions-Bezirke zugewiesen, welche vom Kaiser im Einvernehmen
mit dem Bundesrathe abgegrenzt werden. (§. 88 Abs. 1.) Die
Feststellung dieser Bezirke ist erfolgt durch die Verordnung v. 11.
Juli 1873. (R.-G.-Bl. S. 293.) Zuständig ist diejenige Kammer,
in deren Bezirk der Angeschuldigte zur Zeit der Einleitung des
förmlichen Disciplinarverfahrens seinen dienstlichen Wohnsitz hat.
(§. 88 Abs. 2) 1).

Für Reichsbeamte, welche ihren dienstlichen Wohnsitz im Aus-
lande haben, ist die Disciplinarkammer in Potsdam zuständig;
ausgenommen sind die Beamten der Reichs-Eisenbahn-Verwaltung,
für welche die Disciplinarkammer in Straßburg competent ist 2).

Ist die Zuständigkeit verschiedener Disciplinarkammern strei-
tig, so entscheidet der Disciplinarhof über dieselbe. Ebenso wird,
wenn eine Disciplinarkammer rekusirt wird, vom Disciplinarhof
eine andere an deren Stelle ernannt 3).

Hinsichtlich der Personen erstreckt sich die Zuständigkeit der
Disciplinarkammern auf alle Reichsbeamte im Sinne des Gesetzes
v. 31. März 1873 §. 1, welche nicht durch eine besondere gesetz-
liche Vorschrift davon ausgenommen sind.

Jede Disciplinarkammer besteht aus sieben Mitgliedern, von
denen der Präsident und wenigstens drei andere Mitglieder in
richterlicher Stellung in einem Bundesstaate sein müssen. Die
Verhandlung und Entscheidung in den einzelnen Disciplinarsachen
erfolgt aber durch fünf Mitglieder. Der Vorsitzende und wenig-
stens zwei Beisitzer müssen zu den richterlichen Mitgliedern gehören 4).

der Kammer in Straßburg mit dem Bezirk Elsaß-Lothringen ist im Reichs-
Gesetzblatt von 1874 S. 3 publicirt. Die Kaiserl. Verordnung wegen Errich-
tung der Kammer in Stuttgart ist nicht publizirt worden; die Kammer in
Stuttgart wird aber in der Verordn. vom 11. Juli 1873 über die Abgrenzung
der Bezirke der Disciplinarkammern mit aufgeführt und die Ernennung ihrer
Mitglieder ist veröffentlicht im Centralblatt 1873 S. 389.
1) Das "förmliche Disciplinar-Verfahren" ist der auf Entfernung aus
dem Amte gerichtete Disciplinar-Prozeß. Die Einleitung desselben geschieht
durch Verfügung der obersten Reichsbehörde. Reichsbeamten-Gesetz §. 84.
2) Gesetz vom 5. November 1874 (R.-G.-Bl. S. 128.) Es sind dies
namentlich die im Großh. Luxemburg stationirten Eisenbahnbeamten und die
Stationsbeamten in Basel.
3) Reichsbeamtengesetz §. 90.
4) cit. Gesetz §. 89. Die Zahl der in der Sitzung mitwirkenden Mitglie-
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§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.

Den einzelnen Disciplinarkammern ſind beſtimmte Jurisdik-
tions-Bezirke zugewieſen, welche vom Kaiſer im Einvernehmen
mit dem Bundesrathe abgegrenzt werden. (§. 88 Abſ. 1.) Die
Feſtſtellung dieſer Bezirke iſt erfolgt durch die Verordnung v. 11.
Juli 1873. (R.-G.-Bl. S. 293.) Zuſtändig iſt diejenige Kammer,
in deren Bezirk der Angeſchuldigte zur Zeit der Einleitung des
förmlichen Disciplinarverfahrens ſeinen dienſtlichen Wohnſitz hat.
(§. 88 Abſ. 2) 1).

Für Reichsbeamte, welche ihren dienſtlichen Wohnſitz im Aus-
lande haben, iſt die Disciplinarkammer in Potsdam zuſtändig;
ausgenommen ſind die Beamten der Reichs-Eiſenbahn-Verwaltung,
für welche die Disciplinarkammer in Straßburg competent iſt 2).

Iſt die Zuſtändigkeit verſchiedener Disciplinarkammern ſtrei-
tig, ſo entſcheidet der Disciplinarhof über dieſelbe. Ebenſo wird,
wenn eine Disciplinarkammer rekuſirt wird, vom Disciplinarhof
eine andere an deren Stelle ernannt 3).

Hinſichtlich der Perſonen erſtreckt ſich die Zuſtändigkeit der
Disciplinarkammern auf alle Reichsbeamte im Sinne des Geſetzes
v. 31. März 1873 §. 1, welche nicht durch eine beſondere geſetz-
liche Vorſchrift davon ausgenommen ſind.

Jede Disciplinarkammer beſteht aus ſieben Mitgliedern, von
denen der Präſident und wenigſtens drei andere Mitglieder in
richterlicher Stellung in einem Bundesſtaate ſein müſſen. Die
Verhandlung und Entſcheidung in den einzelnen Disciplinarſachen
erfolgt aber durch fünf Mitglieder. Der Vorſitzende und wenig-
ſtens zwei Beiſitzer müſſen zu den richterlichen Mitgliedern gehören 4).

der Kammer in Straßburg mit dem Bezirk Elſaß-Lothringen iſt im Reichs-
Geſetzblatt von 1874 S. 3 publicirt. Die Kaiſerl. Verordnung wegen Errich-
tung der Kammer in Stuttgart iſt nicht publizirt worden; die Kammer in
Stuttgart wird aber in der Verordn. vom 11. Juli 1873 über die Abgrenzung
der Bezirke der Disciplinarkammern mit aufgeführt und die Ernennung ihrer
Mitglieder iſt veröffentlicht im Centralblatt 1873 S. 389.
1) Das „förmliche Disciplinar-Verfahren“ iſt der auf Entfernung aus
dem Amte gerichtete Disciplinar-Prozeß. Die Einleitung deſſelben geſchieht
durch Verfügung der oberſten Reichsbehörde. Reichsbeamten-Geſetz §. 84.
2) Geſetz vom 5. November 1874 (R.-G.-Bl. S. 128.) Es ſind dies
namentlich die im Großh. Luxemburg ſtationirten Eiſenbahnbeamten und die
Stationsbeamten in Baſel.
3) Reichsbeamtengeſetz §. 90.
4) cit. Geſetz §. 89. Die Zahl der in der Sitzung mitwirkenden Mitglie-
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[371/0391] §. 36. Die richterlichen Reichsbehörden. Den einzelnen Disciplinarkammern ſind beſtimmte Jurisdik- tions-Bezirke zugewieſen, welche vom Kaiſer im Einvernehmen mit dem Bundesrathe abgegrenzt werden. (§. 88 Abſ. 1.) Die Feſtſtellung dieſer Bezirke iſt erfolgt durch die Verordnung v. 11. Juli 1873. (R.-G.-Bl. S. 293.) Zuſtändig iſt diejenige Kammer, in deren Bezirk der Angeſchuldigte zur Zeit der Einleitung des förmlichen Disciplinarverfahrens ſeinen dienſtlichen Wohnſitz hat. (§. 88 Abſ. 2) 1). Für Reichsbeamte, welche ihren dienſtlichen Wohnſitz im Aus- lande haben, iſt die Disciplinarkammer in Potsdam zuſtändig; ausgenommen ſind die Beamten der Reichs-Eiſenbahn-Verwaltung, für welche die Disciplinarkammer in Straßburg competent iſt 2). Iſt die Zuſtändigkeit verſchiedener Disciplinarkammern ſtrei- tig, ſo entſcheidet der Disciplinarhof über dieſelbe. Ebenſo wird, wenn eine Disciplinarkammer rekuſirt wird, vom Disciplinarhof eine andere an deren Stelle ernannt 3). Hinſichtlich der Perſonen erſtreckt ſich die Zuſtändigkeit der Disciplinarkammern auf alle Reichsbeamte im Sinne des Geſetzes v. 31. März 1873 §. 1, welche nicht durch eine beſondere geſetz- liche Vorſchrift davon ausgenommen ſind. Jede Disciplinarkammer beſteht aus ſieben Mitgliedern, von denen der Präſident und wenigſtens drei andere Mitglieder in richterlicher Stellung in einem Bundesſtaate ſein müſſen. Die Verhandlung und Entſcheidung in den einzelnen Disciplinarſachen erfolgt aber durch fünf Mitglieder. Der Vorſitzende und wenig- ſtens zwei Beiſitzer müſſen zu den richterlichen Mitgliedern gehören 4). 5) 1) Das „förmliche Disciplinar-Verfahren“ iſt der auf Entfernung aus dem Amte gerichtete Disciplinar-Prozeß. Die Einleitung deſſelben geſchieht durch Verfügung der oberſten Reichsbehörde. Reichsbeamten-Geſetz §. 84. 2) Geſetz vom 5. November 1874 (R.-G.-Bl. S. 128.) Es ſind dies namentlich die im Großh. Luxemburg ſtationirten Eiſenbahnbeamten und die Stationsbeamten in Baſel. 3) Reichsbeamtengeſetz §. 90. 4) cit. Geſetz §. 89. Die Zahl der in der Sitzung mitwirkenden Mitglie- 5) der Kammer in Straßburg mit dem Bezirk Elſaß-Lothringen iſt im Reichs- Geſetzblatt von 1874 S. 3 publicirt. Die Kaiſerl. Verordnung wegen Errich- tung der Kammer in Stuttgart iſt nicht publizirt worden; die Kammer in Stuttgart wird aber in der Verordn. vom 11. Juli 1873 über die Abgrenzung der Bezirke der Disciplinarkammern mit aufgeführt und die Ernennung ihrer Mitglieder iſt veröffentlicht im Centralblatt 1873 S. 389. 24*

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/391>, abgerufen am 22.11.2024.