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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 113. Die Einheit der Zoll- und Steuer-Gesetzgebung etc.
sowohl Rechtsregeln wie Verwaltungsregeln theils in der Form
des Gesetzes, theils in der Form der Verordnung sanctionirt
worden sind. Ein durchgreifendes und prinzipielles Merkmal,
welche Regeln in der einen, und welche in der andern Form zu
erlassen sind, fehlt; nur im Allgemeinen ergiebt sich aus der Natur
der Sache, daß Vorschriften von größerer Wichtigkeit, umfassenderer
Geltung, dauernderer Bedeutung in den Gesetzen, geringfügigere,
leichter wechselnde oder speziellere Anordnungen in den Verord-
nungen enthalten sind. Es wiederholt sich bei dem Zoll- und
Steuerwesen dieselbe Erscheinung, auf welche bereits bei der Dar-
stellung des Post- und Telegraphenwesens und des Heer- und
Marinewesens hingewiesen worden ist.

2. Auch bei der Errichtung und Fortbildung des ehemaligen
Zollvereins konnten sich die deutschen Staaten, wenn sie die Zwecke
dieses Vereins wirklich erreichen wollten, nicht darauf beschränken,
Rechtsregeln über die Verpflichtung zur Zoll- und Steuer-Ent-
richtung und über die hiermit zusammenhängenden Materien zu
vereinbaren, sondern sie mußten auch übereinstimmende Verwaltungs-
maßregeln treffen und ein gleichmäßiges Verfahren der Behörden
und eine conforme Handhabung der Normen sicherstellen. Der
Zollverein schuf daher von Anfang an für seine Mitglieder sowohl
gemeinschaftliches öffentliches Recht als gemeinschaftliche Ver-
waltungsregeln. Zu einer formellen Unterscheidung von gesetz-
lichen und verordnungsmäßigen Vorschriften war aber keine Ver-
anlassung gegeben, da der Zollverein gemäß seiner juristischen
Natur als eines völkerrechtlichen Verhältnisses überhaupt nur eine
einzige Rechtsform für seine Festsetzungen hatte, nämlich die des
Staatsvertrages. Nur in wie weit die Durchführung der unter
den Mitgliedern des Vereins getroffenen Vereinbarungen in den
einzelnen Staaten der Genehmigung der Volksvertretungen be-
durfte, bestimmte sich nach ihrem Inhalte und dem partikulären
Verfassungsrecht; für das gegenseitige Verhältniß der Staaten
zu einander hatten alle Vereinbarungen dieselbe formelle Rechts-
kraft 1). Dagegen machte sich in anderer Beziehung eine Ver-
schiedenheit der Verabredungen geltend. Die wichtigeren, grund-
legenden, auf die Dauer berechneten, für die Errichtung, Fort-

1) Siehe oben S. 244 ff.

§. 113. Die Einheit der Zoll- und Steuer-Geſetzgebung ꝛc.
ſowohl Rechtsregeln wie Verwaltungsregeln theils in der Form
des Geſetzes, theils in der Form der Verordnung ſanctionirt
worden ſind. Ein durchgreifendes und prinzipielles Merkmal,
welche Regeln in der einen, und welche in der andern Form zu
erlaſſen ſind, fehlt; nur im Allgemeinen ergiebt ſich aus der Natur
der Sache, daß Vorſchriften von größerer Wichtigkeit, umfaſſenderer
Geltung, dauernderer Bedeutung in den Geſetzen, geringfügigere,
leichter wechſelnde oder ſpeziellere Anordnungen in den Verord-
nungen enthalten ſind. Es wiederholt ſich bei dem Zoll- und
Steuerweſen dieſelbe Erſcheinung, auf welche bereits bei der Dar-
ſtellung des Poſt- und Telegraphenweſens und des Heer- und
Marineweſens hingewieſen worden iſt.

2. Auch bei der Errichtung und Fortbildung des ehemaligen
Zollvereins konnten ſich die deutſchen Staaten, wenn ſie die Zwecke
dieſes Vereins wirklich erreichen wollten, nicht darauf beſchränken,
Rechtsregeln über die Verpflichtung zur Zoll- und Steuer-Ent-
richtung und über die hiermit zuſammenhängenden Materien zu
vereinbaren, ſondern ſie mußten auch übereinſtimmende Verwaltungs-
maßregeln treffen und ein gleichmäßiges Verfahren der Behörden
und eine conforme Handhabung der Normen ſicherſtellen. Der
Zollverein ſchuf daher von Anfang an für ſeine Mitglieder ſowohl
gemeinſchaftliches öffentliches Recht als gemeinſchaftliche Ver-
waltungsregeln. Zu einer formellen Unterſcheidung von geſetz-
lichen und verordnungsmäßigen Vorſchriften war aber keine Ver-
anlaſſung gegeben, da der Zollverein gemäß ſeiner juriſtiſchen
Natur als eines völkerrechtlichen Verhältniſſes überhaupt nur eine
einzige Rechtsform für ſeine Feſtſetzungen hatte, nämlich die des
Staatsvertrages. Nur in wie weit die Durchführung der unter
den Mitgliedern des Vereins getroffenen Vereinbarungen in den
einzelnen Staaten der Genehmigung der Volksvertretungen be-
durfte, beſtimmte ſich nach ihrem Inhalte und dem partikulären
Verfaſſungsrecht; für das gegenſeitige Verhältniß der Staaten
zu einander hatten alle Vereinbarungen dieſelbe formelle Rechts-
kraft 1). Dagegen machte ſich in anderer Beziehung eine Ver-
ſchiedenheit der Verabredungen geltend. Die wichtigeren, grund-
legenden, auf die Dauer berechneten, für die Errichtung, Fort-

1) Siehe oben S. 244 ff.
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[280/0290] §. 113. Die Einheit der Zoll- und Steuer-Geſetzgebung ꝛc. ſowohl Rechtsregeln wie Verwaltungsregeln theils in der Form des Geſetzes, theils in der Form der Verordnung ſanctionirt worden ſind. Ein durchgreifendes und prinzipielles Merkmal, welche Regeln in der einen, und welche in der andern Form zu erlaſſen ſind, fehlt; nur im Allgemeinen ergiebt ſich aus der Natur der Sache, daß Vorſchriften von größerer Wichtigkeit, umfaſſenderer Geltung, dauernderer Bedeutung in den Geſetzen, geringfügigere, leichter wechſelnde oder ſpeziellere Anordnungen in den Verord- nungen enthalten ſind. Es wiederholt ſich bei dem Zoll- und Steuerweſen dieſelbe Erſcheinung, auf welche bereits bei der Dar- ſtellung des Poſt- und Telegraphenweſens und des Heer- und Marineweſens hingewieſen worden iſt. 2. Auch bei der Errichtung und Fortbildung des ehemaligen Zollvereins konnten ſich die deutſchen Staaten, wenn ſie die Zwecke dieſes Vereins wirklich erreichen wollten, nicht darauf beſchränken, Rechtsregeln über die Verpflichtung zur Zoll- und Steuer-Ent- richtung und über die hiermit zuſammenhängenden Materien zu vereinbaren, ſondern ſie mußten auch übereinſtimmende Verwaltungs- maßregeln treffen und ein gleichmäßiges Verfahren der Behörden und eine conforme Handhabung der Normen ſicherſtellen. Der Zollverein ſchuf daher von Anfang an für ſeine Mitglieder ſowohl gemeinſchaftliches öffentliches Recht als gemeinſchaftliche Ver- waltungsregeln. Zu einer formellen Unterſcheidung von geſetz- lichen und verordnungsmäßigen Vorſchriften war aber keine Ver- anlaſſung gegeben, da der Zollverein gemäß ſeiner juriſtiſchen Natur als eines völkerrechtlichen Verhältniſſes überhaupt nur eine einzige Rechtsform für ſeine Feſtſetzungen hatte, nämlich die des Staatsvertrages. Nur in wie weit die Durchführung der unter den Mitgliedern des Vereins getroffenen Vereinbarungen in den einzelnen Staaten der Genehmigung der Volksvertretungen be- durfte, beſtimmte ſich nach ihrem Inhalte und dem partikulären Verfaſſungsrecht; für das gegenſeitige Verhältniß der Staaten zu einander hatten alle Vereinbarungen dieſelbe formelle Rechts- kraft 1). Dagegen machte ſich in anderer Beziehung eine Ver- ſchiedenheit der Verabredungen geltend. Die wichtigeren, grund- legenden, auf die Dauer berechneten, für die Errichtung, Fort- 1) Siehe oben S. 244 ff.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/290>, abgerufen am 21.11.2024.