§. 3. Jndessen, wenn man die wirklichen Spra- chen näher betrachtet, so findet sich ungemein viel Meta- physisches und Allgemeines darinnen, |und dieses wird um desto bewundernswürdiger, da man, wenn man auf den Ursprung der Sprachen und ihrer Urheber zurücke geht, wenig oder nichts dergleichen vermuthen sollte, weil man dabey keine Verabredung voraussetzen kann. Man sollte daher gedenken, daß die ersten Ursachen der Sprache an sich schon in der menschlichen Natur sind, und es lohnet sich der Mühe, es aufzusuchen. Denn dadurch wird sich entscheiden lassen, was in den Spra- chen nothwendig, natürlich und willkührlich ist. Ein Unterschied, welcher einem Weltweisen im gering- sten nicht gleichgültig seyn kann.
§. 4. Das Dechiffriren, wobey wir bereits in der Dianoiologie bey Betrachtung der Hypothesen (§. 555. seqq.) Erwähnung gethan, zeigt uns ebenfalls, daß es möglich ist, eine mit Ziffern geschriebene Schrift zu le- sen, und den Schlüssel dazu zu finden, und läßt vermu- then, daß es eben nicht durchaus unmöglich seyn wür- de, ein Buch, das in einer ganz unbekannten Sprache geschrieben wäre, ohne weitere Beyhülfe übersetzen zu können. So giebt uns auch in denen Sprachen, die wir gelernet haben, öfters der Zusammenhang den wah- ren Verstand der Wörter, und nicht selten auch ihre Bedeutung, die wir bis dahin noch nicht wußten. Oh- ne das Regelmäßige in den Sprachen, würde uns von allen diesen wenig oder nichts möglich seyn.
§. 5. Aus diesen Betrachtungen, die wir hier nur kurz anführen, erhellet so viel, daß in den Sprachen Re- geln sind; daß sie aber nicht unbedingt als allgemein angesehen werden können, und solglich genauer müsse entschieden werden, wie ferne man darauf bauen kön- ne. Da wir hier die Sprache, und überhaupt die symbolische Erkenntniß in so ferne betrachten werden,
als
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Erkenntniß uͤberhaupt.
§. 3. Jndeſſen, wenn man die wirklichen Spra- chen naͤher betrachtet, ſo findet ſich ungemein viel Meta- phyſiſches und Allgemeines darinnen, |und dieſes wird um deſto bewundernswuͤrdiger, da man, wenn man auf den Urſprung der Sprachen und ihrer Urheber zuruͤcke geht, wenig oder nichts dergleichen vermuthen ſollte, weil man dabey keine Verabredung vorausſetzen kann. Man ſollte daher gedenken, daß die erſten Urſachen der Sprache an ſich ſchon in der menſchlichen Natur ſind, und es lohnet ſich der Muͤhe, es aufzuſuchen. Denn dadurch wird ſich entſcheiden laſſen, was in den Spra- chen nothwendig, natuͤrlich und willkuͤhrlich iſt. Ein Unterſchied, welcher einem Weltweiſen im gering- ſten nicht gleichguͤltig ſeyn kann.
§. 4. Das Dechiffriren, wobey wir bereits in der Dianoiologie bey Betrachtung der Hypotheſen (§. 555. ſeqq.) Erwaͤhnung gethan, zeigt uns ebenfalls, daß es moͤglich iſt, eine mit Ziffern geſchriebene Schrift zu le- ſen, und den Schluͤſſel dazu zu finden, und laͤßt vermu- then, daß es eben nicht durchaus unmoͤglich ſeyn wuͤr- de, ein Buch, das in einer ganz unbekannten Sprache geſchrieben waͤre, ohne weitere Beyhuͤlfe uͤberſetzen zu koͤnnen. So giebt uns auch in denen Sprachen, die wir gelernet haben, oͤfters der Zuſammenhang den wah- ren Verſtand der Woͤrter, und nicht ſelten auch ihre Bedeutung, die wir bis dahin noch nicht wußten. Oh- ne das Regelmaͤßige in den Sprachen, wuͤrde uns von allen dieſen wenig oder nichts moͤglich ſeyn.
§. 5. Aus dieſen Betrachtungen, die wir hier nur kurz anfuͤhren, erhellet ſo viel, daß in den Sprachen Re- geln ſind; daß ſie aber nicht unbedingt als allgemein angeſehen werden koͤnnen, und ſolglich genauer muͤſſe entſchieden werden, wie ferne man darauf bauen koͤn- ne. Da wir hier die Sprache, und uͤberhaupt die ſymboliſche Erkenntniß in ſo ferne betrachten werden,
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Erkenntniß uͤberhaupt.
§. 3. Jndeſſen, wenn man die wirklichen Spra-
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um deſto bewundernswuͤrdiger, da man, wenn man auf
den Urſprung der Sprachen und ihrer Urheber zuruͤcke
geht, wenig oder nichts dergleichen vermuthen ſollte,
weil man dabey keine Verabredung vorausſetzen kann.
Man ſollte daher gedenken, daß die erſten Urſachen der
Sprache an ſich ſchon in der menſchlichen Natur ſind,
und es lohnet ſich der Muͤhe, es aufzuſuchen. Denn
dadurch wird ſich entſcheiden laſſen, was in den Spra-
chen nothwendig, natuͤrlich und willkuͤhrlich iſt.
Ein Unterſchied, welcher einem Weltweiſen im gering-
ſten nicht gleichguͤltig ſeyn kann.
§. 4. Das Dechiffriren, wobey wir bereits in der
Dianoiologie bey Betrachtung der Hypotheſen (§. 555.
ſeqq.) Erwaͤhnung gethan, zeigt uns ebenfalls, daß es
moͤglich iſt, eine mit Ziffern geſchriebene Schrift zu le-
ſen, und den Schluͤſſel dazu zu finden, und laͤßt vermu-
then, daß es eben nicht durchaus unmoͤglich ſeyn wuͤr-
de, ein Buch, das in einer ganz unbekannten Sprache
geſchrieben waͤre, ohne weitere Beyhuͤlfe uͤberſetzen zu
koͤnnen. So giebt uns auch in denen Sprachen, die
wir gelernet haben, oͤfters der Zuſammenhang den wah-
ren Verſtand der Woͤrter, und nicht ſelten auch ihre
Bedeutung, die wir bis dahin noch nicht wußten. Oh-
ne das Regelmaͤßige in den Sprachen, wuͤrde uns von
allen dieſen wenig oder nichts moͤglich ſeyn.
§. 5. Aus dieſen Betrachtungen, die wir hier nur
kurz anfuͤhren, erhellet ſo viel, daß in den Sprachen Re-
geln ſind; daß ſie aber nicht unbedingt als allgemein
angeſehen werden koͤnnen, und ſolglich genauer muͤſſe
entſchieden werden, wie ferne man darauf bauen koͤn-
ne. Da wir hier die Sprache, und uͤberhaupt die
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/13>, abgerufen am 21.11.2024.
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