Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 7. Das Reich als Rechtssubject. nargewalt der Reichsregierung unterworfen 1); sie haben keinerleiAnsprüche auf Gehalt und Pensionsbezüge gegen die Kassen der Einzelstaaten, sondern allein gegen die Reichskasse 2). Der Reichs- dienst wird nicht als eine Abart des Staatsdienstes, sondern als der Gegensatz desselben bezeichnet 3). Das Reichs-Oberhan- delsgericht und das Bundesamt für das Heimath- wesen erlassen ihre Entscheidungen "Im Namen des Deutschen Reichs," nicht im Namen der verbündeten deutschen Souveräne 4). 3. Das Reich hat Hoheitsrechte, welche ihrem Inhalt nach Bei der überwiegenden Mehrzahl der dem deutschen Reiche 1) Reichsbeamtengesetz § 80 ff. 2) Reichsbeamtengesetz § 151. 3) Reichsbeamtengesetz § 30. 46. 52 Z. 3. 57 Z. 2 u. a. 4) Wäre das Reichs-Oberhandelsgericht ein gemeinschaftliches Gericht der Deutschen Staaten, wie das Ober-Appell.-Gericht zu Jena es für die thürin- gischen Staaten ist, so müßte es in jeder Sache im Namen desjenigen Sou- veräns erkennen, dessen Gerichte in den Vorinstanzen erkannt haben. 5) Art. 2 und Art. 5 sprechen zwar von der Ausübung der Ge-
setzgebung, aber nur um die Wirkungen und die Art des Zustandekommens der Reichsgesetze zu bestimmen. Nach Art. 4 u. 35 hat das Reich die "Gesetz- gebung," nach Art. 50 gehört dem Kaiser die obere Leitung der Post- und Telegraphen-Verwaltung an. Vgl. Hänel Studien I. S. 52. §. 7. Das Reich als Rechtsſubject. nargewalt der Reichsregierung unterworfen 1); ſie haben keinerleiAnſprüche auf Gehalt und Penſionsbezüge gegen die Kaſſen der Einzelſtaaten, ſondern allein gegen die Reichskaſſe 2). Der Reichs- dienſt wird nicht als eine Abart des Staatsdienſtes, ſondern als der Gegenſatz deſſelben bezeichnet 3). Das Reichs-Oberhan- delsgericht und das Bundesamt für das Heimath- weſen erlaſſen ihre Entſcheidungen „Im Namen des Deutſchen Reichs,“ nicht im Namen der verbündeten deutſchen Souveräne 4). 3. Das Reich hat Hoheitsrechte, welche ihrem Inhalt nach Bei der überwiegenden Mehrzahl der dem deutſchen Reiche 1) Reichsbeamtengeſetz § 80 ff. 2) Reichsbeamtengeſetz § 151. 3) Reichsbeamtengeſetz § 30. 46. 52 Z. 3. 57 Z. 2 u. a. 4) Wäre das Reichs-Oberhandelsgericht ein gemeinſchaftliches Gericht der Deutſchen Staaten, wie das Ober-Appell.-Gericht zu Jena es für die thürin- giſchen Staaten iſt, ſo müßte es in jeder Sache im Namen desjenigen Sou- veräns erkennen, deſſen Gerichte in den Vorinſtanzen erkannt haben. 5) Art. 2 und Art. 5 ſprechen zwar von der Ausübung der Ge-
ſetzgebung, aber nur um die Wirkungen und die Art des Zuſtandekommens der Reichsgeſetze zu beſtimmen. Nach Art. 4 u. 35 hat das Reich die „Geſetz- gebung,“ nach Art. 50 gehört dem Kaiſer die obere Leitung der Poſt- und Telegraphen-Verwaltung an. Vgl. Hänel Studien I. S. 52. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0086" n="66"/><fw place="top" type="header">§. 7. Das Reich als Rechtsſubject.</fw><lb/> nargewalt der Reichsregierung unterworfen <note place="foot" n="1)">Reichsbeamtengeſetz § 80 ff.</note>; ſie haben keinerlei<lb/> Anſprüche auf Gehalt und Penſionsbezüge gegen die Kaſſen der<lb/> Einzelſtaaten, ſondern allein gegen die Reichskaſſe <note place="foot" n="2)">Reichsbeamtengeſetz § 151.</note>. Der Reichs-<lb/> dienſt wird nicht als eine Abart des Staatsdienſtes, ſondern als<lb/> der Gegenſatz deſſelben bezeichnet <note place="foot" n="3)">Reichsbeamtengeſetz § 30. 46. 52 Z. 3. 57 Z. 2 u. a.</note>. Das <hi rendition="#g">Reichs-Oberhan-<lb/> delsgericht</hi> und das <hi rendition="#g">Bundesamt für das Heimath-<lb/> weſen</hi> erlaſſen ihre Entſcheidungen „Im Namen des Deutſchen<lb/> Reichs,“ nicht im Namen der verbündeten deutſchen Souveräne <note place="foot" n="4)">Wäre das Reichs-Oberhandelsgericht ein gemeinſchaftliches Gericht der<lb/> Deutſchen Staaten, wie das Ober-Appell.-Gericht zu Jena es für die thürin-<lb/> giſchen Staaten iſt, ſo müßte es in jeder Sache im Namen desjenigen Sou-<lb/> veräns erkennen, deſſen Gerichte in den Vorinſtanzen erkannt haben.</note>.</p><lb/> <p>3. Das Reich hat Hoheitsrechte, welche ihrem Inhalt nach<lb/> nicht Hoheitsrechte der Einzelſtaaten ſein <hi rendition="#g">können</hi>, die alſo auch<lb/> nicht gemeinſchaftlich ausgeübt werden, ſondern welche ſelbſtſtändige<lb/> Rechte des Reiches über die Einzelſtaaten ſind.</p><lb/> <p>Bei der überwiegenden Mehrzahl der dem deutſchen Reiche<lb/> zuſtehenden Befugniſſe läßt ſich zwar theoretiſch die Anſchauung<lb/> durchführen, daß dieſelben <hi rendition="#aq">de jure</hi> den einzelnen Staaten für ihre<lb/> Gebiete zuſtehen, dem Reiche nur die gemeinſame Ausübung über-<lb/> tragen ſei. Es fehlt aber an jedem formellen Grunde in dem<lb/> Wortlaut der Reichsverfaſſung <note place="foot" n="5)">Art. 2 und Art. 5 ſprechen zwar von der <hi rendition="#g">Ausübung</hi> der Ge-<lb/> ſetzgebung, aber nur um die Wirkungen und die Art des Zuſtandekommens<lb/> der Reichsgeſetze zu beſtimmen. Nach Art. 4 u. 35 hat das Reich die „Geſetz-<lb/> gebung,“ nach Art. 50 <hi rendition="#g">gehört</hi> dem Kaiſer die obere Leitung der Poſt- und<lb/> Telegraphen-Verwaltung an. Vgl. <hi rendition="#g">Hänel</hi> Studien <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 52.</note> und an jedem materiellen Grunde<lb/> in den Einrichtungen des Reiches, um eine ſolche künſtliche Unter-<lb/> ſcheidung zwiſchen dem Recht ſelbſt und der Befugniß zur Aus-<lb/> übung deſſelben zu rechtfertigen. Wären die dem Reiche zuſtehen-<lb/> den Machtvollkommenheiten nicht Befugniſſe <hi rendition="#aq">ex jure proprio,</hi> ſon-<lb/> dern ihm nur delegirt, ſo müßten ſie doch durch die eigentlich<lb/> Berechtigten irgend wie rechtlich vinkulirt, bedingt oder beſchränkt<lb/> ſein; dies iſt aber nicht der Fall und es erweiſt ſich daher die<lb/> Unterſcheidung zwiſchen dem Recht ſelbſt und der Befugniß zur<lb/> Ausübung deſſelben nicht nur als eine künſtliche, ſondern auch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0086]
§. 7. Das Reich als Rechtsſubject.
nargewalt der Reichsregierung unterworfen 1); ſie haben keinerlei
Anſprüche auf Gehalt und Penſionsbezüge gegen die Kaſſen der
Einzelſtaaten, ſondern allein gegen die Reichskaſſe 2). Der Reichs-
dienſt wird nicht als eine Abart des Staatsdienſtes, ſondern als
der Gegenſatz deſſelben bezeichnet 3). Das Reichs-Oberhan-
delsgericht und das Bundesamt für das Heimath-
weſen erlaſſen ihre Entſcheidungen „Im Namen des Deutſchen
Reichs,“ nicht im Namen der verbündeten deutſchen Souveräne 4).
3. Das Reich hat Hoheitsrechte, welche ihrem Inhalt nach
nicht Hoheitsrechte der Einzelſtaaten ſein können, die alſo auch
nicht gemeinſchaftlich ausgeübt werden, ſondern welche ſelbſtſtändige
Rechte des Reiches über die Einzelſtaaten ſind.
Bei der überwiegenden Mehrzahl der dem deutſchen Reiche
zuſtehenden Befugniſſe läßt ſich zwar theoretiſch die Anſchauung
durchführen, daß dieſelben de jure den einzelnen Staaten für ihre
Gebiete zuſtehen, dem Reiche nur die gemeinſame Ausübung über-
tragen ſei. Es fehlt aber an jedem formellen Grunde in dem
Wortlaut der Reichsverfaſſung 5) und an jedem materiellen Grunde
in den Einrichtungen des Reiches, um eine ſolche künſtliche Unter-
ſcheidung zwiſchen dem Recht ſelbſt und der Befugniß zur Aus-
übung deſſelben zu rechtfertigen. Wären die dem Reiche zuſtehen-
den Machtvollkommenheiten nicht Befugniſſe ex jure proprio, ſon-
dern ihm nur delegirt, ſo müßten ſie doch durch die eigentlich
Berechtigten irgend wie rechtlich vinkulirt, bedingt oder beſchränkt
ſein; dies iſt aber nicht der Fall und es erweiſt ſich daher die
Unterſcheidung zwiſchen dem Recht ſelbſt und der Befugniß zur
Ausübung deſſelben nicht nur als eine künſtliche, ſondern auch
1) Reichsbeamtengeſetz § 80 ff.
2) Reichsbeamtengeſetz § 151.
3) Reichsbeamtengeſetz § 30. 46. 52 Z. 3. 57 Z. 2 u. a.
4) Wäre das Reichs-Oberhandelsgericht ein gemeinſchaftliches Gericht der
Deutſchen Staaten, wie das Ober-Appell.-Gericht zu Jena es für die thürin-
giſchen Staaten iſt, ſo müßte es in jeder Sache im Namen desjenigen Sou-
veräns erkennen, deſſen Gerichte in den Vorinſtanzen erkannt haben.
5) Art. 2 und Art. 5 ſprechen zwar von der Ausübung der Ge-
ſetzgebung, aber nur um die Wirkungen und die Art des Zuſtandekommens
der Reichsgeſetze zu beſtimmen. Nach Art. 4 u. 35 hat das Reich die „Geſetz-
gebung,“ nach Art. 50 gehört dem Kaiſer die obere Leitung der Poſt- und
Telegraphen-Verwaltung an. Vgl. Hänel Studien I. S. 52.
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