vielmehr das Deutsche Reich. Voraussetzung für die Eigenschaft eines Inländers in Elsaß-Lothringen ist sonach nicht ein von der Reichs-Angehörigkeit verschiedenes Unterthanen-Verhältniß, sondern nur, daß man Unterthan des Deutschen Reiches ist.
Andererseits ist der Ausdruck "Francais", wo er sich in fran- zösischen Gesetzen findet, für das Reichsland nicht wiederzugeben mit "jeder Deutsche". Denn die französischen Gesetze sind für das Reichsland im Verhältniß zu dem für ganz Deutschland geltenden Recht Partikulargesetze und deshalb sind für die von diesem Par- tikularrecht normirten Rechtssätze die Begriffe "Inland" und "In- länder" nach dem Geltungsbereich dieses Partikularrechts zu be- stimmen. Dem Geltungsbereich eines Rechts sind aber diejenigen Personen unterworfen, welche in dem Gebiet desselben ihren Wohn- sitz haben. Hieraus folgt, daß wo in französischen Gesetzen die Rede ist von "Francais", darunter für Elsaß-Lothringen diejenigen Deutschen zu verstehen sind, welche im Reichslande woh- nen. Durch Einführung des Art. 3 der Reichsverf. in Els.-Lothr. ist nun zwar im Wesentlichen die völlige Gleichstellung aller Deutschen hinsichtlich der droits civils im Reichslande hergestellt und dadurch die Unterscheidung von elsaß-lothringischen Inländern und anderen Deutschen in den wichtigsten Beziehungen gegenstands- los geworden.
Immerhin aber stehen doch noch gesetzliche Bestimmungen in Kraft, die keineswegs auf alle Deutschen, sondern nur auf elsaß- lothringische Angehörige Anwendung finden. Die Angehörigkeit bezieht sich in diesen Fällen nicht auf einen Staatsverband, sondern auf ein Rechtsgebiet.
Auch innerhalb eines Einheits-Staates kann es bekanntlich mehrere Rechtsgebiete geben und die Angehörigkeit zu einem dieser Rechtsgebiete von rechtlicher Erheblichkeit sein. Elsaß-Lothringen verhält sich zum Deutschen Reich in dieser Hinsicht ganz ebenso wie die Rheinprovinz zum Preußischen Staate und gerade wie in der Rheinprovinz Francais zu übersetzen ist mit "Rheinpreuße", d. h. ein in der Rheinprovinz wohnender Preuße, ohne daß es deshalb eine "rheinpreußische Staatsangehörigkeit" giebt, so ist im Reichsland Fran- cais auszulegen als "ein in Elsaß-Lothringen wohnender Deutscher".
Anwendungsfälle bieten folgende Gesetze:
Code civ. Art 14: L'etranger, meme non residant en
§. 54. Bundesglied und Reichsland.
vielmehr das Deutſche Reich. Vorausſetzung für die Eigenſchaft eines Inländers in Elſaß-Lothringen iſt ſonach nicht ein von der Reichs-Angehörigkeit verſchiedenes Unterthanen-Verhältniß, ſondern nur, daß man Unterthan des Deutſchen Reiches iſt.
Andererſeits iſt der Ausdruck »Français«, wo er ſich in fran- zöſiſchen Geſetzen findet, für das Reichsland nicht wiederzugeben mit „jeder Deutſche“. Denn die franzöſiſchen Geſetze ſind für das Reichsland im Verhältniß zu dem für ganz Deutſchland geltenden Recht Partikulargeſetze und deshalb ſind für die von dieſem Par- tikularrecht normirten Rechtsſätze die Begriffe „Inland“ und „In- länder“ nach dem Geltungsbereich dieſes Partikularrechts zu be- ſtimmen. Dem Geltungsbereich eines Rechts ſind aber diejenigen Perſonen unterworfen, welche in dem Gebiet deſſelben ihren Wohn- ſitz haben. Hieraus folgt, daß wo in franzöſiſchen Geſetzen die Rede iſt von »Français«, darunter für Elſaß-Lothringen diejenigen Deutſchen zu verſtehen ſind, welche im Reichslande woh- nen. Durch Einführung des Art. 3 der Reichsverf. in Elſ.-Lothr. iſt nun zwar im Weſentlichen die völlige Gleichſtellung aller Deutſchen hinſichtlich der droits civils im Reichslande hergeſtellt und dadurch die Unterſcheidung von elſaß-lothringiſchen Inländern und anderen Deutſchen in den wichtigſten Beziehungen gegenſtands- los geworden.
Immerhin aber ſtehen doch noch geſetzliche Beſtimmungen in Kraft, die keineswegs auf alle Deutſchen, ſondern nur auf elſaß- lothringiſche Angehörige Anwendung finden. Die Angehörigkeit bezieht ſich in dieſen Fällen nicht auf einen Staatsverband, ſondern auf ein Rechtsgebiet.
Auch innerhalb eines Einheits-Staates kann es bekanntlich mehrere Rechtsgebiete geben und die Angehörigkeit zu einem dieſer Rechtsgebiete von rechtlicher Erheblichkeit ſein. Elſaß-Lothringen verhält ſich zum Deutſchen Reich in dieſer Hinſicht ganz ebenſo wie die Rheinprovinz zum Preußiſchen Staate und gerade wie in der Rheinprovinz Français zu überſetzen iſt mit „Rheinpreuße“, d. h. ein in der Rheinprovinz wohnender Preuße, ohne daß es deshalb eine „rheinpreußiſche Staatsangehörigkeit“ giebt, ſo iſt im Reichsland Fran- çais auszulegen als „ein in Elſaß-Lothringen wohnender Deutſcher“.
Anwendungsfälle bieten folgende Geſetze:
Code civ. Art 14: L’étranger, même non résidant en
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0620"n="600"/><fwplace="top"type="header">§. 54. Bundesglied und Reichsland.</fw><lb/>
vielmehr das Deutſche Reich. Vorausſetzung für die Eigenſchaft<lb/>
eines Inländers in Elſaß-Lothringen iſt ſonach nicht ein von der<lb/>
Reichs-Angehörigkeit verſchiedenes Unterthanen-Verhältniß, ſondern<lb/>
nur, daß man Unterthan des Deutſchen Reiches iſt.</p><lb/><p>Andererſeits iſt der Ausdruck <hirendition="#aq">»Français«,</hi> wo er ſich in fran-<lb/>
zöſiſchen Geſetzen findet, für das Reichsland nicht wiederzugeben<lb/>
mit „jeder Deutſche“. Denn die franzöſiſchen Geſetze ſind für das<lb/>
Reichsland im Verhältniß zu dem für ganz Deutſchland geltenden<lb/>
Recht Partikulargeſetze und deshalb ſind für die von dieſem Par-<lb/>
tikularrecht normirten Rechtsſätze die Begriffe „Inland“ und „In-<lb/>
länder“ nach dem Geltungsbereich dieſes Partikularrechts zu be-<lb/>ſtimmen. Dem Geltungsbereich eines Rechts ſind aber diejenigen<lb/>
Perſonen unterworfen, welche in dem Gebiet deſſelben ihren Wohn-<lb/>ſitz haben. Hieraus folgt, daß wo in franzöſiſchen Geſetzen die<lb/>
Rede iſt von <hirendition="#aq">»Français«,</hi> darunter für Elſaß-Lothringen diejenigen<lb/><hirendition="#g">Deutſchen</hi> zu verſtehen ſind, <hirendition="#g">welche im Reichslande woh-<lb/>
nen</hi>. Durch Einführung des Art. 3 der Reichsverf. in Elſ.-Lothr.<lb/>
iſt nun zwar im Weſentlichen die völlige Gleichſtellung <hirendition="#g">aller</hi><lb/>
Deutſchen hinſichtlich der <hirendition="#aq">droits civils</hi> im Reichslande hergeſtellt<lb/>
und dadurch die Unterſcheidung von elſaß-lothringiſchen Inländern<lb/>
und anderen Deutſchen in den wichtigſten Beziehungen gegenſtands-<lb/>
los geworden.</p><lb/><p>Immerhin aber ſtehen doch noch geſetzliche Beſtimmungen in<lb/>
Kraft, die keineswegs auf alle Deutſchen, ſondern nur auf elſaß-<lb/>
lothringiſche Angehörige Anwendung finden. Die Angehörigkeit<lb/>
bezieht ſich in dieſen Fällen nicht auf einen <hirendition="#g">Staatsverband</hi>,<lb/>ſondern auf ein <hirendition="#g">Rechtsgebiet</hi>.</p><lb/><p>Auch innerhalb eines Einheits-Staates kann es bekanntlich<lb/>
mehrere Rechtsgebiete geben und die Angehörigkeit zu einem dieſer<lb/>
Rechtsgebiete von rechtlicher Erheblichkeit ſein. Elſaß-Lothringen<lb/>
verhält ſich zum Deutſchen Reich in dieſer Hinſicht ganz ebenſo<lb/>
wie die Rheinprovinz zum Preußiſchen Staate und gerade wie in der<lb/>
Rheinprovinz <hirendition="#aq">Français</hi> zu überſetzen iſt mit „Rheinpreuße“, d. h. ein<lb/>
in der Rheinprovinz wohnender Preuße, ohne daß es deshalb eine<lb/>„rheinpreußiſche Staatsangehörigkeit“ giebt, ſo iſt im Reichsland <hirendition="#aq">Fran-<lb/>
çais</hi> auszulegen als „ein in Elſaß-Lothringen wohnender Deutſcher“.</p><lb/><p>Anwendungsfälle bieten folgende Geſetze:</p><lb/><p><hirendition="#aq"><hirendition="#g">Code civ</hi>.</hi> Art 14: <hirendition="#aq">L’étranger, même non résidant en</hi><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[600/0620]
§. 54. Bundesglied und Reichsland.
vielmehr das Deutſche Reich. Vorausſetzung für die Eigenſchaft
eines Inländers in Elſaß-Lothringen iſt ſonach nicht ein von der
Reichs-Angehörigkeit verſchiedenes Unterthanen-Verhältniß, ſondern
nur, daß man Unterthan des Deutſchen Reiches iſt.
Andererſeits iſt der Ausdruck »Français«, wo er ſich in fran-
zöſiſchen Geſetzen findet, für das Reichsland nicht wiederzugeben
mit „jeder Deutſche“. Denn die franzöſiſchen Geſetze ſind für das
Reichsland im Verhältniß zu dem für ganz Deutſchland geltenden
Recht Partikulargeſetze und deshalb ſind für die von dieſem Par-
tikularrecht normirten Rechtsſätze die Begriffe „Inland“ und „In-
länder“ nach dem Geltungsbereich dieſes Partikularrechts zu be-
ſtimmen. Dem Geltungsbereich eines Rechts ſind aber diejenigen
Perſonen unterworfen, welche in dem Gebiet deſſelben ihren Wohn-
ſitz haben. Hieraus folgt, daß wo in franzöſiſchen Geſetzen die
Rede iſt von »Français«, darunter für Elſaß-Lothringen diejenigen
Deutſchen zu verſtehen ſind, welche im Reichslande woh-
nen. Durch Einführung des Art. 3 der Reichsverf. in Elſ.-Lothr.
iſt nun zwar im Weſentlichen die völlige Gleichſtellung aller
Deutſchen hinſichtlich der droits civils im Reichslande hergeſtellt
und dadurch die Unterſcheidung von elſaß-lothringiſchen Inländern
und anderen Deutſchen in den wichtigſten Beziehungen gegenſtands-
los geworden.
Immerhin aber ſtehen doch noch geſetzliche Beſtimmungen in
Kraft, die keineswegs auf alle Deutſchen, ſondern nur auf elſaß-
lothringiſche Angehörige Anwendung finden. Die Angehörigkeit
bezieht ſich in dieſen Fällen nicht auf einen Staatsverband,
ſondern auf ein Rechtsgebiet.
Auch innerhalb eines Einheits-Staates kann es bekanntlich
mehrere Rechtsgebiete geben und die Angehörigkeit zu einem dieſer
Rechtsgebiete von rechtlicher Erheblichkeit ſein. Elſaß-Lothringen
verhält ſich zum Deutſchen Reich in dieſer Hinſicht ganz ebenſo
wie die Rheinprovinz zum Preußiſchen Staate und gerade wie in der
Rheinprovinz Français zu überſetzen iſt mit „Rheinpreuße“, d. h. ein
in der Rheinprovinz wohnender Preuße, ohne daß es deshalb eine
„rheinpreußiſche Staatsangehörigkeit“ giebt, ſo iſt im Reichsland Fran-
çais auszulegen als „ein in Elſaß-Lothringen wohnender Deutſcher“.
Anwendungsfälle bieten folgende Geſetze:
Code civ. Art 14: L’étranger, même non résidant en
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/620>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.