Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

XXII. Hauptstück.
schied zwischen den Größen die eine Continuität ha-
ben, und zwischen solchen, die als Ganze müssen
betrachtet werden?

§. 690.

Es fällt nicht schwer, diese Unterschiede durch viele
Beyspiele zu erläutern, wodurch zugleich erhellet, daß
die Ausdehnung und Stärke zuweilen beysammen
sind, zuweilen aber auch eine ohne die andere vor-
kömmt. So z. E. stellet uns die Empfindung die
Theile des Raumes gleichartig und außer einander
und in einer durchgängigen Continuität vor. Wir
gebrauchen auch das Wort Ausdehnung im eigent-
lichsten Verstande bey dem Raume und dem darinn
befindlichen materiellen Soliden. Auf eine ähnliche
Art stellen wir uns die Theile der Zeit vor und nach
einander, und folglich, weil sie nicht in einander sind,
außer einander vor, und dieses machet, daß wir auch
der Dauer eine Art von Ausdehnung zugeben. Hin-
gegen urtheilen wir, daß sich in dem Raume und der
Zeit keine Gradus intensitatis unterscheiden lassen.
Nämlich ein Theil des Raumes oder der Zeit, ist
nicht intensiue mehr Raum oder Zeit, als ein jeder
anderer. Hingegen unterscheiden wir allerdings ein
größeres Licht (Lumen maius), und ein stärkeres
oder helleres Licht (Lumen intensius), einen grö-
ßern
Körper und einen schwerern Körper etc. Auf
eine ähnliche Art finden wir in dem Raume und der
Zeit eine absolute Continuität, hingegen so untrenn-
bar die Theile des Raumes und der Zeit sind, so
finden wir in beyden Dinge, die sich von einander
trennen lassen, oder getrennet sind, und deren jedes
als ein Ganzes oder als eine Einheit für sich genom-
men, und folglich eine Abzählung derselben gedacht

werden

XXII. Hauptſtuͤck.
ſchied zwiſchen den Groͤßen die eine Continuitaͤt ha-
ben, und zwiſchen ſolchen, die als Ganze muͤſſen
betrachtet werden?

§. 690.

Es faͤllt nicht ſchwer, dieſe Unterſchiede durch viele
Beyſpiele zu erlaͤutern, wodurch zugleich erhellet, daß
die Ausdehnung und Staͤrke zuweilen beyſammen
ſind, zuweilen aber auch eine ohne die andere vor-
koͤmmt. So z. E. ſtellet uns die Empfindung die
Theile des Raumes gleichartig und außer einander
und in einer durchgaͤngigen Continuitaͤt vor. Wir
gebrauchen auch das Wort Ausdehnung im eigent-
lichſten Verſtande bey dem Raume und dem darinn
befindlichen materiellen Soliden. Auf eine aͤhnliche
Art ſtellen wir uns die Theile der Zeit vor und nach
einander, und folglich, weil ſie nicht in einander ſind,
außer einander vor, und dieſes machet, daß wir auch
der Dauer eine Art von Ausdehnung zugeben. Hin-
gegen urtheilen wir, daß ſich in dem Raume und der
Zeit keine Gradus intenſitatis unterſcheiden laſſen.
Naͤmlich ein Theil des Raumes oder der Zeit, iſt
nicht intenſiue mehr Raum oder Zeit, als ein jeder
anderer. Hingegen unterſcheiden wir allerdings ein
groͤßeres Licht (Lumen maius), und ein ſtaͤrkeres
oder helleres Licht (Lumen intenſius), einen groͤ-
ßern
Koͤrper und einen ſchwerern Koͤrper ꝛc. Auf
eine aͤhnliche Art finden wir in dem Raume und der
Zeit eine abſolute Continuitaͤt, hingegen ſo untrenn-
bar die Theile des Raumes und der Zeit ſind, ſo
finden wir in beyden Dinge, die ſich von einander
trennen laſſen, oder getrennet ſind, und deren jedes
als ein Ganzes oder als eine Einheit fuͤr ſich genom-
men, und folglich eine Abzaͤhlung derſelben gedacht

werden
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0322" n="314"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXII.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
&#x017F;chied zwi&#x017F;chen den Gro&#x0364;ßen die eine <hi rendition="#fr">Continuita&#x0364;t</hi> ha-<lb/>
ben, und zwi&#x017F;chen &#x017F;olchen, die als <hi rendition="#fr">Ganze</hi> mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
betrachtet werden?</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 690.</head><lb/>
            <p>Es fa&#x0364;llt nicht &#x017F;chwer, die&#x017F;e Unter&#x017F;chiede durch viele<lb/>
Bey&#x017F;piele zu erla&#x0364;utern, wodurch zugleich erhellet, daß<lb/>
die Ausdehnung und Sta&#x0364;rke zuweilen bey&#x017F;ammen<lb/>
&#x017F;ind, zuweilen aber auch eine ohne die andere vor-<lb/>
ko&#x0364;mmt. So z. E. &#x017F;tellet uns die Empfindung die<lb/>
Theile des Raumes gleichartig und außer einander<lb/>
und in einer durchga&#x0364;ngigen Continuita&#x0364;t vor. Wir<lb/>
gebrauchen auch das Wort <hi rendition="#fr">Ausdehnung</hi> im eigent-<lb/>
lich&#x017F;ten Ver&#x017F;tande bey dem Raume und dem darinn<lb/>
befindlichen materiellen Soliden. Auf eine a&#x0364;hnliche<lb/>
Art &#x017F;tellen wir uns die Theile der Zeit vor und nach<lb/>
einander, und folglich, weil &#x017F;ie nicht in einander &#x017F;ind,<lb/>
außer einander vor, und die&#x017F;es machet, daß wir auch<lb/>
der Dauer eine Art von Ausdehnung zugeben. Hin-<lb/>
gegen urtheilen wir, daß &#x017F;ich in dem Raume und der<lb/>
Zeit keine <hi rendition="#aq">Gradus inten&#x017F;itatis</hi> unter&#x017F;cheiden la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Na&#x0364;mlich ein Theil des Raumes oder der Zeit, i&#x017F;t<lb/>
nicht <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">inten&#x017F;iue</hi></hi> <hi rendition="#fr">mehr</hi> Raum oder Zeit, als ein jeder<lb/>
anderer. Hingegen unter&#x017F;cheiden wir allerdings ein<lb/><hi rendition="#fr">gro&#x0364;ßeres</hi> Licht (<hi rendition="#aq">Lumen maius</hi>), und ein <hi rendition="#fr">&#x017F;ta&#x0364;rkeres</hi><lb/>
oder <hi rendition="#fr">helleres</hi> Licht (<hi rendition="#aq">Lumen inten&#x017F;ius</hi>), einen <hi rendition="#fr">gro&#x0364;-<lb/>
ßern</hi> Ko&#x0364;rper und einen <hi rendition="#fr">&#x017F;chwerern</hi> Ko&#x0364;rper &#xA75B;c. Auf<lb/>
eine a&#x0364;hnliche Art finden wir in dem Raume und der<lb/>
Zeit eine ab&#x017F;olute Continuita&#x0364;t, hingegen &#x017F;o untrenn-<lb/>
bar die Theile des Raumes und der Zeit &#x017F;ind, &#x017F;o<lb/>
finden wir in beyden Dinge, die &#x017F;ich von einander<lb/>
trennen la&#x017F;&#x017F;en, oder getrennet &#x017F;ind, und deren jedes<lb/>
als ein Ganzes oder als eine Einheit fu&#x0364;r &#x017F;ich genom-<lb/>
men, und folglich eine <hi rendition="#fr">Abza&#x0364;hlung</hi> der&#x017F;elben gedacht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">werden</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[314/0322] XXII. Hauptſtuͤck. ſchied zwiſchen den Groͤßen die eine Continuitaͤt ha- ben, und zwiſchen ſolchen, die als Ganze muͤſſen betrachtet werden? §. 690. Es faͤllt nicht ſchwer, dieſe Unterſchiede durch viele Beyſpiele zu erlaͤutern, wodurch zugleich erhellet, daß die Ausdehnung und Staͤrke zuweilen beyſammen ſind, zuweilen aber auch eine ohne die andere vor- koͤmmt. So z. E. ſtellet uns die Empfindung die Theile des Raumes gleichartig und außer einander und in einer durchgaͤngigen Continuitaͤt vor. Wir gebrauchen auch das Wort Ausdehnung im eigent- lichſten Verſtande bey dem Raume und dem darinn befindlichen materiellen Soliden. Auf eine aͤhnliche Art ſtellen wir uns die Theile der Zeit vor und nach einander, und folglich, weil ſie nicht in einander ſind, außer einander vor, und dieſes machet, daß wir auch der Dauer eine Art von Ausdehnung zugeben. Hin- gegen urtheilen wir, daß ſich in dem Raume und der Zeit keine Gradus intenſitatis unterſcheiden laſſen. Naͤmlich ein Theil des Raumes oder der Zeit, iſt nicht intenſiue mehr Raum oder Zeit, als ein jeder anderer. Hingegen unterſcheiden wir allerdings ein groͤßeres Licht (Lumen maius), und ein ſtaͤrkeres oder helleres Licht (Lumen intenſius), einen groͤ- ßern Koͤrper und einen ſchwerern Koͤrper ꝛc. Auf eine aͤhnliche Art finden wir in dem Raume und der Zeit eine abſolute Continuitaͤt, hingegen ſo untrenn- bar die Theile des Raumes und der Zeit ſind, ſo finden wir in beyden Dinge, die ſich von einander trennen laſſen, oder getrennet ſind, und deren jedes als ein Ganzes oder als eine Einheit fuͤr ſich genom- men, und folglich eine Abzaͤhlung derſelben gedacht werden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/322
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/322>, abgerufen am 22.11.2024.