Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.Von den Nennwörtern. und in so fern diese beyde Ausdrücke einander entgegen-gesetzt sind, wird durch den ersten die scheinbare oder auch die wahre Größe des leuchtenden Körpers, durch den andern aber die Stärke seiner Klarheit verstanden. So scheinen Sonn und Mond gleich große Lichter, aber nicht gleich helle. Wo aber die verschiedenen Dimensio- nen nicht so gut bekannt sind, da werden sie auch in der Sprache gemeiniglich vermengt. Und so giebt es auch Dinge, die keine Vergleichung zulassen, wie z. E. eine Wahrheit ist nicht mehr wahr als eine andere, eine existirende Sache ist nicht existirender als eine andere. (§. 12. Alethiol.) So scheinen aus gleichem Grunde im Lateinischen die Beywörter aqueus, vitreus, chry- stallinus, ligneus, etc. ihrer Bedeutung und der Na- tur der Sache nach keinen Comparatiuum zuzulassen, weil sie keine Gradus intensitatis haben. Und es ist sehr natürlich, daß Comparatiui und Superlatiui, die in der Sache selbst nicht vorkommen, an sich schon aus der Sprache wegbleiben. Hingegen können auch ohne Grund einige wegbleiben, die die Sache selbst sehr wohl leiden würde, und auch hierinn hat die lateinische Spra- che eine gute Menge von Anomalien. §. 191. Man sieht aus diesen Betrachtungen, daß Verglei-
Von den Nennwoͤrtern. und in ſo fern dieſe beyde Ausdruͤcke einander entgegen-geſetzt ſind, wird durch den erſten die ſcheinbare oder auch die wahre Groͤße des leuchtenden Koͤrpers, durch den andern aber die Staͤrke ſeiner Klarheit verſtanden. So ſcheinen Sonn und Mond gleich große Lichter, aber nicht gleich helle. Wo aber die verſchiedenen Dimenſio- nen nicht ſo gut bekannt ſind, da werden ſie auch in der Sprache gemeiniglich vermengt. Und ſo giebt es auch Dinge, die keine Vergleichung zulaſſen, wie z. E. eine Wahrheit iſt nicht mehr wahr als eine andere, eine exiſtirende Sache iſt nicht exiſtirender als eine andere. (§. 12. Alethiol.) So ſcheinen aus gleichem Grunde im Lateiniſchen die Beywoͤrter aqueus, vitreus, chry- ſtallinus, ligneus, ꝛc. ihrer Bedeutung und der Na- tur der Sache nach keinen Comparatiuum zuzulaſſen, weil ſie keine Gradus intenſitatis haben. Und es iſt ſehr natuͤrlich, daß Comparatiui und Superlatiui, die in der Sache ſelbſt nicht vorkommen, an ſich ſchon aus der Sprache wegbleiben. Hingegen koͤnnen auch ohne Grund einige wegbleiben, die die Sache ſelbſt ſehr wohl leiden wuͤrde, und auch hierinn hat die lateiniſche Spra- che eine gute Menge von Anomalien. §. 191. Man ſieht aus dieſen Betrachtungen, daß Verglei-
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Von den Nennwoͤrtern.
und in ſo fern dieſe beyde Ausdruͤcke einander entgegen-
geſetzt ſind, wird durch den erſten die ſcheinbare oder
auch die wahre Groͤße des leuchtenden Koͤrpers, durch
den andern aber die Staͤrke ſeiner Klarheit verſtanden.
So ſcheinen Sonn und Mond gleich große Lichter, aber
nicht gleich helle. Wo aber die verſchiedenen Dimenſio-
nen nicht ſo gut bekannt ſind, da werden ſie auch in der
Sprache gemeiniglich vermengt. Und ſo giebt es auch
Dinge, die keine Vergleichung zulaſſen, wie z. E. eine
Wahrheit iſt nicht mehr wahr als eine andere, eine
exiſtirende Sache iſt nicht exiſtirender als eine andere.
(§. 12. Alethiol.) So ſcheinen aus gleichem Grunde
im Lateiniſchen die Beywoͤrter aqueus, vitreus, chry-
ſtallinus, ligneus, ꝛc. ihrer Bedeutung und der Na-
tur der Sache nach keinen Comparatiuum zuzulaſſen,
weil ſie keine Gradus intenſitatis haben. Und es iſt
ſehr natuͤrlich, daß Comparatiui und Superlatiui, die
in der Sache ſelbſt nicht vorkommen, an ſich ſchon aus
der Sprache wegbleiben. Hingegen koͤnnen auch ohne
Grund einige wegbleiben, die die Sache ſelbſt ſehr wohl
leiden wuͤrde, und auch hierinn hat die lateiniſche Spra-
che eine gute Menge von Anomalien.
§. 191. Man ſieht aus dieſen Betrachtungen, daß
in den wirklichen Sprachen die Mittel, wodurch die
Grade der Eigenſchaften der Dinge angezeigt werden,
noch ziemlich gut getroffen, und ſo weit es die gemeine
Erkenntniß fordert, brauchbar ſind. Oefters begnuͤgt
man ſich mit dem mehr oder minder, ohne eben zu
beſtimmen, um wie viel? Bey genauern Verglei-
chungen koͤmmt es auf die ſchickliche Auswahl der Din-
ge an, von welchen das Bekanntere in Abſicht auf ge-
wiſſe Eigenſchaften zum Maaßſtabe des Unbekanntern
dienen ſolle. Ueberdieß ſind die angefuͤhrten Verglei-
chungsarten nur noch die kuͤrzern. Und die Sprachen
haben Mittel genug, da, wo man es noͤthig findet, die
Verglei-
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