Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 100. Die Verpflichtung zur Rechtshülfe. Ladungen, indem es sich zum Zweck der Behändigung seiner Ver-fügungen an den Adressaten der Post oder eines im Bezirk des Zustellungsortes bestellten Gerichtsvollziehers bedient; die Hülfe eines andern Gerichts ist hiezu nicht erforderlich 1). Dies ist der Sinn des §. 161 des Gerichtsverf.Ges. "Die Herbeifüh- rung der zum Zwecke von Vollstreckungen, Ladungen und Zu- stellungen erforderlichen Handlungen erfolgt nach Vorschrift der Prozeßordnungen ohne Rücksicht darauf, ob die Handlungen in dem Bundesstaate, welchem das Prozeßgericht angehört, oder in einem andern Bundesstaate vorzunehmen sind." Dagegen kann ein Gericht außerhalb seines Amtsbezirks nicht Von diesem Prinzip giebt es jedoch eine zwiefache Ausnahme; 1) Vgl. Motive zum Gerichtsverf.Ges. S. 189 ff. 194. (Hahn 168. 171.) Die Verwendung eines Gerichtsvollziehers ist dadurch erleichtert, daß Gerichte, Staatsanwaltschaften und Gerichtsschreiber wegen Ertheilung eines Auftrages an einen Gerichtsvollzieher die Mitwirkung des Gerichtsschreibers des Amts- gerichts in Anspruch nehmen dürfen, in dessen Bezirk der Auftrag ausgeführt werden soll. Es handelt sich hierbei um keine Rechtshülfe; die Vermittlung des Gerichtsschreibers soll nur dem Uebelstande abhelfen, daß das Gericht die Namen der Gerichtsvollzieher in anderen Gerichtsbezirken häufig nicht kennt. Der vom Gerichtsschreiber beauftragte Gerichtsvollzieher gilt als unmittel- bar von der requirirenden Behörde beauftragt. Gerichtsverf.Ges. §. 162. Endemann Civilproz.O. I. S. 155. 2) Der Ausdruck "Rechtshülfe" wird auch von dem Falle angewendet,
daß ein im Instanzenzug vorgesetzees Gericht (z. B. ein Landgericht oder Oberlandesgericht) ein Amtsgericht seines eigenen Bezirks um Vornahme einer richterlichen Handlung ersucht und die Vorschriften des Gerichtsverfassungs- gesetzes umfassen auch diesen Fall; vgl. Löwe Note 6 zu Titel 13 des G.V.G.'s für das Reichsstaatsrecht ist aber die gegenseitige Verpflichtung der Staaten einander durch ihre Gerichtsbehörden Rechtshülfe zu leisten, vor- wiegend von Interesse. §. 100. Die Verpflichtung zur Rechtshülfe. Ladungen, indem es ſich zum Zweck der Behändigung ſeiner Ver-fügungen an den Adreſſaten der Poſt oder eines im Bezirk des Zuſtellungsortes beſtellten Gerichtsvollziehers bedient; die Hülfe eines andern Gerichts iſt hiezu nicht erforderlich 1). Dies iſt der Sinn des §. 161 des Gerichtsverf.Geſ. „Die Herbeifüh- rung der zum Zwecke von Vollſtreckungen, Ladungen und Zu- ſtellungen erforderlichen Handlungen erfolgt nach Vorſchrift der Prozeßordnungen ohne Rückſicht darauf, ob die Handlungen in dem Bundesſtaate, welchem das Prozeßgericht angehört, oder in einem andern Bundesſtaate vorzunehmen ſind.“ Dagegen kann ein Gericht außerhalb ſeines Amtsbezirks nicht Von dieſem Prinzip giebt es jedoch eine zwiefache Ausnahme; 1) Vgl. Motive zum Gerichtsverf.Geſ. S. 189 ff. 194. (Hahn 168. 171.) Die Verwendung eines Gerichtsvollziehers iſt dadurch erleichtert, daß Gerichte, Staatsanwaltſchaften und Gerichtsſchreiber wegen Ertheilung eines Auftrages an einen Gerichtsvollzieher die Mitwirkung des Gerichtsſchreibers des Amts- gerichts in Anſpruch nehmen dürfen, in deſſen Bezirk der Auftrag ausgeführt werden ſoll. Es handelt ſich hierbei um keine Rechtshülfe; die Vermittlung des Gerichtsſchreibers ſoll nur dem Uebelſtande abhelfen, daß das Gericht die Namen der Gerichtsvollzieher in anderen Gerichtsbezirken häufig nicht kennt. Der vom Gerichtsſchreiber beauftragte Gerichtsvollzieher gilt als unmittel- bar von der requirirenden Behörde beauftragt. Gerichtsverf.Geſ. §. 162. Endemann Civilproz.O. I. S. 155. 2) Der Ausdruck „Rechtshülfe“ wird auch von dem Falle angewendet,
daß ein im Inſtanzenzug vorgeſetzees Gericht (z. B. ein Landgericht oder Oberlandesgericht) ein Amtsgericht ſeines eigenen Bezirks um Vornahme einer richterlichen Handlung erſucht und die Vorſchriften des Gerichtsverfaſſungs- geſetzes umfaſſen auch dieſen Fall; vgl. Löwe Note 6 zu Titel 13 des G.V.G.’s für das Reichsſtaatsrecht iſt aber die gegenſeitige Verpflichtung der Staaten einander durch ihre Gerichtsbehörden Rechtshülfe zu leiſten, vor- wiegend von Intereſſe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0078" n="68"/><fw place="top" type="header">§. 100. Die Verpflichtung zur Rechtshülfe.</fw><lb/> Ladungen, indem es ſich zum Zweck der Behändigung ſeiner Ver-<lb/> fügungen an den Adreſſaten der Poſt oder eines im Bezirk des<lb/> Zuſtellungsortes beſtellten Gerichtsvollziehers bedient; die Hülfe<lb/> eines andern <hi rendition="#g">Gerichts</hi> iſt hiezu nicht erforderlich <note place="foot" n="1)">Vgl. Motive zum Gerichtsverf.Geſ. S. 189 ff. 194. (Hahn 168. 171.)<lb/> Die Verwendung eines Gerichtsvollziehers iſt dadurch erleichtert, daß Gerichte,<lb/> Staatsanwaltſchaften und Gerichtsſchreiber wegen Ertheilung eines Auftrages<lb/> an einen Gerichtsvollzieher die Mitwirkung des Gerichtsſchreibers des Amts-<lb/> gerichts in Anſpruch nehmen dürfen, in deſſen Bezirk der Auftrag ausgeführt<lb/> werden ſoll. Es handelt ſich hierbei um keine Rechtshülfe; die Vermittlung<lb/> des Gerichtsſchreibers ſoll nur dem Uebelſtande abhelfen, daß das Gericht die<lb/> Namen der Gerichtsvollzieher in anderen Gerichtsbezirken häufig nicht kennt.<lb/> Der vom Gerichtsſchreiber beauftragte Gerichtsvollzieher gilt als <hi rendition="#g">unmittel-<lb/> bar</hi> von der requirirenden Behörde beauftragt. Gerichtsverf.Geſ. §. 162.<lb/><hi rendition="#g">Endemann</hi> Civilproz.O. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 155.</note>. Dies iſt<lb/> der Sinn des §. 161 des Gerichtsverf.Geſ. „Die <hi rendition="#g"><choice><sic>Herbeifüh-<lb/> ruug</sic><corr>Herbeifüh-<lb/> rung</corr></choice></hi> der zum Zwecke von Vollſtreckungen, Ladungen und Zu-<lb/> ſtellungen erforderlichen Handlungen erfolgt nach Vorſchrift der<lb/> Prozeßordnungen ohne Rückſicht darauf, ob die Handlungen in dem<lb/> Bundesſtaate, welchem das Prozeßgericht angehört, oder in einem<lb/> andern Bundesſtaate vorzunehmen ſind.“</p><lb/> <p>Dagegen kann ein Gericht außerhalb ſeines Amtsbezirks nicht<lb/> thätig werden, insbeſondere keinen Augenſchein einnehmen, keine<lb/> Durchſuchungen vornehmen, keine Zeugen oder Sachverſtändigen<lb/> abhören, keine Termine abhalten u. ſ. w. Wenn daher in einem<lb/> Verfahren in Folge der Vorſchriften der Prozeßgeſetze eine <hi rendition="#g">rich-<lb/> terliche Handlung</hi> erforderlich wird, welche in einem andern<lb/> Gerichtsbezirk als in dem des Prozeßgerichts vorzunehmen iſt, ſo<lb/> muß das Gericht dieſes andern Bezirks um Vornahme der Hand-<lb/> lung erſucht werden <note place="foot" n="2)">Der Ausdruck „Rechtshülfe“ wird auch von dem Falle angewendet,<lb/> daß ein im Inſtanzenzug vorgeſetzees Gericht (z. B. ein Landgericht oder<lb/> Oberlandesgericht) ein Amtsgericht ſeines eigenen Bezirks um Vornahme einer<lb/> richterlichen Handlung erſucht und die Vorſchriften des Gerichtsverfaſſungs-<lb/> geſetzes umfaſſen auch dieſen Fall; vgl. <hi rendition="#g">Löwe</hi> Note 6 zu Titel 13 des G.V.G.’s<lb/> für das <hi rendition="#g">Reichsſtaatsrecht</hi> iſt aber die gegenſeitige Verpflichtung der<lb/><hi rendition="#g">Staaten</hi> einander durch ihre Gerichtsbehörden Rechtshülfe zu leiſten, vor-<lb/> wiegend von Intereſſe.</note>.</p><lb/> <p>Von dieſem Prinzip giebt es jedoch eine zwiefache Ausnahme;<lb/> wenn nämlich das Amtsgericht des Ortes ſeine Zuſtimmung zur<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0078]
§. 100. Die Verpflichtung zur Rechtshülfe.
Ladungen, indem es ſich zum Zweck der Behändigung ſeiner Ver-
fügungen an den Adreſſaten der Poſt oder eines im Bezirk des
Zuſtellungsortes beſtellten Gerichtsvollziehers bedient; die Hülfe
eines andern Gerichts iſt hiezu nicht erforderlich 1). Dies iſt
der Sinn des §. 161 des Gerichtsverf.Geſ. „Die Herbeifüh-
rung der zum Zwecke von Vollſtreckungen, Ladungen und Zu-
ſtellungen erforderlichen Handlungen erfolgt nach Vorſchrift der
Prozeßordnungen ohne Rückſicht darauf, ob die Handlungen in dem
Bundesſtaate, welchem das Prozeßgericht angehört, oder in einem
andern Bundesſtaate vorzunehmen ſind.“
Dagegen kann ein Gericht außerhalb ſeines Amtsbezirks nicht
thätig werden, insbeſondere keinen Augenſchein einnehmen, keine
Durchſuchungen vornehmen, keine Zeugen oder Sachverſtändigen
abhören, keine Termine abhalten u. ſ. w. Wenn daher in einem
Verfahren in Folge der Vorſchriften der Prozeßgeſetze eine rich-
terliche Handlung erforderlich wird, welche in einem andern
Gerichtsbezirk als in dem des Prozeßgerichts vorzunehmen iſt, ſo
muß das Gericht dieſes andern Bezirks um Vornahme der Hand-
lung erſucht werden 2).
Von dieſem Prinzip giebt es jedoch eine zwiefache Ausnahme;
wenn nämlich das Amtsgericht des Ortes ſeine Zuſtimmung zur
1) Vgl. Motive zum Gerichtsverf.Geſ. S. 189 ff. 194. (Hahn 168. 171.)
Die Verwendung eines Gerichtsvollziehers iſt dadurch erleichtert, daß Gerichte,
Staatsanwaltſchaften und Gerichtsſchreiber wegen Ertheilung eines Auftrages
an einen Gerichtsvollzieher die Mitwirkung des Gerichtsſchreibers des Amts-
gerichts in Anſpruch nehmen dürfen, in deſſen Bezirk der Auftrag ausgeführt
werden ſoll. Es handelt ſich hierbei um keine Rechtshülfe; die Vermittlung
des Gerichtsſchreibers ſoll nur dem Uebelſtande abhelfen, daß das Gericht die
Namen der Gerichtsvollzieher in anderen Gerichtsbezirken häufig nicht kennt.
Der vom Gerichtsſchreiber beauftragte Gerichtsvollzieher gilt als unmittel-
bar von der requirirenden Behörde beauftragt. Gerichtsverf.Geſ. §. 162.
Endemann Civilproz.O. I. S. 155.
2) Der Ausdruck „Rechtshülfe“ wird auch von dem Falle angewendet,
daß ein im Inſtanzenzug vorgeſetzees Gericht (z. B. ein Landgericht oder
Oberlandesgericht) ein Amtsgericht ſeines eigenen Bezirks um Vornahme einer
richterlichen Handlung erſucht und die Vorſchriften des Gerichtsverfaſſungs-
geſetzes umfaſſen auch dieſen Fall; vgl. Löwe Note 6 zu Titel 13 des G.V.G.’s
für das Reichsſtaatsrecht iſt aber die gegenſeitige Verpflichtung der
Staaten einander durch ihre Gerichtsbehörden Rechtshülfe zu leiſten, vor-
wiegend von Intereſſe.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |