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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 51. Formelle Ordnung der Reichstags-Geschäfte.
wohnen. Dem Reichskanzler wird daher auch von dem Zusam-
mentritt der Kommissionen und von dem Gegenstande der Ver-
handlungen Kenntniß gegeben 1).

Abtheilungen und Kommissionen constituiren sich selbstständig,
wählen ihre Vorsitzenden und Schriftführer und deren Stellver-
treter und regeln ihre Tagesordnung selbst. Für die Abtheilungen
kann auch der Präsident Sitzungen anberaumen 2).

8) Protokolle. Auch von diesen giebt es zwei verschiedene
Arten:

a) Die offiziellen Sitzungsprotokolle3). Das Protokoll
jeder Sitzung liegt während der nächsten Sitzung zur Einsicht aus
und wird, wenn dagegen bis zum Schluß der Sitzung kein Ein-
spruch erhoben ist, als genehmigt erachtet. Wird aber Einspruch
erhoben, welcher sich durch die Erklärung der darüber zu hörenden
Schriftführer nicht heben läßt, so entscheidet der Reichstag darüber 4).
Wird der Einspruch für begründet erachtet, so muß noch während
der Sitzung eine neue Fassung der betreffenden Stelle vorgelegt
werden. Das Protokoll muß enthalten

die gefaßten Beschlüsse in wörtlicher Anführung;
die Interpellationen in wörtlicher Fassung nebst der Be-
merkung, ob sie beantwortet sind;
die amtlichen Anzeigen des Präsidenten.

Das Protokoll wird von dem Präsidenten und zwei Schrift-
führern vollzogen und im Archiv des Reichstages aufbewahrt. Durch
den Druck werden diese Protokolle nicht veröffentlicht. Sie allein
haben den Charakter öffentlicher Urkunden über die Reichstags-
Beschlüsse.

b) Die Stenographischen Berichte über die Verhand-
lungen. Die Ueberwachung der Revision derselben liegt den Schrift-
führern ob 5). Sie enthalten einen vollständigen Bericht der ge-

1) Gesch.-Ordn. §. 27.
2) Gesch.-Ordn. §. 2. 25. 28. Ueber sog. "freie Kommissionen" vergl.
v. Mohl a. a. O. S. 56.
3) Gesch.-Ordn §§. 35--38.
4) Von einem Einspruch gegen die Richtigkeit des Protokolls ist wohl zu
unterscheiden ein Einspruch gegen die (materielle) Richtigkeit einer im Protokoll
richtig wiedergegebenen Erklärung. Vgl. Stenogr. Berichte 1874. 1. Sess S. 113.
5) Gesch.-Ordn. §. 13.

§. 51. Formelle Ordnung der Reichstags-Geſchäfte.
wohnen. Dem Reichskanzler wird daher auch von dem Zuſam-
mentritt der Kommiſſionen und von dem Gegenſtande der Ver-
handlungen Kenntniß gegeben 1).

Abtheilungen und Kommiſſionen conſtituiren ſich ſelbſtſtändig,
wählen ihre Vorſitzenden und Schriftführer und deren Stellver-
treter und regeln ihre Tagesordnung ſelbſt. Für die Abtheilungen
kann auch der Präſident Sitzungen anberaumen 2).

8) Protokolle. Auch von dieſen giebt es zwei verſchiedene
Arten:

a) Die offiziellen Sitzungsprotokolle3). Das Protokoll
jeder Sitzung liegt während der nächſten Sitzung zur Einſicht aus
und wird, wenn dagegen bis zum Schluß der Sitzung kein Ein-
ſpruch erhoben iſt, als genehmigt erachtet. Wird aber Einſpruch
erhoben, welcher ſich durch die Erklärung der darüber zu hörenden
Schriftführer nicht heben läßt, ſo entſcheidet der Reichstag darüber 4).
Wird der Einſpruch für begründet erachtet, ſo muß noch während
der Sitzung eine neue Faſſung der betreffenden Stelle vorgelegt
werden. Das Protokoll muß enthalten

die gefaßten Beſchlüſſe in wörtlicher Anführung;
die Interpellationen in wörtlicher Faſſung nebſt der Be-
merkung, ob ſie beantwortet ſind;
die amtlichen Anzeigen des Präſidenten.

Das Protokoll wird von dem Präſidenten und zwei Schrift-
führern vollzogen und im Archiv des Reichstages aufbewahrt. Durch
den Druck werden dieſe Protokolle nicht veröffentlicht. Sie allein
haben den Charakter öffentlicher Urkunden über die Reichstags-
Beſchlüſſe.

b) Die Stenographiſchen Berichte über die Verhand-
lungen. Die Ueberwachung der Reviſion derſelben liegt den Schrift-
führern ob 5). Sie enthalten einen vollſtändigen Bericht der ge-

1) Geſch.-Ordn. §. 27.
2) Geſch.-Ordn. §. 2. 25. 28. Ueber ſog. „freie Kommiſſionen“ vergl.
v. Mohl a. a. O. S. 56.
3) Geſch.-Ordn §§. 35—38.
4) Von einem Einſpruch gegen die Richtigkeit des Protokolls iſt wohl zu
unterſcheiden ein Einſpruch gegen die (materielle) Richtigkeit einer im Protokoll
richtig wiedergegebenen Erklärung. Vgl. Stenogr. Berichte 1874. 1. Seſſ S. 113.
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[569/0589] §. 51. Formelle Ordnung der Reichstags-Geſchäfte. wohnen. Dem Reichskanzler wird daher auch von dem Zuſam- mentritt der Kommiſſionen und von dem Gegenſtande der Ver- handlungen Kenntniß gegeben 1). Abtheilungen und Kommiſſionen conſtituiren ſich ſelbſtſtändig, wählen ihre Vorſitzenden und Schriftführer und deren Stellver- treter und regeln ihre Tagesordnung ſelbſt. Für die Abtheilungen kann auch der Präſident Sitzungen anberaumen 2). 8) Protokolle. Auch von dieſen giebt es zwei verſchiedene Arten: a) Die offiziellen Sitzungsprotokolle 3). Das Protokoll jeder Sitzung liegt während der nächſten Sitzung zur Einſicht aus und wird, wenn dagegen bis zum Schluß der Sitzung kein Ein- ſpruch erhoben iſt, als genehmigt erachtet. Wird aber Einſpruch erhoben, welcher ſich durch die Erklärung der darüber zu hörenden Schriftführer nicht heben läßt, ſo entſcheidet der Reichstag darüber 4). Wird der Einſpruch für begründet erachtet, ſo muß noch während der Sitzung eine neue Faſſung der betreffenden Stelle vorgelegt werden. Das Protokoll muß enthalten die gefaßten Beſchlüſſe in wörtlicher Anführung; die Interpellationen in wörtlicher Faſſung nebſt der Be- merkung, ob ſie beantwortet ſind; die amtlichen Anzeigen des Präſidenten. Das Protokoll wird von dem Präſidenten und zwei Schrift- führern vollzogen und im Archiv des Reichstages aufbewahrt. Durch den Druck werden dieſe Protokolle nicht veröffentlicht. Sie allein haben den Charakter öffentlicher Urkunden über die Reichstags- Beſchlüſſe. b) Die Stenographiſchen Berichte über die Verhand- lungen. Die Ueberwachung der Reviſion derſelben liegt den Schrift- führern ob 5). Sie enthalten einen vollſtändigen Bericht der ge- 1) Geſch.-Ordn. §. 27. 2) Geſch.-Ordn. §. 2. 25. 28. Ueber ſog. „freie Kommiſſionen“ vergl. v. Mohl a. a. O. S. 56. 3) Geſch.-Ordn §§. 35—38. 4) Von einem Einſpruch gegen die Richtigkeit des Protokolls iſt wohl zu unterſcheiden ein Einſpruch gegen die (materielle) Richtigkeit einer im Protokoll richtig wiedergegebenen Erklärung. Vgl. Stenogr. Berichte 1874. 1. Seſſ S. 113. 5) Geſch.-Ordn. §. 13.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/589>, abgerufen am 22.11.2024.