Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite
einer wissenschaftlichen Grundlehre.
§. 15.

Wolf hatte sich nämlich von der wissenschaftlichen
Erkenntniß keinen andern Begriff gemacht, als daß
darinn alles müsse aus Gründen erwiesen wer-
den.
Er setzte demnach die Vorzüge der wissenschaft-
lichen Erkenntniß in die Ueberzeugung und Ge-
wißheit,
die daraus entsteht. Wir müssen aber
noch mehrere beyfügen, damit man sehe, was man
zu suchen habe, wenn die Grundlehre wissenschaftlich
gemacht werden soll. Jede Wissenschaft soll näm-
lich dahin führen, daß man in jedem vorkom-
menden Falle, wo sie anwendbar ist, aus der
geringsten Anzahl gegebener Stücke die übri-
gen finden könne, die dadurch bestimmt oder
damit in Verhältniß sind.
Nun soll die Grund-
lehre in allen übrigen Theilen der menschlichen Er-
kenntniß anwendbar seyn (§. 3.). Man findet aber
darinn von diesem Vorzuge noch sehr wenige Bey-
spiele. Jn der ganzen Mathesi aber macht man sich
ein Gesetz daraus, weder zu viel noch zu wenig Data
anzunehmen, und aus den Datis zu bestimmen, was
zugleich mit gegeben ist, oder daraus gefunden wer-
den kann. Jn der Trigonometrie sind alle Fälle ab-
gezählet, wie man aus drey Stücken eines Triangels
die drey übrigen finden könne. Soll dieser Vorzug,
den Wolf selbst als ein Muster der Vollkommenheit
erhebt, auch in der Grundlehre vorkommen, so wer-
den darinnen die Forderungen, die Abzählung
zusammengehörender Begriffe und Dinge, und
die allgemeine Theorie und Abzählung der Ver-
bindungen und Verhältnisse unentbehrlich.

§. 16.

Da ferner die Ontologie aller Orten anwendbar
seyn soll, so muß darinnen, wie in jeden andern

Wissen-
einer wiſſenſchaftlichen Grundlehre.
§. 15.

Wolf hatte ſich naͤmlich von der wiſſenſchaftlichen
Erkenntniß keinen andern Begriff gemacht, als daß
darinn alles muͤſſe aus Gruͤnden erwieſen wer-
den.
Er ſetzte demnach die Vorzuͤge der wiſſenſchaft-
lichen Erkenntniß in die Ueberzeugung und Ge-
wißheit,
die daraus entſteht. Wir muͤſſen aber
noch mehrere beyfuͤgen, damit man ſehe, was man
zu ſuchen habe, wenn die Grundlehre wiſſenſchaftlich
gemacht werden ſoll. Jede Wiſſenſchaft ſoll naͤm-
lich dahin fuͤhren, daß man in jedem vorkom-
menden Falle, wo ſie anwendbar iſt, aus der
geringſten Anzahl gegebener Stuͤcke die uͤbri-
gen finden koͤnne, die dadurch beſtimmt oder
damit in Verhaͤltniß ſind.
Nun ſoll die Grund-
lehre in allen uͤbrigen Theilen der menſchlichen Er-
kenntniß anwendbar ſeyn (§. 3.). Man findet aber
darinn von dieſem Vorzuge noch ſehr wenige Bey-
ſpiele. Jn der ganzen Matheſi aber macht man ſich
ein Geſetz daraus, weder zu viel noch zu wenig Data
anzunehmen, und aus den Datis zu beſtimmen, was
zugleich mit gegeben iſt, oder daraus gefunden wer-
den kann. Jn der Trigonometrie ſind alle Faͤlle ab-
gezaͤhlet, wie man aus drey Stuͤcken eines Triangels
die drey uͤbrigen finden koͤnne. Soll dieſer Vorzug,
den Wolf ſelbſt als ein Muſter der Vollkommenheit
erhebt, auch in der Grundlehre vorkommen, ſo wer-
den darinnen die Forderungen, die Abzaͤhlung
zuſammengehoͤrender Begriffe und Dinge, und
die allgemeine Theorie und Abzaͤhlung der Ver-
bindungen und Verhaͤltniſſe unentbehrlich.

§. 16.

Da ferner die Ontologie aller Orten anwendbar
ſeyn ſoll, ſo muß darinnen, wie in jeden andern

Wiſſen-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0049" n="13"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">einer wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Grundlehre.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 15.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Wolf</hi> hatte &#x017F;ich na&#x0364;mlich von der wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen<lb/>
Erkenntniß keinen andern Begriff gemacht, als <hi rendition="#fr">daß<lb/>
darinn alles mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e aus Gru&#x0364;nden erwie&#x017F;en wer-<lb/>
den.</hi> Er &#x017F;etzte demnach die Vorzu&#x0364;ge der wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft-<lb/>
lichen Erkenntniß in die <hi rendition="#fr">Ueberzeugung</hi> und <hi rendition="#fr">Ge-<lb/>
wißheit,</hi> die daraus ent&#x017F;teht. Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en aber<lb/>
noch mehrere beyfu&#x0364;gen, damit man &#x017F;ehe, was man<lb/>
zu &#x017F;uchen habe, wenn die Grundlehre wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlich<lb/>
gemacht werden &#x017F;oll. <hi rendition="#fr">Jede Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;oll na&#x0364;m-<lb/>
lich dahin fu&#x0364;hren, daß man in jedem vorkom-<lb/>
menden Falle, wo &#x017F;ie anwendbar i&#x017F;t, aus der<lb/>
gering&#x017F;ten Anzahl gegebener Stu&#x0364;cke die u&#x0364;bri-<lb/>
gen finden ko&#x0364;nne, die dadurch be&#x017F;timmt oder<lb/>
damit in Verha&#x0364;ltniß &#x017F;ind.</hi> Nun &#x017F;oll die Grund-<lb/>
lehre in allen u&#x0364;brigen Theilen der men&#x017F;chlichen Er-<lb/>
kenntniß anwendbar &#x017F;eyn (§. 3.). Man findet aber<lb/>
darinn von die&#x017F;em Vorzuge noch &#x017F;ehr wenige Bey-<lb/>
&#x017F;piele. Jn der ganzen Mathe&#x017F;i aber macht man &#x017F;ich<lb/>
ein Ge&#x017F;etz daraus, weder zu viel noch zu wenig <hi rendition="#aq">Data</hi><lb/>
anzunehmen, und aus den <hi rendition="#aq">Datis</hi> zu be&#x017F;timmen, was<lb/>
zugleich mit gegeben i&#x017F;t, oder daraus gefunden wer-<lb/>
den kann. Jn der Trigonometrie &#x017F;ind alle Fa&#x0364;lle ab-<lb/>
geza&#x0364;hlet, wie man aus drey Stu&#x0364;cken eines Triangels<lb/>
die drey u&#x0364;brigen finden ko&#x0364;nne. Soll die&#x017F;er Vorzug,<lb/>
den <hi rendition="#fr">Wolf</hi> &#x017F;elb&#x017F;t als ein Mu&#x017F;ter der Vollkommenheit<lb/>
erhebt, auch in der Grundlehre vorkommen, <hi rendition="#fr">&#x017F;o wer-<lb/>
den darinnen die Forderungen, die Abza&#x0364;hlung<lb/>
zu&#x017F;ammengeho&#x0364;render Begriffe und Dinge, und<lb/>
die allgemeine Theorie und Abza&#x0364;hlung der Ver-<lb/>
bindungen und Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e unentbehrlich.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 16.</head><lb/>
            <p>Da ferner die Ontologie aller Orten anwendbar<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;oll, <hi rendition="#fr">&#x017F;o muß darinnen, wie in jeden andern</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Wi&#x017F;&#x017F;en-</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0049] einer wiſſenſchaftlichen Grundlehre. §. 15. Wolf hatte ſich naͤmlich von der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß keinen andern Begriff gemacht, als daß darinn alles muͤſſe aus Gruͤnden erwieſen wer- den. Er ſetzte demnach die Vorzuͤge der wiſſenſchaft- lichen Erkenntniß in die Ueberzeugung und Ge- wißheit, die daraus entſteht. Wir muͤſſen aber noch mehrere beyfuͤgen, damit man ſehe, was man zu ſuchen habe, wenn die Grundlehre wiſſenſchaftlich gemacht werden ſoll. Jede Wiſſenſchaft ſoll naͤm- lich dahin fuͤhren, daß man in jedem vorkom- menden Falle, wo ſie anwendbar iſt, aus der geringſten Anzahl gegebener Stuͤcke die uͤbri- gen finden koͤnne, die dadurch beſtimmt oder damit in Verhaͤltniß ſind. Nun ſoll die Grund- lehre in allen uͤbrigen Theilen der menſchlichen Er- kenntniß anwendbar ſeyn (§. 3.). Man findet aber darinn von dieſem Vorzuge noch ſehr wenige Bey- ſpiele. Jn der ganzen Matheſi aber macht man ſich ein Geſetz daraus, weder zu viel noch zu wenig Data anzunehmen, und aus den Datis zu beſtimmen, was zugleich mit gegeben iſt, oder daraus gefunden wer- den kann. Jn der Trigonometrie ſind alle Faͤlle ab- gezaͤhlet, wie man aus drey Stuͤcken eines Triangels die drey uͤbrigen finden koͤnne. Soll dieſer Vorzug, den Wolf ſelbſt als ein Muſter der Vollkommenheit erhebt, auch in der Grundlehre vorkommen, ſo wer- den darinnen die Forderungen, die Abzaͤhlung zuſammengehoͤrender Begriffe und Dinge, und die allgemeine Theorie und Abzaͤhlung der Ver- bindungen und Verhaͤltniſſe unentbehrlich. §. 16. Da ferner die Ontologie aller Orten anwendbar ſeyn ſoll, ſo muß darinnen, wie in jeden andern Wiſſen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/49
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/49>, abgerufen am 03.12.2024.