Weise gehandhabt und im Einzelnen ausgeführt werde, so daß es doch wieder zu neuer Zersplitterung und Verwirrung führen kann, sondern sie läßt auch das Bedürfniß nach einem Organ, von welchem die einheitliche und planmäßige Weiterbildung und Fortentwicklung des Tarifwesens geleitet werde, unbefriedigt. Eine durchgreifende Abhülfe kann auch hier nur ein Reichsgesetz gewähren, welches dem Reich festumgränzte aber wirksame Befugnisse hinsichtlich der Tarif- festsetzungen überträgt.
V. Im Gegensatz zu der unbestimmten und staatsrechtlich wenig belangreichen Kontrole über das Tarifwesen, welche Art. 45 dem Reiche zuweist, sind dem Reiche zwei höchst eingreifende und inhaltsvolle Befugnisse in den Art. 46 und 47 der R.-V. zuge- sprochen.
1) Nach Art. 46 sind die Eisenbahnverwaltungen mit Ausschluß Bayerns verpflichtet, bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensmittel, für den Trans- port, namentlich von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten und Kartoffeln, zeitweise einen dem Bedürfniß entsprechenden niedrigen Spezialtarif einzuführen.
Dieser Spezialtarif wird von dem Kaiser auf Vorschlag des betreffenden Bundesraths-Ausschusses (für Eisenbahnen, Post und Telegraphen) festgestellt, darf jedoch nicht unter den niedrigsten auf der betreffenden Bahn für Rohprodukte geltenden Satz herabgehen.
2) Den Anforderungen der Behörden des Reiches in Betreff der Benutzung der Eisenbahnen zum Zweck der Vertheidigung Deutsch- lands haben sämmtliche Eisenbahnverwaltungen unweigerlich Folge zu leisten. Insbesondere ist das Militair und alles Kriegsmaterial zu gleichen ermäßigten Sätzen zu befördern. Art. 47.
Diese Verfassungsbestimmung gilt auch für Bayern. Ihre Geltung ist nicht auf den Fall des Krieges oder der Kriegsvorbe- reitungen beschränkt, sondern sie findet auch im Frieden Anwendung, da sie nur eine Benutzung der Eisenbahnen zum Zweck der Ver- theidigung Deutschlands voraussetzt, diesem Zwecke aber das Kriegs- heer und die Marine auch im Frieden dienen 1). Durch diese Vor- schrift sind sämmtliche Eisenbahnen Deutschlands zur vollen und un- eingeschränkten Disposition für Militairzwecke gestellt und zwar
1) Vgl. auch Seydel, Kommentar S. 194.
§. 72. Die Verwaltung des Eiſenbahnweſens.
Weiſe gehandhabt und im Einzelnen ausgeführt werde, ſo daß es doch wieder zu neuer Zerſplitterung und Verwirrung führen kann, ſondern ſie läßt auch das Bedürfniß nach einem Organ, von welchem die einheitliche und planmäßige Weiterbildung und Fortentwicklung des Tarifweſens geleitet werde, unbefriedigt. Eine durchgreifende Abhülfe kann auch hier nur ein Reichsgeſetz gewähren, welches dem Reich feſtumgränzte aber wirkſame Befugniſſe hinſichtlich der Tarif- feſtſetzungen überträgt.
V. Im Gegenſatz zu der unbeſtimmten und ſtaatsrechtlich wenig belangreichen Kontrole über das Tarifweſen, welche Art. 45 dem Reiche zuweiſt, ſind dem Reiche zwei höchſt eingreifende und inhaltsvolle Befugniſſe in den Art. 46 und 47 der R.-V. zuge- ſprochen.
1) Nach Art. 46 ſind die Eiſenbahnverwaltungen mit Ausſchluß Bayerns verpflichtet, bei eintretenden Nothſtänden, insbeſondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensmittel, für den Trans- port, namentlich von Getreide, Mehl, Hülſenfrüchten und Kartoffeln, zeitweiſe einen dem Bedürfniß entſprechenden niedrigen Spezialtarif einzuführen.
Dieſer Spezialtarif wird von dem Kaiſer auf Vorſchlag des betreffenden Bundesraths-Ausſchuſſes (für Eiſenbahnen, Poſt und Telegraphen) feſtgeſtellt, darf jedoch nicht unter den niedrigſten auf der betreffenden Bahn für Rohprodukte geltenden Satz herabgehen.
2) Den Anforderungen der Behörden des Reiches in Betreff der Benutzung der Eiſenbahnen zum Zweck der Vertheidigung Deutſch- lands haben ſämmtliche Eiſenbahnverwaltungen unweigerlich Folge zu leiſten. Insbeſondere iſt das Militair und alles Kriegsmaterial zu gleichen ermäßigten Sätzen zu befördern. Art. 47.
Dieſe Verfaſſungsbeſtimmung gilt auch für Bayern. Ihre Geltung iſt nicht auf den Fall des Krieges oder der Kriegsvorbe- reitungen beſchränkt, ſondern ſie findet auch im Frieden Anwendung, da ſie nur eine Benutzung der Eiſenbahnen zum Zweck der Ver- theidigung Deutſchlands vorausſetzt, dieſem Zwecke aber das Kriegs- heer und die Marine auch im Frieden dienen 1). Durch dieſe Vor- ſchrift ſind ſämmtliche Eiſenbahnen Deutſchlands zur vollen und un- eingeſchränkten Dispoſition für Militairzwecke geſtellt und zwar
1) Vgl. auch Seydel, Kommentar S. 194.
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§. 72. Die Verwaltung des Eiſenbahnweſens.
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doch wieder zu neuer Zerſplitterung und Verwirrung führen kann,
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die einheitliche und planmäßige Weiterbildung und Fortentwicklung
des Tarifweſens geleitet werde, unbefriedigt. Eine durchgreifende
Abhülfe kann auch hier nur ein Reichsgeſetz gewähren, welches dem
Reich feſtumgränzte aber wirkſame Befugniſſe hinſichtlich der Tarif-
feſtſetzungen überträgt.
V. Im Gegenſatz zu der unbeſtimmten und ſtaatsrechtlich
wenig belangreichen Kontrole über das Tarifweſen, welche Art. 45
dem Reiche zuweiſt, ſind dem Reiche zwei höchſt eingreifende und
inhaltsvolle Befugniſſe in den Art. 46 und 47 der R.-V. zuge-
ſprochen.
1) Nach Art. 46 ſind die Eiſenbahnverwaltungen mit Ausſchluß
Bayerns verpflichtet, bei eintretenden Nothſtänden, insbeſondere
bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensmittel, für den Trans-
port, namentlich von Getreide, Mehl, Hülſenfrüchten und Kartoffeln,
zeitweiſe einen dem Bedürfniß entſprechenden niedrigen Spezialtarif
einzuführen.
Dieſer Spezialtarif wird von dem Kaiſer auf Vorſchlag des
betreffenden Bundesraths-Ausſchuſſes (für Eiſenbahnen, Poſt und
Telegraphen) feſtgeſtellt, darf jedoch nicht unter den niedrigſten auf
der betreffenden Bahn für Rohprodukte geltenden Satz herabgehen.
2) Den Anforderungen der Behörden des Reiches in Betreff
der Benutzung der Eiſenbahnen zum Zweck der Vertheidigung Deutſch-
lands haben ſämmtliche Eiſenbahnverwaltungen unweigerlich Folge
zu leiſten. Insbeſondere iſt das Militair und alles Kriegsmaterial
zu gleichen ermäßigten Sätzen zu befördern. Art. 47.
Dieſe Verfaſſungsbeſtimmung gilt auch für Bayern. Ihre
Geltung iſt nicht auf den Fall des Krieges oder der Kriegsvorbe-
reitungen beſchränkt, ſondern ſie findet auch im Frieden Anwendung,
da ſie nur eine Benutzung der Eiſenbahnen zum Zweck der Ver-
theidigung Deutſchlands vorausſetzt, dieſem Zwecke aber das Kriegs-
heer und die Marine auch im Frieden dienen 1). Durch dieſe Vor-
ſchrift ſind ſämmtliche Eiſenbahnen Deutſchlands zur vollen und un-
eingeſchränkten Dispoſition für Militairzwecke geſtellt und zwar
1) Vgl. auch Seydel, Kommentar S. 194.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/392>, abgerufen am 27.07.2024.
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