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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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Das Etwas seyn und das Nichts seyn.
deutung gegeben hat, welche man in der Metaphysic,
so wie mehrere andere mühsam oder gar nicht genau
unterscheiden kann, sondern wo der eigentliche Sinn
des Ausdruckes in vorkommenden Fällen leichter und
richtiger aus dem individualen Zusammenhange der
Rede bestimmet wird. Ueberhaupt lassen sich Wörter
von so vielfacher und theils veränderlicher Bedeutung
leichter und besser als Prädicate gebrauchen, weil der
Satz wahr bleibt, wenn auch nur eine der Bedeu-
tungen zutrifft. Gebraucht man sie hingegen als
Subjecte, so wird die Allgemeinheit des Satzes ver-
wirrt und wankend, und es ist schwerer die Prädicate
durch Wörter auszudrücken, welche von eben so viel-
facher und veränderlicher Bedeutung sind. Daher
bleiben solche Sätze fast immer besser unbestimmt und
particular. Man sehe auch §. 153. Uebrigens ist
in Absicht auf die Entia uniuersalia noch anzumerken,
daß man sie ehemals, als ganz besondere Substanzen
angesehen hatte, und sie eben daher für wichtiger
hielte, als sie wirklich sind. Vielleicht hat auch die-
ses das Wort Ens vieldeutiger gemacht, als es an-
fangs war. Jn den neuern Metaphysiquen begnü-
get man sich mehrentheils zu sagen, daß die Arten
und Gattungen nicht für sich, sondern in den Indiui-
duis
existiren, und ehe sie existiren können, alle in-
dividuelle Bestimmungen haben müssen.



Neuntes

Das Etwas ſeyn und das Nichts ſeyn.
deutung gegeben hat, welche man in der Metaphyſic,
ſo wie mehrere andere muͤhſam oder gar nicht genau
unterſcheiden kann, ſondern wo der eigentliche Sinn
des Ausdruckes in vorkommenden Faͤllen leichter und
richtiger aus dem individualen Zuſammenhange der
Rede beſtimmet wird. Ueberhaupt laſſen ſich Woͤrter
von ſo vielfacher und theils veraͤnderlicher Bedeutung
leichter und beſſer als Praͤdicate gebrauchen, weil der
Satz wahr bleibt, wenn auch nur eine der Bedeu-
tungen zutrifft. Gebraucht man ſie hingegen als
Subjecte, ſo wird die Allgemeinheit des Satzes ver-
wirrt und wankend, und es iſt ſchwerer die Praͤdicate
durch Woͤrter auszudruͤcken, welche von eben ſo viel-
facher und veraͤnderlicher Bedeutung ſind. Daher
bleiben ſolche Saͤtze faſt immer beſſer unbeſtimmt und
particular. Man ſehe auch §. 153. Uebrigens iſt
in Abſicht auf die Entia uniuerſalia noch anzumerken,
daß man ſie ehemals, als ganz beſondere Subſtanzen
angeſehen hatte, und ſie eben daher fuͤr wichtiger
hielte, als ſie wirklich ſind. Vielleicht hat auch die-
ſes das Wort Ens vieldeutiger gemacht, als es an-
fangs war. Jn den neuern Metaphyſiquen begnuͤ-
get man ſich mehrentheils zu ſagen, daß die Arten
und Gattungen nicht fuͤr ſich, ſondern in den Indiui-
duis
exiſtiren, und ehe ſie exiſtiren koͤnnen, alle in-
dividuelle Beſtimmungen haben muͤſſen.



Neuntes
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[253/0289] Das Etwas ſeyn und das Nichts ſeyn. deutung gegeben hat, welche man in der Metaphyſic, ſo wie mehrere andere muͤhſam oder gar nicht genau unterſcheiden kann, ſondern wo der eigentliche Sinn des Ausdruckes in vorkommenden Faͤllen leichter und richtiger aus dem individualen Zuſammenhange der Rede beſtimmet wird. Ueberhaupt laſſen ſich Woͤrter von ſo vielfacher und theils veraͤnderlicher Bedeutung leichter und beſſer als Praͤdicate gebrauchen, weil der Satz wahr bleibt, wenn auch nur eine der Bedeu- tungen zutrifft. Gebraucht man ſie hingegen als Subjecte, ſo wird die Allgemeinheit des Satzes ver- wirrt und wankend, und es iſt ſchwerer die Praͤdicate durch Woͤrter auszudruͤcken, welche von eben ſo viel- facher und veraͤnderlicher Bedeutung ſind. Daher bleiben ſolche Saͤtze faſt immer beſſer unbeſtimmt und particular. Man ſehe auch §. 153. Uebrigens iſt in Abſicht auf die Entia uniuerſalia noch anzumerken, daß man ſie ehemals, als ganz beſondere Subſtanzen angeſehen hatte, und ſie eben daher fuͤr wichtiger hielte, als ſie wirklich ſind. Vielleicht hat auch die- ſes das Wort Ens vieldeutiger gemacht, als es an- fangs war. Jn den neuern Metaphyſiquen begnuͤ- get man ſich mehrentheils zu ſagen, daß die Arten und Gattungen nicht fuͤr ſich, ſondern in den Indiui- duis exiſtiren, und ehe ſie exiſtiren koͤnnen, alle in- dividuelle Beſtimmungen haben muͤſſen. Neuntes

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/289>, abgerufen am 22.11.2024.