Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 126. Die Rechnungskontrole und Entlastung der Verwaltung.
Potenz authentisch entscheidet, welche diese Vorschrift erlassen hat
und zur Abänderung derselben befugt ist. Nach diesem Grundsatz
ist im Allgemeinen der Bundesrath als diejenige Behörde
anzusehen, welche zur Entscheidung berufen ist, und diese Kompe-
tenz ist durch Art. 7 Ziff. 3 der R.V. begründet; denn es handelt
sich in der That um eine Beschlußfassung über "Mängel, welche
bei der Ausführung der Reichsgesetze oder der allgemeinen Ver-
waltungsvorschriften und Einrichtungen hervortreten". Soweit je-
doch die Monita sich auf die Ausführung von Anordnungen beziehen,
zu deren selbstständigem Erlaß der Kaiser reichsgesetzlich ermächtigt
ist, was namentlich hinsichtlich der das Militär- und Marinewesen
betreffenden Einrichtungen Platz greift, ist der Zweifel durch eine
kaiserliche Kabinets-Ordre zu entscheiden. Wenn andererseits
bei dem vom Rechnungshof erhobenen Bedenken Vorschriften in
Frage stehen, an deren Erlaß der Reichstag eine Mitwirkung ge-
habt hat, so ist auch die Entscheidung des Reichstages über
die Ertheilung oder Versagung der Decharge herbeizuführen 1).
Dies gilt also von allen Anordnungen, die im Wege der Reichs-
gesetzgebung erlassen sind, und von allen vom Reichstage zum Gegen-
stande einer Beschlußfassung gemachten Positionen des Reichshaus-
halts-Etats.

VI. Die Aufgabe des Rechnungshofes ist im constitutionellen
Staate nicht darauf beschränkt, die Finanzverwaltung im Ver-
waltungsinteresse
zu controliren und zu revidiren; sondern
auch unter den obersten Organen des Staates selbst
den großen Schlußakt der ganzen Finanzverwaltung, die definitive
Legung und Abnahme der Rechnung über den Staatshaushalt
vorzubereiten. Dieser Rechtsakt selbst kann nur erfolgen
zwischen dem verantwortlichen Chef der Verwaltung einerseits als
Rechnungsleger, und den verfassungsmäßig zur Feststellung des
Staatshaushalts-Etats berufenen Organen andererseits, also im Reich
zwischen dem Reichskanzler und dem Bundesrathe und Reichstage.
Der Antheil des letzteren an der Aufstellung des Budgets wäre
zum größten Theile werthlos und unwirksam, wenn ihm nicht ein
Antheil an der Abnahme der Rechnung über die vollführte Reichs-

1) Vgl. hierüber Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft Bd. 32
S. 505 ff.

§. 126. Die Rechnungskontrole und Entlaſtung der Verwaltung.
Potenz authentiſch entſcheidet, welche dieſe Vorſchrift erlaſſen hat
und zur Abänderung derſelben befugt iſt. Nach dieſem Grundſatz
iſt im Allgemeinen der Bundesrath als diejenige Behörde
anzuſehen, welche zur Entſcheidung berufen iſt, und dieſe Kompe-
tenz iſt durch Art. 7 Ziff. 3 der R.V. begründet; denn es handelt
ſich in der That um eine Beſchlußfaſſung über „Mängel, welche
bei der Ausführung der Reichsgeſetze oder der allgemeinen Ver-
waltungsvorſchriften und Einrichtungen hervortreten“. Soweit je-
doch die Monita ſich auf die Ausführung von Anordnungen beziehen,
zu deren ſelbſtſtändigem Erlaß der Kaiſer reichsgeſetzlich ermächtigt
iſt, was namentlich hinſichtlich der das Militär- und Marineweſen
betreffenden Einrichtungen Platz greift, iſt der Zweifel durch eine
kaiſerliche Kabinets-Ordre zu entſcheiden. Wenn andererſeits
bei dem vom Rechnungshof erhobenen Bedenken Vorſchriften in
Frage ſtehen, an deren Erlaß der Reichstag eine Mitwirkung ge-
habt hat, ſo iſt auch die Entſcheidung des Reichstages über
die Ertheilung oder Verſagung der Decharge herbeizuführen 1).
Dies gilt alſo von allen Anordnungen, die im Wege der Reichs-
geſetzgebung erlaſſen ſind, und von allen vom Reichstage zum Gegen-
ſtande einer Beſchlußfaſſung gemachten Poſitionen des Reichshaus-
halts-Etats.

VI. Die Aufgabe des Rechnungshofes iſt im conſtitutionellen
Staate nicht darauf beſchränkt, die Finanzverwaltung im Ver-
waltungsintereſſe
zu controliren und zu revidiren; ſondern
auch unter den oberſten Organen des Staates ſelbſt
den großen Schlußakt der ganzen Finanzverwaltung, die definitive
Legung und Abnahme der Rechnung über den Staatshaushalt
vorzubereiten. Dieſer Rechtsakt ſelbſt kann nur erfolgen
zwiſchen dem verantwortlichen Chef der Verwaltung einerſeits als
Rechnungsleger, und den verfaſſungsmäßig zur Feſtſtellung des
Staatshaushalts-Etats berufenen Organen andererſeits, alſo im Reich
zwiſchen dem Reichskanzler und dem Bundesrathe und Reichstage.
Der Antheil des letzteren an der Aufſtellung des Budgets wäre
zum größten Theile werthlos und unwirkſam, wenn ihm nicht ein
Antheil an der Abnahme der Rechnung über die vollführte Reichs-

1) Vgl. hierüber Zeitſchrift für die geſammte Staatswiſſenſchaft Bd. 32
S. 505 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0399" n="389"/><fw place="top" type="header">§. 126. Die Rechnungskontrole und Entla&#x017F;tung der Verwaltung.</fw><lb/>
Potenz authenti&#x017F;ch ent&#x017F;cheidet, welche die&#x017F;e Vor&#x017F;chrift erla&#x017F;&#x017F;en hat<lb/>
und zur Abänderung der&#x017F;elben befugt i&#x017F;t. Nach die&#x017F;em Grund&#x017F;atz<lb/>
i&#x017F;t im Allgemeinen der <hi rendition="#g">Bundesrath</hi> als diejenige Behörde<lb/>
anzu&#x017F;ehen, welche zur Ent&#x017F;cheidung berufen i&#x017F;t, und die&#x017F;e Kompe-<lb/>
tenz i&#x017F;t durch Art. 7 Ziff. 3 der R.V. begründet; denn es handelt<lb/>
&#x017F;ich in der That um eine Be&#x017F;chlußfa&#x017F;&#x017F;ung über &#x201E;Mängel, welche<lb/>
bei der Ausführung der Reichsge&#x017F;etze oder der allgemeinen Ver-<lb/>
waltungsvor&#x017F;chriften und Einrichtungen hervortreten&#x201C;. Soweit je-<lb/>
doch die Monita &#x017F;ich auf die Ausführung von Anordnungen beziehen,<lb/>
zu deren &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändigem Erlaß der Kai&#x017F;er reichsge&#x017F;etzlich ermächtigt<lb/>
i&#x017F;t, was namentlich hin&#x017F;ichtlich der das Militär- und Marinewe&#x017F;en<lb/>
betreffenden Einrichtungen Platz greift, i&#x017F;t der Zweifel durch eine<lb/><hi rendition="#g">kai&#x017F;erliche</hi> Kabinets-Ordre zu ent&#x017F;cheiden. Wenn anderer&#x017F;eits<lb/>
bei dem vom Rechnungshof erhobenen Bedenken Vor&#x017F;chriften in<lb/>
Frage &#x017F;tehen, an deren Erlaß der Reichstag eine Mitwirkung ge-<lb/>
habt hat, &#x017F;o i&#x017F;t auch die Ent&#x017F;cheidung des <hi rendition="#g">Reichstages</hi> über<lb/>
die Ertheilung oder Ver&#x017F;agung der Decharge herbeizuführen <note place="foot" n="1)">Vgl. hierüber Zeit&#x017F;chrift für die ge&#x017F;ammte Staatswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft Bd. 32<lb/>
S. 505 ff.</note>.<lb/>
Dies gilt al&#x017F;o von allen Anordnungen, die im Wege der Reichs-<lb/>
ge&#x017F;etzgebung erla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind, und von allen vom Reichstage zum Gegen-<lb/>
&#x017F;tande einer Be&#x017F;chlußfa&#x017F;&#x017F;ung gemachten Po&#x017F;itionen des Reichshaus-<lb/>
halts-Etats.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">VI.</hi> Die Aufgabe des Rechnungshofes i&#x017F;t im con&#x017F;titutionellen<lb/>
Staate nicht darauf be&#x017F;chränkt, die Finanzverwaltung <hi rendition="#g">im Ver-<lb/>
waltungsintere&#x017F;&#x017F;e</hi> zu controliren und zu revidiren; &#x017F;ondern<lb/>
auch <hi rendition="#g">unter den ober&#x017F;ten Organen des Staates</hi> &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
den großen Schlußakt der ganzen Finanzverwaltung, die definitive<lb/>
Legung und Abnahme der Rechnung über den Staatshaushalt<lb/><hi rendition="#g">vorzubereiten</hi>. Die&#x017F;er Rechtsakt &#x017F;elb&#x017F;t kann nur erfolgen<lb/>
zwi&#x017F;chen dem verantwortlichen Chef der Verwaltung einer&#x017F;eits als<lb/>
Rechnungsleger, und den verfa&#x017F;&#x017F;ungsmäßig zur Fe&#x017F;t&#x017F;tellung des<lb/>
Staatshaushalts-Etats berufenen Organen anderer&#x017F;eits, al&#x017F;o im Reich<lb/>
zwi&#x017F;chen dem Reichskanzler und dem Bundesrathe und Reichstage.<lb/>
Der Antheil des letzteren an der Auf&#x017F;tellung des Budgets wäre<lb/>
zum größten Theile werthlos und unwirk&#x017F;am, wenn ihm nicht ein<lb/>
Antheil an der Abnahme der Rechnung über die vollführte Reichs-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[389/0399] §. 126. Die Rechnungskontrole und Entlaſtung der Verwaltung. Potenz authentiſch entſcheidet, welche dieſe Vorſchrift erlaſſen hat und zur Abänderung derſelben befugt iſt. Nach dieſem Grundſatz iſt im Allgemeinen der Bundesrath als diejenige Behörde anzuſehen, welche zur Entſcheidung berufen iſt, und dieſe Kompe- tenz iſt durch Art. 7 Ziff. 3 der R.V. begründet; denn es handelt ſich in der That um eine Beſchlußfaſſung über „Mängel, welche bei der Ausführung der Reichsgeſetze oder der allgemeinen Ver- waltungsvorſchriften und Einrichtungen hervortreten“. Soweit je- doch die Monita ſich auf die Ausführung von Anordnungen beziehen, zu deren ſelbſtſtändigem Erlaß der Kaiſer reichsgeſetzlich ermächtigt iſt, was namentlich hinſichtlich der das Militär- und Marineweſen betreffenden Einrichtungen Platz greift, iſt der Zweifel durch eine kaiſerliche Kabinets-Ordre zu entſcheiden. Wenn andererſeits bei dem vom Rechnungshof erhobenen Bedenken Vorſchriften in Frage ſtehen, an deren Erlaß der Reichstag eine Mitwirkung ge- habt hat, ſo iſt auch die Entſcheidung des Reichstages über die Ertheilung oder Verſagung der Decharge herbeizuführen 1). Dies gilt alſo von allen Anordnungen, die im Wege der Reichs- geſetzgebung erlaſſen ſind, und von allen vom Reichstage zum Gegen- ſtande einer Beſchlußfaſſung gemachten Poſitionen des Reichshaus- halts-Etats. VI. Die Aufgabe des Rechnungshofes iſt im conſtitutionellen Staate nicht darauf beſchränkt, die Finanzverwaltung im Ver- waltungsintereſſe zu controliren und zu revidiren; ſondern auch unter den oberſten Organen des Staates ſelbſt den großen Schlußakt der ganzen Finanzverwaltung, die definitive Legung und Abnahme der Rechnung über den Staatshaushalt vorzubereiten. Dieſer Rechtsakt ſelbſt kann nur erfolgen zwiſchen dem verantwortlichen Chef der Verwaltung einerſeits als Rechnungsleger, und den verfaſſungsmäßig zur Feſtſtellung des Staatshaushalts-Etats berufenen Organen andererſeits, alſo im Reich zwiſchen dem Reichskanzler und dem Bundesrathe und Reichstage. Der Antheil des letzteren an der Aufſtellung des Budgets wäre zum größten Theile werthlos und unwirkſam, wenn ihm nicht ein Antheil an der Abnahme der Rechnung über die vollführte Reichs- 1) Vgl. hierüber Zeitſchrift für die geſammte Staatswiſſenſchaft Bd. 32 S. 505 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/399
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/399>, abgerufen am 16.07.2024.