v. 1. Juni 1870 nur die Rede sein, bei denjenigen Personen, denen dieselbe durch Aufnahme, Naturalisation oder Anstellung verliehen worden ist.
Hiernach würde nur ein höchst unbedeutender Bruchtheil der elsaß-lothringenschen Bevölkerung die spezielle Staatsangehörigkeit neben der Reichsangehörigkeit haben, und es würde überdies der Sinn des Gesetzes v. 2. Juni 1870 völlig entstellt werden. Denn die in demselben anerkannten Erwerbsgründe der Staatsangehörig- keit würden nicht, wie es die Absicht des Gesetzes ist, die gleiche Rechtswirkung haben, sondern die familienrechtlichen Erwerbsgründe hätten eine völlig andere Wirkung wie die Aufnahme und Natu- ralisation. Auch in dem Ges. v. 1. Juni 1870 ist demnach die Angehörigkeit von Elsaß-Lothringen nicht als Staatsangehörigkeit aufzufassen, sondern ganz so wie es das Ges. v. 24. Januar 1873 hinsichtlich des Wahlrechts gethan hat, als Reichsangehörigkeit, verbunden mit dem Wohnsitz im Reichslande. Die Reichsange- hörigkeit geht aber nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ver- loren durch Verlegung des Wohnsitzes in einen andern Bundes- staat oder durch Aufenthalt im Auslande, wenn er nicht zehn Jahre lang ununterbrochen fortdauert. Es kann daher Jemand, welcher in Elsaß-Lothringen die Reichsangehörigkeit erworben hat und dann seinen Wohnsitz außerhalb des Reichslandes nimmt, Reichsangehöriger sein, ohne einem Deutschen Staate anzugehören, wodurch das dem Ges. v. 1 Juni 1870 zu Grunde liegende Princip erheblich modifizirt wird. Es zeigt sich an diesem Gesetze grade wie an der Reichsverfassung, daß ein Gesetz, welches Staaten voraus- setzt und für sie berechnet ist, nicht kurzweg in einem Reichslande eingeführt werden kann, ohne daß sich juristische Unterschiede und Inconsequenzen ergeben.
Der Begriff eines Angehörigen von Elsaß-Lothringen ist aber noch in anderen Beziehungen als nur hinsichtlich des Staats- bürgerrechts von Wichtigkeit. Die französische Gesetzgebung knüpft an die Eigenschaft eines Franzosen zahlreiche Rechts- folgen und diese Gesetzgebung hat zum Theil im Reichslande ihre Geltung behalten. Es entsteht daher die Frage, was im Reichs- lande in denjenigen Fällen, in denen das französische Recht la qualite de Francais erfordert, an Stelle der letzteren zu setzen ist.
§. 54. Bundesglied und Reichsland.
v. 1. Juni 1870 nur die Rede ſein, bei denjenigen Perſonen, denen dieſelbe durch Aufnahme, Naturaliſation oder Anſtellung verliehen worden iſt.
Hiernach würde nur ein höchſt unbedeutender Bruchtheil der elſaß-lothringenſchen Bevölkerung die ſpezielle Staatsangehörigkeit neben der Reichsangehörigkeit haben, und es würde überdies der Sinn des Geſetzes v. 2. Juni 1870 völlig entſtellt werden. Denn die in demſelben anerkannten Erwerbsgründe der Staatsangehörig- keit würden nicht, wie es die Abſicht des Geſetzes iſt, die gleiche Rechtswirkung haben, ſondern die familienrechtlichen Erwerbsgründe hätten eine völlig andere Wirkung wie die Aufnahme und Natu- raliſation. Auch in dem Geſ. v. 1. Juni 1870 iſt demnach die Angehörigkeit von Elſaß-Lothringen nicht als Staatsangehörigkeit aufzufaſſen, ſondern ganz ſo wie es das Geſ. v. 24. Januar 1873 hinſichtlich des Wahlrechts gethan hat, als Reichsangehörigkeit, verbunden mit dem Wohnſitz im Reichslande. Die Reichsange- hörigkeit geht aber nach den Vorſchriften dieſes Geſetzes nicht ver- loren durch Verlegung des Wohnſitzes in einen andern Bundes- ſtaat oder durch Aufenthalt im Auslande, wenn er nicht zehn Jahre lang ununterbrochen fortdauert. Es kann daher Jemand, welcher in Elſaß-Lothringen die Reichsangehörigkeit erworben hat und dann ſeinen Wohnſitz außerhalb des Reichslandes nimmt, Reichsangehöriger ſein, ohne einem Deutſchen Staate anzugehören, wodurch das dem Geſ. v. 1 Juni 1870 zu Grunde liegende Princip erheblich modifizirt wird. Es zeigt ſich an dieſem Geſetze grade wie an der Reichsverfaſſung, daß ein Geſetz, welches Staaten voraus- ſetzt und für ſie berechnet iſt, nicht kurzweg in einem Reichslande eingeführt werden kann, ohne daß ſich juriſtiſche Unterſchiede und Inconſequenzen ergeben.
Der Begriff eines Angehörigen von Elſaß-Lothringen iſt aber noch in anderen Beziehungen als nur hinſichtlich des Staats- bürgerrechts von Wichtigkeit. Die franzöſiſche Geſetzgebung knüpft an die Eigenſchaft eines Franzoſen zahlreiche Rechts- folgen und dieſe Geſetzgebung hat zum Theil im Reichslande ihre Geltung behalten. Es entſteht daher die Frage, was im Reichs- lande in denjenigen Fällen, in denen das franzöſiſche Recht la qualité de Français erfordert, an Stelle der letzteren zu ſetzen iſt.
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§. 54. Bundesglied und Reichsland.
v. 1. Juni 1870 nur die Rede ſein, bei denjenigen Perſonen,
denen dieſelbe durch Aufnahme, Naturaliſation oder Anſtellung
verliehen worden iſt.
Hiernach würde nur ein höchſt unbedeutender Bruchtheil der
elſaß-lothringenſchen Bevölkerung die ſpezielle Staatsangehörigkeit
neben der Reichsangehörigkeit haben, und es würde überdies der
Sinn des Geſetzes v. 2. Juni 1870 völlig entſtellt werden. Denn
die in demſelben anerkannten Erwerbsgründe der Staatsangehörig-
keit würden nicht, wie es die Abſicht des Geſetzes iſt, die gleiche
Rechtswirkung haben, ſondern die familienrechtlichen Erwerbsgründe
hätten eine völlig andere Wirkung wie die Aufnahme und Natu-
raliſation. Auch in dem Geſ. v. 1. Juni 1870 iſt demnach die
Angehörigkeit von Elſaß-Lothringen nicht als Staatsangehörigkeit
aufzufaſſen, ſondern ganz ſo wie es das Geſ. v. 24. Januar 1873
hinſichtlich des Wahlrechts gethan hat, als Reichsangehörigkeit,
verbunden mit dem Wohnſitz im Reichslande. Die Reichsange-
hörigkeit geht aber nach den Vorſchriften dieſes Geſetzes nicht ver-
loren durch Verlegung des Wohnſitzes in einen andern Bundes-
ſtaat oder durch Aufenthalt im Auslande, wenn er nicht zehn
Jahre lang ununterbrochen fortdauert. Es kann daher Jemand,
welcher in Elſaß-Lothringen die Reichsangehörigkeit erworben hat
und dann ſeinen Wohnſitz außerhalb des Reichslandes nimmt,
Reichsangehöriger ſein, ohne einem Deutſchen Staate anzugehören,
wodurch das dem Geſ. v. 1 Juni 1870 zu Grunde liegende Princip
erheblich modifizirt wird. Es zeigt ſich an dieſem Geſetze grade
wie an der Reichsverfaſſung, daß ein Geſetz, welches Staaten voraus-
ſetzt und für ſie berechnet iſt, nicht kurzweg in einem Reichslande
eingeführt werden kann, ohne daß ſich juriſtiſche Unterſchiede und
Inconſequenzen ergeben.
Der Begriff eines Angehörigen von Elſaß-Lothringen iſt aber
noch in anderen Beziehungen als nur hinſichtlich des Staats-
bürgerrechts von Wichtigkeit. Die franzöſiſche Geſetzgebung
knüpft an die Eigenſchaft eines Franzoſen zahlreiche Rechts-
folgen und dieſe Geſetzgebung hat zum Theil im Reichslande ihre
Geltung behalten. Es entſteht daher die Frage, was im Reichs-
lande in denjenigen Fällen, in denen das franzöſiſche Recht la
qualité de Français erfordert, an Stelle der letzteren zu ſetzen iſt.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/618>, abgerufen am 24.11.2024.
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