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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 88. Die gesetzliche Wehrpflicht.
sogen. Ministerial-Instanz, sind Angelegenheiten zur Ent-
scheidung vorzulegen, hinsichtlich deren bei den Ersatzbehörden dritter
Instanz Meinungsverschiedenheiten bestehen, über welche eine Ver-
einbarung durch schriftliche oder mündliche Berathung nicht erzielt
wird 1).

Zur Entscheidung über die gesetzlichen Ansprüche auf Befrei-
ungen und Zurückstellungen (Mil.Ges. §. 20), ferner über die Ent-
ziehung gewährter Vergünstigungen und Befreiungen vom Militair-
dienst (eod. §. 33, 21, 51 und 55), endlich über die Klassifikation
der Reservemannschaften, der Landwehr und der Ersatzreserve
I. Klasse mit Rücksicht auf die gewerblichen und häuslichen Ver-
hältnisse (eod. §. 64. 69) treten den ständigen Mitgliedern der
Ersatz- und Ober-Ersatzkommission andere Mitglieder hinzu, welche
aus den Bezirks-Eingesessenen von den Kommunal- oder Landes-
vertretungen gewählt, oder wo solche Vertretungen nicht vorhanden
sind, von der Landes-Verwaltungsbehörde ernannt werden. Die
verstärkte Ersatzkommission besteht neben den ständigen
Mitgliedern aus höchstens noch einem Offizier 2) und aus vier
bürgerlichen Mitgliedern; die verstärkte Ober-Ersatzkom-
mission
wird von den ständigen Mitgliedern und noch einem
bürgerlichen Mitgliede gebildet 3). Die bürgerlichen Mitglieder
der Ersatz- und Ober-Ersatzkommission nebst einer gleichen Anzahl
von Stellvertretern werden auf drei Jahre gewählt 4).

Das Verhältniß der verschiedenen Instanzen ist in sehr eigen-
thümlicher, fein ausgesonnener Weise geregelt, die sowohl den In-
teressen der Militair- und Civilverwaltung als denen der Wehr-
pflichtigen Rechnung trägt.

Definitive Entscheidungen über die Dienstpflicht werden der
Regel nach nur von der Ober-Ersatzkommission getroffen; die Er-
satzkommission arbeitet ihr nur vor und ihre Beschlüsse unterliegen
der Revision und endgültigen Entscheidung der Ober-Ersatzkommis-
sion. Insbesondere kann daher die Ersatzkommission Wehrpflichtige

1) W.O. I §. 2 Z. 3 letzter Abs.
2) Nämlich einem Infanterie-Offizier, den der Infanterie-Brigade-Kom-
mandeur der Ersatzkommission zutheilt. W.O. I §. 60 Z. 1.
3) Mil.Ges. §. 30 Ziff. 4. Das bürgerliche Mitglied der Ober-Ersatzk. darf
nicht zugleich Mitglied einer Ersatzkommiss. sein. W.O. I §. 2 Ziff. 6 letzt. Abs.
4) W.O. I §. 2 Z. 6.

§. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht.
ſogen. Miniſterial-Inſtanz, ſind Angelegenheiten zur Ent-
ſcheidung vorzulegen, hinſichtlich deren bei den Erſatzbehörden dritter
Inſtanz Meinungsverſchiedenheiten beſtehen, über welche eine Ver-
einbarung durch ſchriftliche oder mündliche Berathung nicht erzielt
wird 1).

Zur Entſcheidung über die geſetzlichen Anſprüche auf Befrei-
ungen und Zurückſtellungen (Mil.Geſ. §. 20), ferner über die Ent-
ziehung gewährter Vergünſtigungen und Befreiungen vom Militair-
dienſt (eod. §. 33, 21, 51 und 55), endlich über die Klaſſifikation
der Reſervemannſchaften, der Landwehr und der Erſatzreſerve
I. Klaſſe mit Rückſicht auf die gewerblichen und häuslichen Ver-
hältniſſe (eod. §. 64. 69) treten den ſtändigen Mitgliedern der
Erſatz- und Ober-Erſatzkommiſſion andere Mitglieder hinzu, welche
aus den Bezirks-Eingeſeſſenen von den Kommunal- oder Landes-
vertretungen gewählt, oder wo ſolche Vertretungen nicht vorhanden
ſind, von der Landes-Verwaltungsbehörde ernannt werden. Die
verſtärkte Erſatzkommiſſion beſteht neben den ſtändigen
Mitgliedern aus höchſtens noch einem Offizier 2) und aus vier
bürgerlichen Mitgliedern; die verſtärkte Ober-Erſatzkom-
miſſion
wird von den ſtändigen Mitgliedern und noch einem
bürgerlichen Mitgliede gebildet 3). Die bürgerlichen Mitglieder
der Erſatz- und Ober-Erſatzkommiſſion nebſt einer gleichen Anzahl
von Stellvertretern werden auf drei Jahre gewählt 4).

Das Verhältniß der verſchiedenen Inſtanzen iſt in ſehr eigen-
thümlicher, fein ausgeſonnener Weiſe geregelt, die ſowohl den In-
tereſſen der Militair- und Civilverwaltung als denen der Wehr-
pflichtigen Rechnung trägt.

Definitive Entſcheidungen über die Dienſtpflicht werden der
Regel nach nur von der Ober-Erſatzkommiſſion getroffen; die Er-
ſatzkommiſſion arbeitet ihr nur vor und ihre Beſchlüſſe unterliegen
der Reviſion und endgültigen Entſcheidung der Ober-Erſatzkommiſ-
ſion. Insbeſondere kann daher die Erſatzkommiſſion Wehrpflichtige

1) W.O. I §. 2 Z. 3 letzter Abſ.
2) Nämlich einem Infanterie-Offizier, den der Infanterie-Brigade-Kom-
mandeur der Erſatzkommiſſion zutheilt. W.O. I §. 60 Z. 1.
3) Mil.Geſ. §. 30 Ziff. 4. Das bürgerliche Mitglied der Ober-Erſatzk. darf
nicht zugleich Mitglied einer Erſatzkommiſſ. ſein. W.O. I §. 2 Ziff. 6 letzt. Abſ.
4) W.O. I §. 2 Z. 6.
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[156/0166] §. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht. ſogen. Miniſterial-Inſtanz, ſind Angelegenheiten zur Ent- ſcheidung vorzulegen, hinſichtlich deren bei den Erſatzbehörden dritter Inſtanz Meinungsverſchiedenheiten beſtehen, über welche eine Ver- einbarung durch ſchriftliche oder mündliche Berathung nicht erzielt wird 1). Zur Entſcheidung über die geſetzlichen Anſprüche auf Befrei- ungen und Zurückſtellungen (Mil.Geſ. §. 20), ferner über die Ent- ziehung gewährter Vergünſtigungen und Befreiungen vom Militair- dienſt (eod. §. 33, 21, 51 und 55), endlich über die Klaſſifikation der Reſervemannſchaften, der Landwehr und der Erſatzreſerve I. Klaſſe mit Rückſicht auf die gewerblichen und häuslichen Ver- hältniſſe (eod. §. 64. 69) treten den ſtändigen Mitgliedern der Erſatz- und Ober-Erſatzkommiſſion andere Mitglieder hinzu, welche aus den Bezirks-Eingeſeſſenen von den Kommunal- oder Landes- vertretungen gewählt, oder wo ſolche Vertretungen nicht vorhanden ſind, von der Landes-Verwaltungsbehörde ernannt werden. Die verſtärkte Erſatzkommiſſion beſteht neben den ſtändigen Mitgliedern aus höchſtens noch einem Offizier 2) und aus vier bürgerlichen Mitgliedern; die verſtärkte Ober-Erſatzkom- miſſion wird von den ſtändigen Mitgliedern und noch einem bürgerlichen Mitgliede gebildet 3). Die bürgerlichen Mitglieder der Erſatz- und Ober-Erſatzkommiſſion nebſt einer gleichen Anzahl von Stellvertretern werden auf drei Jahre gewählt 4). Das Verhältniß der verſchiedenen Inſtanzen iſt in ſehr eigen- thümlicher, fein ausgeſonnener Weiſe geregelt, die ſowohl den In- tereſſen der Militair- und Civilverwaltung als denen der Wehr- pflichtigen Rechnung trägt. Definitive Entſcheidungen über die Dienſtpflicht werden der Regel nach nur von der Ober-Erſatzkommiſſion getroffen; die Er- ſatzkommiſſion arbeitet ihr nur vor und ihre Beſchlüſſe unterliegen der Reviſion und endgültigen Entſcheidung der Ober-Erſatzkommiſ- ſion. Insbeſondere kann daher die Erſatzkommiſſion Wehrpflichtige 1) W.O. I §. 2 Z. 3 letzter Abſ. 2) Nämlich einem Infanterie-Offizier, den der Infanterie-Brigade-Kom- mandeur der Erſatzkommiſſion zutheilt. W.O. I §. 60 Z. 1. 3) Mil.Geſ. §. 30 Ziff. 4. Das bürgerliche Mitglied der Ober-Erſatzk. darf nicht zugleich Mitglied einer Erſatzkommiſſ. ſein. W.O. I §. 2 Ziff. 6 letzt. Abſ. 4) W.O. I §. 2 Z. 6.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/166>, abgerufen am 21.11.2024.