Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.Von den unveränderlichen Redetheilen. dieses Unterschiedes gehört in die Phisiologie. Wirmerken hier nur an, daß man schwerlich andere als ein- sylbige Töne oder Wörter herausbringen wird. Das Seufzen und Aechzen in der Traurigkeit, das Schluch- zen bey starkem Weinen, das Knirschen der Zähne bey dem Zorn, gewisse Bewegungen der Zunge, Zähne, Lippen etc. bey ekelnden, bittern, sauren, widrigen Spei- sen, die Aehnlichkeit des Eindruckes anderer Empfin- dungen und Vorstellungen, die man, selbst in der Spra- che auch, bitter, herbe, sauer, widrig etc. nennt; alles dieses mag zu Bestimmung der Töne und Sylben die- nen, welche in der Sprache Jnterjectionen genennt wer- den. Auf diese Art scheinen die Wörter ach! weh! pfuy! o! he! ju! hey! oi! huy! ey!st! ouai! etc. theils natürliche, theils etwan auch von den Thieren ab- gelernte Ausdrücke der Affecten zu seyn. Man hat aber in den Sprachen nebst diesen Jnterjectionen noch andere, die von abgeleiteter Bedeutung sind, z. E. im Deutschen: wohlan! wohlauf! getrost! lustig! leider! etc. Und überdieß gewisse Redensarten und Wendungen derselben, die eben dahin dienen, z. E. geliebt es Gott! erbarm es Gott! Gott befoh- len! so wahr ich lebe! so gewiß ich da bin! etc. §. 219. Jn so ferne die Natur selbst die Jnterje- Spra- Lamb. Organon II B. J
Von den unveraͤnderlichen Redetheilen. dieſes Unterſchiedes gehoͤrt in die Phiſiologie. Wirmerken hier nur an, daß man ſchwerlich andere als ein- ſylbige Toͤne oder Woͤrter herausbringen wird. Das Seufzen und Aechzen in der Traurigkeit, das Schluch- zen bey ſtarkem Weinen, das Knirſchen der Zaͤhne bey dem Zorn, gewiſſe Bewegungen der Zunge, Zaͤhne, Lippen ꝛc. bey ekelnden, bittern, ſauren, widrigen Spei- ſen, die Aehnlichkeit des Eindruckes anderer Empfin- dungen und Vorſtellungen, die man, ſelbſt in der Spra- che auch, bitter, herbe, ſauer, widrig ꝛc. nennt; alles dieſes mag zu Beſtimmung der Toͤne und Sylben die- nen, welche in der Sprache Jnterjectionen genennt wer- den. Auf dieſe Art ſcheinen die Woͤrter ach! weh! pfuy! o! he! ju! hey! oi! huy! ey!ſt! ouai! ꝛc. theils natuͤrliche, theils etwan auch von den Thieren ab- gelernte Ausdruͤcke der Affecten zu ſeyn. Man hat aber in den Sprachen nebſt dieſen Jnterjectionen noch andere, die von abgeleiteter Bedeutung ſind, z. E. im Deutſchen: wohlan! wohlauf! getroſt! luſtig! leider! ꝛc. Und uͤberdieß gewiſſe Redensarten und Wendungen derſelben, die eben dahin dienen, z. E. geliebt es Gott! erbarm es Gott! Gott befoh- len! ſo wahr ich lebe! ſo gewiß ich da bin! ꝛc. §. 219. Jn ſo ferne die Natur ſelbſt die Jnterje- Spra- Lamb. Organon II B. J
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Von den unveraͤnderlichen Redetheilen.
dieſes Unterſchiedes gehoͤrt in die Phiſiologie. Wir
merken hier nur an, daß man ſchwerlich andere als ein-
ſylbige Toͤne oder Woͤrter herausbringen wird. Das
Seufzen und Aechzen in der Traurigkeit, das Schluch-
zen bey ſtarkem Weinen, das Knirſchen der Zaͤhne bey
dem Zorn, gewiſſe Bewegungen der Zunge, Zaͤhne,
Lippen ꝛc. bey ekelnden, bittern, ſauren, widrigen Spei-
ſen, die Aehnlichkeit des Eindruckes anderer Empfin-
dungen und Vorſtellungen, die man, ſelbſt in der Spra-
che auch, bitter, herbe, ſauer, widrig ꝛc. nennt; alles
dieſes mag zu Beſtimmung der Toͤne und Sylben die-
nen, welche in der Sprache Jnterjectionen genennt wer-
den. Auf dieſe Art ſcheinen die Woͤrter ach! weh!
pfuy! o! he! ju! hey! oi! huy! ey!ſt! ouai! ꝛc.
theils natuͤrliche, theils etwan auch von den Thieren ab-
gelernte Ausdruͤcke der Affecten zu ſeyn. Man hat
aber in den Sprachen nebſt dieſen Jnterjectionen noch
andere, die von abgeleiteter Bedeutung ſind, z. E. im
Deutſchen: wohlan! wohlauf! getroſt! luſtig!
leider! ꝛc. Und uͤberdieß gewiſſe Redensarten und
Wendungen derſelben, die eben dahin dienen, z. E.
geliebt es Gott! erbarm es Gott! Gott befoh-
len! ſo wahr ich lebe! ſo gewiß ich da bin! ꝛc.
§. 219. Jn ſo ferne die Natur ſelbſt die Jnterje-
ctionen angiebt, werden ſie in verſchiedenen Sprachen
nicht ſehr verſchieden ſeyn, als nur in ſo fern man ſich
von Jugend auf zu gewiſſen Beugungen der Gliedmaſ-
ſen der Sprache gewoͤhnt (§. 73.), oder auch von Na-
tur dazu aufgelegter iſt. Die uͤbrigen Unterſchiede wer-
den ſich aus den oben ſchon (§. 18. 19.) angegebenen
Gruͤnden beurtheilen laſſen. Es iſt auch fuͤr ſich klar,
daß die Affecten ſich nicht bloß durch ſolche Juterjectio-
nen ausdruͤcken, ungeacht dieſe in dem hoͤchſten Grade
des Affectes bald ganz allein bleiben, oder wenn das Er-
ſtarren aufhoͤrt, den Anfang zur wiederkommenden
Spra-
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