Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

VI. Hauptstück.
oder da, mit Beybehaltung der Präpositionen, densel-
ben schlechthin die erste Fallendung zugegeben, und die
übrigen Fallendungen zu andern Bedeutungen gewied-
met werden könnten, so sieht man leicht, daß eine wis-
senschaftliche Sprache hierinn von den wirklichen Spra-
chen merklich verschieden seyn würde.

§. 211. Da nun der Unterschied der Fallendungen
in Ansehung der Vorwörter durchaus willkührlich ist,
so sind auch die Vorwörter von den Zuwörtern in die-
ser Absicht nur auf eine willkührliche Art verschieden,
und wenn sie dennoch haben seyn sollen, so entsteht ganz
natürlicher Weise die Frage, ob weder mehr noch min-
der möglich waren, als die in den wirklichen Sprachen
eingeführt sind? Wir können zu diesem Ende anmer-
ken, daß die Sprachen bey körperlichen Dingen ange-
fangen haben, und daß die Präpositionen Verhältnis-
se
der Körper oder Substanzen haben anzeigen sollen.
Das sind nun allerdings Verhältnisse der Zeit, des
Orts oder der Lage, der Bewegung, der Ursache
und Wirkung oder der Mittel und Absichten.
Denn die Dinge und ihre Eigenschaften an sich be-
trachtet, werden durch die Nennwörter absolute ange-
zeigt. Demnach bleiben nur noch die Verhältnisse
übrig, in welchen sie gegen einander stehen, es sey daß
sie der Zeit oder dem Orte nach, oder nach beyden zu-
gleich, oder ihren Veränderungen und Ursachen nach,
betrachtet werden.

§. 213. Jn diese Classen lassen sich auch die Vor-
wörter der wirklichen Sprachen vertheilen, wiewohl die
meisten wegen der Aehnlichkeit des Eindruckes vieldeu-
tig sind. Denn da sich sowohl dem Raum als der Zeit
nach eine Ordnung gedenken läßt, so ist sich nicht zu
verwundern, wenn man die Vorwörter: vor, nach,
gegen, um, von, zu, bis, über, in, aus, außer,
bey, etc.
in beyderley Fällen gebraucht. Der Unter-

schied

VI. Hauptſtuͤck.
oder da, mit Beybehaltung der Praͤpoſitionen, denſel-
ben ſchlechthin die erſte Fallendung zugegeben, und die
uͤbrigen Fallendungen zu andern Bedeutungen gewied-
met werden koͤnnten, ſo ſieht man leicht, daß eine wiſ-
ſenſchaftliche Sprache hierinn von den wirklichen Spra-
chen merklich verſchieden ſeyn wuͤrde.

§. 211. Da nun der Unterſchied der Fallendungen
in Anſehung der Vorwoͤrter durchaus willkuͤhrlich iſt,
ſo ſind auch die Vorwoͤrter von den Zuwoͤrtern in die-
ſer Abſicht nur auf eine willkuͤhrliche Art verſchieden,
und wenn ſie dennoch haben ſeyn ſollen, ſo entſteht ganz
natuͤrlicher Weiſe die Frage, ob weder mehr noch min-
der moͤglich waren, als die in den wirklichen Sprachen
eingefuͤhrt ſind? Wir koͤnnen zu dieſem Ende anmer-
ken, daß die Sprachen bey koͤrperlichen Dingen ange-
fangen haben, und daß die Praͤpoſitionen Verhaͤltniſ-
ſe
der Koͤrper oder Subſtanzen haben anzeigen ſollen.
Das ſind nun allerdings Verhaͤltniſſe der Zeit, des
Orts oder der Lage, der Bewegung, der Urſache
und Wirkung oder der Mittel und Abſichten.
Denn die Dinge und ihre Eigenſchaften an ſich be-
trachtet, werden durch die Nennwoͤrter abſolute ange-
zeigt. Demnach bleiben nur noch die Verhaͤltniſſe
uͤbrig, in welchen ſie gegen einander ſtehen, es ſey daß
ſie der Zeit oder dem Orte nach, oder nach beyden zu-
gleich, oder ihren Veraͤnderungen und Urſachen nach,
betrachtet werden.

§. 213. Jn dieſe Claſſen laſſen ſich auch die Vor-
woͤrter der wirklichen Sprachen vertheilen, wiewohl die
meiſten wegen der Aehnlichkeit des Eindruckes vieldeu-
tig ſind. Denn da ſich ſowohl dem Raum als der Zeit
nach eine Ordnung gedenken laͤßt, ſo iſt ſich nicht zu
verwundern, wenn man die Vorwoͤrter: vor, nach,
gegen, um, von, zu, bis, uͤber, in, aus, außer,
bey, ꝛc.
in beyderley Faͤllen gebraucht. Der Unter-

ſchied
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0130" n="124"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VI.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
oder da, mit Beybehaltung der Pra&#x0364;po&#x017F;itionen, den&#x017F;el-<lb/>
ben &#x017F;chlechthin die er&#x017F;te Fallendung zugegeben, und die<lb/>
u&#x0364;brigen Fallendungen zu andern Bedeutungen gewied-<lb/>
met werden ko&#x0364;nnten, &#x017F;o &#x017F;ieht man leicht, daß eine wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chaftliche Sprache hierinn von den wirklichen Spra-<lb/>
chen merklich ver&#x017F;chieden &#x017F;eyn wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>§. 211. Da nun der Unter&#x017F;chied der Fallendungen<lb/>
in An&#x017F;ehung der Vorwo&#x0364;rter durchaus willku&#x0364;hrlich i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ind auch die Vorwo&#x0364;rter von den Zuwo&#x0364;rtern in die-<lb/>
&#x017F;er Ab&#x017F;icht nur auf eine willku&#x0364;hrliche Art ver&#x017F;chieden,<lb/>
und wenn &#x017F;ie dennoch haben &#x017F;eyn &#x017F;ollen, &#x017F;o ent&#x017F;teht ganz<lb/>
natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e die Frage, ob weder mehr noch min-<lb/>
der mo&#x0364;glich waren, als die in den wirklichen Sprachen<lb/>
eingefu&#x0364;hrt &#x017F;ind? Wir ko&#x0364;nnen zu die&#x017F;em Ende anmer-<lb/>
ken, daß die Sprachen bey ko&#x0364;rperlichen Dingen ange-<lb/>
fangen haben, und daß die Pra&#x0364;po&#x017F;itionen <hi rendition="#fr">Verha&#x0364;ltni&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e</hi> der Ko&#x0364;rper oder Sub&#x017F;tanzen haben anzeigen &#x017F;ollen.<lb/>
Das &#x017F;ind nun allerdings Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der <hi rendition="#fr">Zeit,</hi> des<lb/><hi rendition="#fr">Orts</hi> oder der <hi rendition="#fr">Lage,</hi> der <hi rendition="#fr">Bewegung,</hi> der <hi rendition="#fr">Ur&#x017F;ache</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Wirkung</hi> oder der <hi rendition="#fr">Mittel</hi> und <hi rendition="#fr">Ab&#x017F;ichten.</hi><lb/>
Denn die Dinge und ihre Eigen&#x017F;chaften an &#x017F;ich be-<lb/>
trachtet, werden durch die Nennwo&#x0364;rter <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olute</hi> ange-<lb/>
zeigt. Demnach bleiben nur noch die Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
u&#x0364;brig, in welchen &#x017F;ie gegen einander &#x017F;tehen, es &#x017F;ey daß<lb/>
&#x017F;ie der Zeit oder dem Orte nach, oder nach beyden zu-<lb/>
gleich, oder ihren Vera&#x0364;nderungen und Ur&#x017F;achen nach,<lb/>
betrachtet werden.</p><lb/>
          <p>§. 213. Jn die&#x017F;e Cla&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich auch die Vor-<lb/>
wo&#x0364;rter der wirklichen Sprachen vertheilen, wiewohl die<lb/>
mei&#x017F;ten wegen der Aehnlichkeit des Eindruckes vieldeu-<lb/>
tig &#x017F;ind. Denn da &#x017F;ich &#x017F;owohl dem Raum als der Zeit<lb/>
nach eine Ordnung gedenken la&#x0364;ßt, &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ich nicht zu<lb/>
verwundern, wenn man die Vorwo&#x0364;rter: <hi rendition="#fr">vor, nach,<lb/>
gegen, um, von, zu, bis, u&#x0364;ber, in, aus, außer,<lb/>
bey, &#xA75B;c.</hi> in beyderley Fa&#x0364;llen gebraucht. Der Unter-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chied</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0130] VI. Hauptſtuͤck. oder da, mit Beybehaltung der Praͤpoſitionen, denſel- ben ſchlechthin die erſte Fallendung zugegeben, und die uͤbrigen Fallendungen zu andern Bedeutungen gewied- met werden koͤnnten, ſo ſieht man leicht, daß eine wiſ- ſenſchaftliche Sprache hierinn von den wirklichen Spra- chen merklich verſchieden ſeyn wuͤrde. §. 211. Da nun der Unterſchied der Fallendungen in Anſehung der Vorwoͤrter durchaus willkuͤhrlich iſt, ſo ſind auch die Vorwoͤrter von den Zuwoͤrtern in die- ſer Abſicht nur auf eine willkuͤhrliche Art verſchieden, und wenn ſie dennoch haben ſeyn ſollen, ſo entſteht ganz natuͤrlicher Weiſe die Frage, ob weder mehr noch min- der moͤglich waren, als die in den wirklichen Sprachen eingefuͤhrt ſind? Wir koͤnnen zu dieſem Ende anmer- ken, daß die Sprachen bey koͤrperlichen Dingen ange- fangen haben, und daß die Praͤpoſitionen Verhaͤltniſ- ſe der Koͤrper oder Subſtanzen haben anzeigen ſollen. Das ſind nun allerdings Verhaͤltniſſe der Zeit, des Orts oder der Lage, der Bewegung, der Urſache und Wirkung oder der Mittel und Abſichten. Denn die Dinge und ihre Eigenſchaften an ſich be- trachtet, werden durch die Nennwoͤrter abſolute ange- zeigt. Demnach bleiben nur noch die Verhaͤltniſſe uͤbrig, in welchen ſie gegen einander ſtehen, es ſey daß ſie der Zeit oder dem Orte nach, oder nach beyden zu- gleich, oder ihren Veraͤnderungen und Urſachen nach, betrachtet werden. §. 213. Jn dieſe Claſſen laſſen ſich auch die Vor- woͤrter der wirklichen Sprachen vertheilen, wiewohl die meiſten wegen der Aehnlichkeit des Eindruckes vieldeu- tig ſind. Denn da ſich ſowohl dem Raum als der Zeit nach eine Ordnung gedenken laͤßt, ſo iſt ſich nicht zu verwundern, wenn man die Vorwoͤrter: vor, nach, gegen, um, von, zu, bis, uͤber, in, aus, außer, bey, ꝛc. in beyderley Faͤllen gebraucht. Der Unter- ſchied

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/130
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/130>, abgerufen am 10.05.2024.