Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.Erkenntniß überhaupt. wenn ihre Aufklärung veranlaßt wird. Wir nehmendieses hier schlechthin als eine Erfahrung an. Die Veranlassung kann auch im Wachen da seyn: allein die Aufklärung geht nicht von statten. Und dieses würde uns, wenn wir keine Sprache noch Zeichen der Begriffe hätten, Zeichen zu gebrauchen nöthigen. Wir würden immer Simulacra durch Gebärden, Bewegung etc. su- chen, um den Begriff, der dunkel in der Seele ist, und zu dessen Aufklärung die Veranlassung da ist, aufzu- klären, oder wenigstens uns selbst oder andern anzu- deuten. Das Aufklären geht bey Zahlen, Figu- ren und Bewegung mehr oder weniger an; bey Far- ben, Geruch, Geschmack, Wärme etc. würden wir es bey bloßen Zeichen müssen bewenden lassen, so oft die Em- pfindung selbst nicht könnte erneuert werden. §. 8. Da die eigentlich klaren Begriffe nur bey den §. 9. Die Empfindungen, die am meisten in unse- zu A 5
Erkenntniß uͤberhaupt. wenn ihre Aufklaͤrung veranlaßt wird. Wir nehmendieſes hier ſchlechthin als eine Erfahrung an. Die Veranlaſſung kann auch im Wachen da ſeyn: allein die Aufklaͤrung geht nicht von ſtatten. Und dieſes wuͤrde uns, wenn wir keine Sprache noch Zeichen der Begriffe haͤtten, Zeichen zu gebrauchen noͤthigen. Wir wuͤrden immer Simulacra durch Gebaͤrden, Bewegung ꝛc. ſu- chen, um den Begriff, der dunkel in der Seele iſt, und zu deſſen Aufklaͤrung die Veranlaſſung da iſt, aufzu- klaͤren, oder wenigſtens uns ſelbſt oder andern anzu- deuten. Das Aufklaͤren geht bey Zahlen, Figu- ren und Bewegung mehr oder weniger an; bey Far- ben, Geruch, Geſchmack, Waͤrme ꝛc. wuͤrden wir es bey bloßen Zeichen muͤſſen bewenden laſſen, ſo oft die Em- pfindung ſelbſt nicht koͤnnte erneuert werden. §. 8. Da die eigentlich klaren Begriffe nur bey den §. 9. Die Empfindungen, die am meiſten in unſe- zu A 5
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Erkenntniß uͤberhaupt.
wenn ihre Aufklaͤrung veranlaßt wird. Wir nehmen
dieſes hier ſchlechthin als eine Erfahrung an. Die
Veranlaſſung kann auch im Wachen da ſeyn: allein die
Aufklaͤrung geht nicht von ſtatten. Und dieſes wuͤrde
uns, wenn wir keine Sprache noch Zeichen der Begriffe
haͤtten, Zeichen zu gebrauchen noͤthigen. Wir wuͤrden
immer Simulacra durch Gebaͤrden, Bewegung ꝛc. ſu-
chen, um den Begriff, der dunkel in der Seele iſt, und
zu deſſen Aufklaͤrung die Veranlaſſung da iſt, aufzu-
klaͤren, oder wenigſtens uns ſelbſt oder andern anzu-
deuten. Das Aufklaͤren geht bey Zahlen, Figu-
ren und Bewegung mehr oder weniger an; bey Far-
ben, Geruch, Geſchmack, Waͤrme ꝛc. wuͤrden wir es bey
bloßen Zeichen muͤſſen bewenden laſſen, ſo oft die Em-
pfindung ſelbſt nicht koͤnnte erneuert werden.
§. 8. Da die eigentlich klaren Begriffe nur bey den
Empfindungen ſtatt haben, ſo iſt nothwendig, daß ſol-
che Zeichen ebenfalls von der Art ſeyn muͤſſen, daß wir
ſie jedesmal und nach Belieben wieder empfinden koͤn-
nen. Denn nicht nur wird dadurch der Begriff des
Zeichens klar, ſondern, weil ſtaͤrkere Empfindungen die
ſchwaͤchern unterdruͤcken, ſo koͤnnen wir auch ohne Muͤ-
he die Aufmerkſamkeit darauf richten, und das Zeichen
erinnert uns an den Begriff, deſſen wir uns zwar ohne
Empfindung nicht klar bewußt ſind, den wir aber, ſo
bald die Empfindung erneuert wird, wieder erkennen
koͤnnen. Dieſes iſt alles, was wir uns vorſtellen, wenn
wir, ohne die Empfindung zu erneuern, an den Be-
griff roth, weiß, gruͤn ꝛc. oder an eine Terz, Quart,
Quint, Octave ꝛc. oder an ſuͤß, bitter, ſauer ꝛc. ge-
denken.
§. 9. Die Empfindungen, die am meiſten in unſe-
rer Gewalt ſind, ſind die Bewegungen des Leibes,
die Figuren oder Zeichnungen, und die artikulir-
ten Toͤne. Wir gebrauchen ſie auch wirklich alle drey
zu
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