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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von den unveränderlichen Redetheilen.
Bindwörter eine Formel von trockenen Sätzen in eine
fließende Ordnung und Verbindung gebracht wird, wel-
ches um desto mehr hieher gehört, weil darinn eine gu-
te Menge von Conjunctionen vorkommen, und einen
weitläuftigen und verwickelten Umweg im Schließen in
eine deutlichere Ordnung bringen. Ueberhaupt muß
man, um sie richtig zu gebrauchen, ihre Bedeutung
wohl wissen, und den Zusammenhang der Sache selbst
sich deutlich vorstellen, damit die Conjunctionen, die
man zu gebrauchen hat, richtig gewählt, und nicht et-
wan durch unschickliche Auswahl derselben, der Ver-
stand der Rede verwirrt werde, oder anders ausfalle,
als er seyn solle. Denn allerdings geschieht dieses, es
sey, daß man Gründe mit Folgen, zusammengehörende
Begriffe mit einander zuwider laufenden, Anmerkun-
gen mit Schlüssen etc. verwechsele, oder sie durch un-
schickliche und ganz was anders bedeutende Bindwörter
vorstelle. Da ferner die Bindwörter viele Sätze und
Redensarten zusammenhängen, so können allerdings
dadurch die Perioden der Rede sehr verlängert werden,
und man findet auch Schriften, worinn dieses ohne
Nothwendigkeit geschieht. Vielleicht, um diesen Feh-
ler zu vermeiden, haben andere Schriftsteller die ächte
Schönheit und Deutlichkeit der Rede in kurzen Sätzen
gesucht, und daher bald alle Bindwörter weggelassen,
aber zugleich auch den Zusammenhang der Rede ent-
kräftet, und öfters vieldeutig und räthselhaft gemacht.
Noch andere haben, statt Bindwörter zu gebrauchen,
oder die Lücken des Zusammenhangs auszufüllen,
schlechthin Striche -- und Punkte .... eingeführt, die
allerdings in gewissen Fällen ihren Nachdruck und Be-
deutung haben, durch unschickliche Nachahmung aber
leicht verkehrt und ohne Grund gebraucht werden.

§. 231. Die Sprachlehrer haben sich auch in An-
sehung der Conjunctionen Mühe gegeben, sie in gewisse

Classen
J 5

Von den unveraͤnderlichen Redetheilen.
Bindwoͤrter eine Formel von trockenen Saͤtzen in eine
fließende Ordnung und Verbindung gebracht wird, wel-
ches um deſto mehr hieher gehoͤrt, weil darinn eine gu-
te Menge von Conjunctionen vorkommen, und einen
weitlaͤuftigen und verwickelten Umweg im Schließen in
eine deutlichere Ordnung bringen. Ueberhaupt muß
man, um ſie richtig zu gebrauchen, ihre Bedeutung
wohl wiſſen, und den Zuſammenhang der Sache ſelbſt
ſich deutlich vorſtellen, damit die Conjunctionen, die
man zu gebrauchen hat, richtig gewaͤhlt, und nicht et-
wan durch unſchickliche Auswahl derſelben, der Ver-
ſtand der Rede verwirrt werde, oder anders ausfalle,
als er ſeyn ſolle. Denn allerdings geſchieht dieſes, es
ſey, daß man Gruͤnde mit Folgen, zuſammengehoͤrende
Begriffe mit einander zuwider laufenden, Anmerkun-
gen mit Schluͤſſen ꝛc. verwechſele, oder ſie durch un-
ſchickliche und ganz was anders bedeutende Bindwoͤrter
vorſtelle. Da ferner die Bindwoͤrter viele Saͤtze und
Redensarten zuſammenhaͤngen, ſo koͤnnen allerdings
dadurch die Perioden der Rede ſehr verlaͤngert werden,
und man findet auch Schriften, worinn dieſes ohne
Nothwendigkeit geſchieht. Vielleicht, um dieſen Feh-
ler zu vermeiden, haben andere Schriftſteller die aͤchte
Schoͤnheit und Deutlichkeit der Rede in kurzen Saͤtzen
geſucht, und daher bald alle Bindwoͤrter weggelaſſen,
aber zugleich auch den Zuſammenhang der Rede ent-
kraͤftet, und oͤfters vieldeutig und raͤthſelhaft gemacht.
Noch andere haben, ſtatt Bindwoͤrter zu gebrauchen,
oder die Luͤcken des Zuſammenhangs auszufuͤllen,
ſchlechthin Striche — und Punkte .... eingefuͤhrt, die
allerdings in gewiſſen Faͤllen ihren Nachdruck und Be-
deutung haben, durch unſchickliche Nachahmung aber
leicht verkehrt und ohne Grund gebraucht werden.

§. 231. Die Sprachlehrer haben ſich auch in An-
ſehung der Conjunctionen Muͤhe gegeben, ſie in gewiſſe

Claſſen
J 5
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[137/0143] Von den unveraͤnderlichen Redetheilen. Bindwoͤrter eine Formel von trockenen Saͤtzen in eine fließende Ordnung und Verbindung gebracht wird, wel- ches um deſto mehr hieher gehoͤrt, weil darinn eine gu- te Menge von Conjunctionen vorkommen, und einen weitlaͤuftigen und verwickelten Umweg im Schließen in eine deutlichere Ordnung bringen. Ueberhaupt muß man, um ſie richtig zu gebrauchen, ihre Bedeutung wohl wiſſen, und den Zuſammenhang der Sache ſelbſt ſich deutlich vorſtellen, damit die Conjunctionen, die man zu gebrauchen hat, richtig gewaͤhlt, und nicht et- wan durch unſchickliche Auswahl derſelben, der Ver- ſtand der Rede verwirrt werde, oder anders ausfalle, als er ſeyn ſolle. Denn allerdings geſchieht dieſes, es ſey, daß man Gruͤnde mit Folgen, zuſammengehoͤrende Begriffe mit einander zuwider laufenden, Anmerkun- gen mit Schluͤſſen ꝛc. verwechſele, oder ſie durch un- ſchickliche und ganz was anders bedeutende Bindwoͤrter vorſtelle. Da ferner die Bindwoͤrter viele Saͤtze und Redensarten zuſammenhaͤngen, ſo koͤnnen allerdings dadurch die Perioden der Rede ſehr verlaͤngert werden, und man findet auch Schriften, worinn dieſes ohne Nothwendigkeit geſchieht. Vielleicht, um dieſen Feh- ler zu vermeiden, haben andere Schriftſteller die aͤchte Schoͤnheit und Deutlichkeit der Rede in kurzen Saͤtzen geſucht, und daher bald alle Bindwoͤrter weggelaſſen, aber zugleich auch den Zuſammenhang der Rede ent- kraͤftet, und oͤfters vieldeutig und raͤthſelhaft gemacht. Noch andere haben, ſtatt Bindwoͤrter zu gebrauchen, oder die Luͤcken des Zuſammenhangs auszufuͤllen, ſchlechthin Striche — und Punkte .... eingefuͤhrt, die allerdings in gewiſſen Faͤllen ihren Nachdruck und Be- deutung haben, durch unſchickliche Nachahmung aber leicht verkehrt und ohne Grund gebraucht werden. §. 231. Die Sprachlehrer haben ſich auch in An- ſehung der Conjunctionen Muͤhe gegeben, ſie in gewiſſe Claſſen J 5

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/143>, abgerufen am 10.05.2024.