Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 51. Formelle Ordnung der Reichstags-Geschäfte.

Den Abtheilungen liegt ob die Vorprüfung der Wahlen 1)
und die Wahl von Kommissionsmitgliedern 2).

b) Kommissionen. Dieselben werden gewählt. Es
können daher einzelne Mitglieder mehreren Kommissionen ange-
hören, andere gar keiner. Die Wahl erfolgt -- wenigstens schein-
bar -- durch die Abtheilungen, indem jede derselben die gleiche
Zahl von Kommissions-Mitgliedern durch Stimmzettel nach abso-
luter Mehrheit der anwesenden Mitglieder erwählt 3). In Wirk-
lichkeit ist dies eine leere Form, da die Wahl der Mitglieder der
Kommissionen von den Vorständen der Fractionen vereinbart wird 4).
Die Kommissionen können entweder für eine einzelne Angelegen-
heit oder für ganze Gruppen von Geschäften gewählt werden 5).
Die Aufgabe der Kommission ist die Vorberathung des ihr über-
wiesenen Gegenstandes und die Berichterstattung an das Plenum.
Der Bericht kann mündlich oder schriftlich erstattet werden; schrift-
liche Berichte werden gedruckt und an die Mitglieder vertheilt.
Der Reichstag kann in jedem Falle einen schriftlichen Bericht ver-
langen 6).

Die Kommissionen sind nur dann beschlußfähig, wenn min-
destens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Für das Publikum
sind die Sitzungen der Kommissionen nicht öffentlich 7); die Reichs-
tagsmitglieder sind aber befugt, auch wenn sie einer Kommission
nicht angehören, den Sitzungen derselben beizuwohnen. Eine
Ausschließung der Oeffentlichkeit der Kommissions-Verhandlungen
für Reichstags-Mitglieder kann nur der Reichstag beschließen 8).
Die Mitglieder des Bundesrathes und Kommissare desselben können
den Abtheilungen und Kommissionen mit berathender Stimme bei-

1) Gesch.-Ordn. §. 3. Siehe oben S. 553.
2) Gesch.-Ordn. §. 24. Abs. 3.
3) Gesch.-O. §. 24. Abs. 3.
4) S. darüber v. Mohl in der Zeitschr. f. Staatswissensch. Bd. 31 S. 57 ff.
5) Der §. 24 erwähnt 6 solche Gruppen; es ist aber weder erforderlich,
daß stets diese 6 Kommissionen gebildet werden, noch ist es unzulässig, für ein-
zelne unter diese Kategorie fallende Gegenstände besondere Kommissionen ein-
zusetzen.
6) Gesch.-Ordn. §. 25.
7) Auch der §. 12 des R.-St.-G.-B.'s findet auf Kommissions-Verhand-
lungen keine Anwendung. Oppenhoff Note 5 zu diesem §.
8) Gesch.-Ordn. §. 25 Abs. 5. Vgl. v. Mohl a. a. O. S. 60 fg.
§. 51. Formelle Ordnung der Reichstags-Geſchäfte.

Den Abtheilungen liegt ob die Vorprüfung der Wahlen 1)
und die Wahl von Kommiſſionsmitgliedern 2).

b) Kommiſſionen. Dieſelben werden gewählt. Es
können daher einzelne Mitglieder mehreren Kommiſſionen ange-
hören, andere gar keiner. Die Wahl erfolgt — wenigſtens ſchein-
bar — durch die Abtheilungen, indem jede derſelben die gleiche
Zahl von Kommiſſions-Mitgliedern durch Stimmzettel nach abſo-
luter Mehrheit der anweſenden Mitglieder erwählt 3). In Wirk-
lichkeit iſt dies eine leere Form, da die Wahl der Mitglieder der
Kommiſſionen von den Vorſtänden der Fractionen vereinbart wird 4).
Die Kommiſſionen können entweder für eine einzelne Angelegen-
heit oder für ganze Gruppen von Geſchäften gewählt werden 5).
Die Aufgabe der Kommiſſion iſt die Vorberathung des ihr über-
wieſenen Gegenſtandes und die Berichterſtattung an das Plenum.
Der Bericht kann mündlich oder ſchriftlich erſtattet werden; ſchrift-
liche Berichte werden gedruckt und an die Mitglieder vertheilt.
Der Reichstag kann in jedem Falle einen ſchriftlichen Bericht ver-
langen 6).

Die Kommiſſionen ſind nur dann beſchlußfähig, wenn min-
deſtens die Hälfte der Mitglieder anweſend iſt. Für das Publikum
ſind die Sitzungen der Kommiſſionen nicht öffentlich 7); die Reichs-
tagsmitglieder ſind aber befugt, auch wenn ſie einer Kommiſſion
nicht angehören, den Sitzungen derſelben beizuwohnen. Eine
Ausſchließung der Oeffentlichkeit der Kommiſſions-Verhandlungen
für Reichstags-Mitglieder kann nur der Reichstag beſchließen 8).
Die Mitglieder des Bundesrathes und Kommiſſare deſſelben können
den Abtheilungen und Kommiſſionen mit berathender Stimme bei-

1) Geſch.-Ordn. §. 3. Siehe oben S. 553.
2) Geſch.-Ordn. §. 24. Abſ. 3.
3) Geſch.-O. §. 24. Abſ. 3.
4) S. darüber v. Mohl in der Zeitſchr. f. Staatswiſſenſch. Bd. 31 S. 57 ff.
5) Der §. 24 erwähnt 6 ſolche Gruppen; es iſt aber weder erforderlich,
daß ſtets dieſe 6 Kommiſſionen gebildet werden, noch iſt es unzuläſſig, für ein-
zelne unter dieſe Kategorie fallende Gegenſtände beſondere Kommiſſionen ein-
zuſetzen.
6) Geſch.-Ordn. §. 25.
7) Auch der §. 12 des R.-St.-G.-B.’s findet auf Kommiſſions-Verhand-
lungen keine Anwendung. Oppenhoff Note 5 zu dieſem §.
8) Geſch.-Ordn. §. 25 Abſ. 5. Vgl. v. Mohl a. a. O. S. 60 fg.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0588" n="568"/>
            <fw place="top" type="header">§. 51. Formelle Ordnung der Reichstags-Ge&#x017F;chäfte.</fw><lb/>
            <p>Den Abtheilungen liegt ob die Vorprüfung der Wahlen <note place="foot" n="1)">Ge&#x017F;ch.-Ordn. §. 3. Siehe oben S. 553.</note><lb/>
und die Wahl von Kommi&#x017F;&#x017F;ionsmitgliedern <note place="foot" n="2)">Ge&#x017F;ch.-Ordn. §. 24. Ab&#x017F;. 3.</note>.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">b</hi>) <hi rendition="#g">Kommi&#x017F;&#x017F;ionen</hi>. Die&#x017F;elben werden <hi rendition="#g">gewählt</hi>. Es<lb/>
können daher einzelne Mitglieder mehreren Kommi&#x017F;&#x017F;ionen ange-<lb/>
hören, andere gar keiner. Die Wahl erfolgt &#x2014; wenig&#x017F;tens &#x017F;chein-<lb/>
bar &#x2014; durch die Abtheilungen, indem jede der&#x017F;elben die gleiche<lb/>
Zahl von Kommi&#x017F;&#x017F;ions-Mitgliedern durch Stimmzettel nach ab&#x017F;o-<lb/>
luter Mehrheit der anwe&#x017F;enden Mitglieder erwählt <note place="foot" n="3)">Ge&#x017F;ch.-O. §. 24. Ab&#x017F;. 3.</note>. In Wirk-<lb/>
lichkeit i&#x017F;t dies eine leere Form, da die Wahl der Mitglieder der<lb/>
Kommi&#x017F;&#x017F;ionen von den Vor&#x017F;tänden der Fractionen vereinbart wird <note place="foot" n="4)">S. darüber v. <hi rendition="#g">Mohl</hi> in der Zeit&#x017F;chr. f. Staatswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;ch. Bd. 31 S. 57 ff.</note>.<lb/>
Die Kommi&#x017F;&#x017F;ionen können entweder für eine einzelne Angelegen-<lb/>
heit oder für ganze Gruppen von Ge&#x017F;chäften gewählt werden <note place="foot" n="5)">Der §. 24 erwähnt 6 &#x017F;olche Gruppen; es i&#x017F;t aber weder erforderlich,<lb/>
daß &#x017F;tets die&#x017F;e 6 Kommi&#x017F;&#x017F;ionen gebildet werden, noch i&#x017F;t es unzulä&#x017F;&#x017F;ig, für ein-<lb/>
zelne unter die&#x017F;e Kategorie fallende Gegen&#x017F;tände be&#x017F;ondere Kommi&#x017F;&#x017F;ionen ein-<lb/>
zu&#x017F;etzen.</note>.<lb/>
Die Aufgabe der Kommi&#x017F;&#x017F;ion i&#x017F;t die Vorberathung des ihr über-<lb/>
wie&#x017F;enen Gegen&#x017F;tandes und die Berichter&#x017F;tattung an das Plenum.<lb/>
Der Bericht kann mündlich oder &#x017F;chriftlich er&#x017F;tattet werden; &#x017F;chrift-<lb/>
liche Berichte werden gedruckt und an die Mitglieder vertheilt.<lb/>
Der Reichstag kann in jedem Falle einen &#x017F;chriftlichen Bericht ver-<lb/>
langen <note place="foot" n="6)">Ge&#x017F;ch.-Ordn. §. 25.</note>.</p><lb/>
            <p>Die Kommi&#x017F;&#x017F;ionen &#x017F;ind nur dann be&#x017F;chlußfähig, wenn min-<lb/>
de&#x017F;tens die Hälfte der Mitglieder anwe&#x017F;end i&#x017F;t. Für das Publikum<lb/>
&#x017F;ind die Sitzungen der Kommi&#x017F;&#x017F;ionen nicht öffentlich <note place="foot" n="7)">Auch der §. 12 des R.-St.-G.-B.&#x2019;s findet auf Kommi&#x017F;&#x017F;ions-Verhand-<lb/>
lungen keine Anwendung. <hi rendition="#g">Oppenhoff</hi> Note 5 zu die&#x017F;em §.</note>; die Reichs-<lb/>
tagsmitglieder &#x017F;ind aber befugt, auch wenn &#x017F;ie einer Kommi&#x017F;&#x017F;ion<lb/>
nicht angehören, den Sitzungen der&#x017F;elben beizuwohnen. Eine<lb/>
Aus&#x017F;chließung der Oeffentlichkeit der Kommi&#x017F;&#x017F;ions-Verhandlungen<lb/>
für Reichstags-Mitglieder kann nur der Reichstag be&#x017F;chließen <note place="foot" n="8)">Ge&#x017F;ch.-Ordn. §. 25 Ab&#x017F;. 5. Vgl. v. <hi rendition="#g">Mohl</hi> a. a. O. S. 60 fg.</note>.<lb/>
Die Mitglieder des Bundesrathes und Kommi&#x017F;&#x017F;are de&#x017F;&#x017F;elben können<lb/>
den Abtheilungen und Kommi&#x017F;&#x017F;ionen mit berathender Stimme bei-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[568/0588] §. 51. Formelle Ordnung der Reichstags-Geſchäfte. Den Abtheilungen liegt ob die Vorprüfung der Wahlen 1) und die Wahl von Kommiſſionsmitgliedern 2). b) Kommiſſionen. Dieſelben werden gewählt. Es können daher einzelne Mitglieder mehreren Kommiſſionen ange- hören, andere gar keiner. Die Wahl erfolgt — wenigſtens ſchein- bar — durch die Abtheilungen, indem jede derſelben die gleiche Zahl von Kommiſſions-Mitgliedern durch Stimmzettel nach abſo- luter Mehrheit der anweſenden Mitglieder erwählt 3). In Wirk- lichkeit iſt dies eine leere Form, da die Wahl der Mitglieder der Kommiſſionen von den Vorſtänden der Fractionen vereinbart wird 4). Die Kommiſſionen können entweder für eine einzelne Angelegen- heit oder für ganze Gruppen von Geſchäften gewählt werden 5). Die Aufgabe der Kommiſſion iſt die Vorberathung des ihr über- wieſenen Gegenſtandes und die Berichterſtattung an das Plenum. Der Bericht kann mündlich oder ſchriftlich erſtattet werden; ſchrift- liche Berichte werden gedruckt und an die Mitglieder vertheilt. Der Reichstag kann in jedem Falle einen ſchriftlichen Bericht ver- langen 6). Die Kommiſſionen ſind nur dann beſchlußfähig, wenn min- deſtens die Hälfte der Mitglieder anweſend iſt. Für das Publikum ſind die Sitzungen der Kommiſſionen nicht öffentlich 7); die Reichs- tagsmitglieder ſind aber befugt, auch wenn ſie einer Kommiſſion nicht angehören, den Sitzungen derſelben beizuwohnen. Eine Ausſchließung der Oeffentlichkeit der Kommiſſions-Verhandlungen für Reichstags-Mitglieder kann nur der Reichstag beſchließen 8). Die Mitglieder des Bundesrathes und Kommiſſare deſſelben können den Abtheilungen und Kommiſſionen mit berathender Stimme bei- 1) Geſch.-Ordn. §. 3. Siehe oben S. 553. 2) Geſch.-Ordn. §. 24. Abſ. 3. 3) Geſch.-O. §. 24. Abſ. 3. 4) S. darüber v. Mohl in der Zeitſchr. f. Staatswiſſenſch. Bd. 31 S. 57 ff. 5) Der §. 24 erwähnt 6 ſolche Gruppen; es iſt aber weder erforderlich, daß ſtets dieſe 6 Kommiſſionen gebildet werden, noch iſt es unzuläſſig, für ein- zelne unter dieſe Kategorie fallende Gegenſtände beſondere Kommiſſionen ein- zuſetzen. 6) Geſch.-Ordn. §. 25. 7) Auch der §. 12 des R.-St.-G.-B.’s findet auf Kommiſſions-Verhand- lungen keine Anwendung. Oppenhoff Note 5 zu dieſem §. 8) Geſch.-Ordn. §. 25 Abſ. 5. Vgl. v. Mohl a. a. O. S. 60 fg.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/588
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/588>, abgerufen am 01.06.2024.