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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück. Von der symbolischen
als sie einen Einfluß auf die Wahrheit hat; so werden
wir uns vornehmlich bey dem Philosophischen, welches
in der Sprache und andern Zeichen unserer Erkennt-
niß ist, aufhalten, und das Grammatische nur in so
weit mitnehmen, als es dazu dienet.

§. 6. Das erste, so sich uns hier anbeut, ist die Un-
tersuchung der Nothwendigkeit der symbolischen Er-
kenntniß überhaupt, und der Sprache besonders. Zu
diesem Ende können wir die bereits in der Alethiologie
(§. 15. seqq.) gemachte Anmerkung wiederholen, daß
wir die klaren Begriffe, so wir durch die äus-
sern Sinnen erlangen, wachend nicht in ihrer
völligen Klarheit erneuern können, es sey denn
durch die Erneuerung der Empfindung.
Wir
können diesen Satz eben so unter die Postulata rechnen,
wie wir (§. 163. Alethiol.) den Satz des Widerspruches
unter dieselben gerechnet haben. Man versuche es
nämlich, ob man wachend von Licht, Farben,
Schall, und jeden andern Gegenständen der
äußern Sinnen, ohne die Erneuerung der Em-
pfindung, den klaren Begriff erneuern könne.
Es wird nicht angehen.
Was in Ansehung der
Figuren hierbey zu erinnern, haben wir bereits in der
Alethiologie §. 17. angezeigt. Die Erneuerung ihrer
Vorstellung ist möglich, weil die Bewegung in unserer
Gewalt ist. Sie ist aber auch nur in so ferne möglich,
als wir dem Unwisse der Figur, ich sage nicht in Ge-
danken, sondern durch die Bewegung der Augen, Hän-
de etc. nachfahren können, und folglich, so fern uns dieser
Unwiß bekannt, oder die Bewegung angewöhnet ist.

§. 7. Da wir demnach die klaren Begriffe durch
die Wiederholung der Empfindung erneuern müssen,
so bleiben sie uns ohne diese Wiederholung nur dunkel.
Der Traum zeigt uns, daß sie klar werden können,
wenn es stärkere Empfindungen nicht hindern, und

wenn

I. Hauptſtuͤck. Von der ſymboliſchen
als ſie einen Einfluß auf die Wahrheit hat; ſo werden
wir uns vornehmlich bey dem Philoſophiſchen, welches
in der Sprache und andern Zeichen unſerer Erkennt-
niß iſt, aufhalten, und das Grammatiſche nur in ſo
weit mitnehmen, als es dazu dienet.

§. 6. Das erſte, ſo ſich uns hier anbeut, iſt die Un-
terſuchung der Nothwendigkeit der ſymboliſchen Er-
kenntniß uͤberhaupt, und der Sprache beſonders. Zu
dieſem Ende koͤnnen wir die bereits in der Alethiologie
(§. 15. ſeqq.) gemachte Anmerkung wiederholen, daß
wir die klaren Begriffe, ſo wir durch die aͤuſ-
ſern Sinnen erlangen, wachend nicht in ihrer
voͤlligen Klarheit erneuern koͤnnen, es ſey denn
durch die Erneuerung der Empfindung.
Wir
koͤnnen dieſen Satz eben ſo unter die Poſtulata rechnen,
wie wir (§. 163. Alethiol.) den Satz des Widerſpruches
unter dieſelben gerechnet haben. Man verſuche es
naͤmlich, ob man wachend von Licht, Farben,
Schall, und jeden andern Gegenſtaͤnden der
aͤußern Sinnen, ohne die Erneuerung der Em-
pfindung, den klaren Begriff erneuern koͤnne.
Es wird nicht angehen.
Was in Anſehung der
Figuren hierbey zu erinnern, haben wir bereits in der
Alethiologie §. 17. angezeigt. Die Erneuerung ihrer
Vorſtellung iſt moͤglich, weil die Bewegung in unſerer
Gewalt iſt. Sie iſt aber auch nur in ſo ferne moͤglich,
als wir dem Unwiſſe der Figur, ich ſage nicht in Ge-
danken, ſondern durch die Bewegung der Augen, Haͤn-
de ꝛc. nachfahren koͤnnen, und folglich, ſo fern uns dieſer
Unwiß bekannt, oder die Bewegung angewoͤhnet iſt.

§. 7. Da wir demnach die klaren Begriffe durch
die Wiederholung der Empfindung erneuern muͤſſen,
ſo bleiben ſie uns ohne dieſe Wiederholung nur dunkel.
Der Traum zeigt uns, daß ſie klar werden koͤnnen,
wenn es ſtaͤrkere Empfindungen nicht hindern, und

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[8/0014] I. Hauptſtuͤck. Von der ſymboliſchen als ſie einen Einfluß auf die Wahrheit hat; ſo werden wir uns vornehmlich bey dem Philoſophiſchen, welches in der Sprache und andern Zeichen unſerer Erkennt- niß iſt, aufhalten, und das Grammatiſche nur in ſo weit mitnehmen, als es dazu dienet. §. 6. Das erſte, ſo ſich uns hier anbeut, iſt die Un- terſuchung der Nothwendigkeit der ſymboliſchen Er- kenntniß uͤberhaupt, und der Sprache beſonders. Zu dieſem Ende koͤnnen wir die bereits in der Alethiologie (§. 15. ſeqq.) gemachte Anmerkung wiederholen, daß wir die klaren Begriffe, ſo wir durch die aͤuſ- ſern Sinnen erlangen, wachend nicht in ihrer voͤlligen Klarheit erneuern koͤnnen, es ſey denn durch die Erneuerung der Empfindung. Wir koͤnnen dieſen Satz eben ſo unter die Poſtulata rechnen, wie wir (§. 163. Alethiol.) den Satz des Widerſpruches unter dieſelben gerechnet haben. Man verſuche es naͤmlich, ob man wachend von Licht, Farben, Schall, und jeden andern Gegenſtaͤnden der aͤußern Sinnen, ohne die Erneuerung der Em- pfindung, den klaren Begriff erneuern koͤnne. Es wird nicht angehen. Was in Anſehung der Figuren hierbey zu erinnern, haben wir bereits in der Alethiologie §. 17. angezeigt. Die Erneuerung ihrer Vorſtellung iſt moͤglich, weil die Bewegung in unſerer Gewalt iſt. Sie iſt aber auch nur in ſo ferne moͤglich, als wir dem Unwiſſe der Figur, ich ſage nicht in Ge- danken, ſondern durch die Bewegung der Augen, Haͤn- de ꝛc. nachfahren koͤnnen, und folglich, ſo fern uns dieſer Unwiß bekannt, oder die Bewegung angewoͤhnet iſt. §. 7. Da wir demnach die klaren Begriffe durch die Wiederholung der Empfindung erneuern muͤſſen, ſo bleiben ſie uns ohne dieſe Wiederholung nur dunkel. Der Traum zeigt uns, daß ſie klar werden koͤnnen, wenn es ſtaͤrkere Empfindungen nicht hindern, und wenn

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/14>, abgerufen am 27.04.2024.