Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

VIII. Hauptstück.
Empfindung der Sache verbinden kann. Hierauf fol-
gen die Worter, die wegen der Aehnlichkeit des Ein-
druckes, Eigenschaften von verschiedenen Dingen anzei-
gen, z. E. gut, schön, böse, etc. und nach und nach
ergeben sich auch stuffenweise die metaphorischen Be-
deutungen, und mit diesen die Begriffe der Jntellectual-
welt und der abstracten oder nicht unter die Sinnen
fallenden Dinge. Da man diese nicht vorzeigen kann,
oder da sie, wenn man sie vorzeigt, mit vielen Neben-
umständen vermengt sind, so müssen sie fast nothwen-
dig aus den Redensarten erlernt werden, in welchen sie
vorkommen, und die Verhältnisse zwischen solchen Be-
griffen, ihre Verwandschaft, Aehnlichkeit, Entgegenset-
zung, Verbindung, ihre gemeinsame und eigene Merk-
male, ergeben sich vornehmlich auch aus dem Zusam-
menhang der Rede.

§. 311. Man kann sich von allem diesem noch mehr
versichern, wenn man die Regeln betrachtet, die in der
Vernunftlehre angegeben werden, um abstracte Be-
griffe zu erklären, oder, wie wir es in dem ersten
Hauptstücke der Dianoiologie genommen haben, ihren
Umfang zu bestimmen.
Denn da das Charakte-
ristische und Etymologische in den wirklichen Sprachen
hiezu viel zu unvollständig und unzuverläßig ist, so muß
man statt dessen, oder wenigstens nebst demselben (§. 260.
268.) die Fälle und Redensarten aufsuchen, in welchen
das Wort vorkömmt, und auf den Grund sehen, war-
um es in denselben gebraucht wird, damit man die ge-
meinsamen und eigenen Merkmale des Begriffes, und
öfters auch die Vieldeutigkeit des Wortes dadurch fin-
den, und kenntlich machen möge.

§. 312. Da wir die hiebey vorkommenden Fälle
und Regeln in dem ersten und neunten Hauptstücke der
Dianoiologie ausführlich betrachtet haben, und hier vor-
nehmlich nur auf das Charakteristische dabey sehen, so

merken

VIII. Hauptſtuͤck.
Empfindung der Sache verbinden kann. Hierauf fol-
gen die Worter, die wegen der Aehnlichkeit des Ein-
druckes, Eigenſchaften von verſchiedenen Dingen anzei-
gen, z. E. gut, ſchoͤn, boͤſe, ꝛc. und nach und nach
ergeben ſich auch ſtuffenweiſe die metaphoriſchen Be-
deutungen, und mit dieſen die Begriffe der Jntellectual-
welt und der abſtracten oder nicht unter die Sinnen
fallenden Dinge. Da man dieſe nicht vorzeigen kann,
oder da ſie, wenn man ſie vorzeigt, mit vielen Neben-
umſtaͤnden vermengt ſind, ſo muͤſſen ſie faſt nothwen-
dig aus den Redensarten erlernt werden, in welchen ſie
vorkommen, und die Verhaͤltniſſe zwiſchen ſolchen Be-
griffen, ihre Verwandſchaft, Aehnlichkeit, Entgegenſet-
zung, Verbindung, ihre gemeinſame und eigene Merk-
male, ergeben ſich vornehmlich auch aus dem Zuſam-
menhang der Rede.

§. 311. Man kann ſich von allem dieſem noch mehr
verſichern, wenn man die Regeln betrachtet, die in der
Vernunftlehre angegeben werden, um abſtracte Be-
griffe zu erklaͤren, oder, wie wir es in dem erſten
Hauptſtuͤcke der Dianoiologie genommen haben, ihren
Umfang zu beſtimmen.
Denn da das Charakte-
riſtiſche und Etymologiſche in den wirklichen Sprachen
hiezu viel zu unvollſtaͤndig und unzuverlaͤßig iſt, ſo muß
man ſtatt deſſen, oder wenigſtens nebſt demſelben (§. 260.
268.) die Faͤlle und Redensarten aufſuchen, in welchen
das Wort vorkoͤmmt, und auf den Grund ſehen, war-
um es in denſelben gebraucht wird, damit man die ge-
meinſamen und eigenen Merkmale des Begriffes, und
oͤfters auch die Vieldeutigkeit des Wortes dadurch fin-
den, und kenntlich machen moͤge.

§. 312. Da wir die hiebey vorkommenden Faͤlle
und Regeln in dem erſten und neunten Hauptſtuͤcke der
Dianoiologie ausfuͤhrlich betrachtet haben, und hier vor-
nehmlich nur auf das Charakteriſtiſche dabey ſehen, ſo

merken
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0192" n="186"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
Empfindung der Sache verbinden kann. Hierauf fol-<lb/>
gen die Worter, die wegen der Aehnlichkeit des Ein-<lb/>
druckes, Eigen&#x017F;chaften von ver&#x017F;chiedenen Dingen anzei-<lb/>
gen, z. E. <hi rendition="#fr">gut, &#x017F;cho&#x0364;n, bo&#x0364;&#x017F;e,</hi> &#xA75B;c. und nach und nach<lb/>
ergeben &#x017F;ich auch &#x017F;tuffenwei&#x017F;e die metaphori&#x017F;chen Be-<lb/>
deutungen, und mit die&#x017F;en die Begriffe der Jntellectual-<lb/>
welt und der ab&#x017F;tracten oder nicht unter die Sinnen<lb/>
fallenden Dinge. Da man die&#x017F;e nicht vorzeigen kann,<lb/>
oder da &#x017F;ie, wenn man &#x017F;ie vorzeigt, mit vielen Neben-<lb/>
um&#x017F;ta&#x0364;nden vermengt &#x017F;ind, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie fa&#x017F;t nothwen-<lb/>
dig aus den Redensarten erlernt werden, in welchen &#x017F;ie<lb/>
vorkommen, und die Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e zwi&#x017F;chen &#x017F;olchen Be-<lb/>
griffen, ihre Verwand&#x017F;chaft, Aehnlichkeit, Entgegen&#x017F;et-<lb/>
zung, Verbindung, ihre gemein&#x017F;ame und eigene Merk-<lb/>
male, ergeben &#x017F;ich vornehmlich auch aus dem Zu&#x017F;am-<lb/>
menhang der Rede.</p><lb/>
          <p>§. 311. Man kann &#x017F;ich von allem die&#x017F;em noch mehr<lb/>
ver&#x017F;ichern, wenn man die Regeln betrachtet, die in der<lb/>
Vernunftlehre angegeben werden, um ab&#x017F;tracte Be-<lb/>
griffe zu <hi rendition="#fr">erkla&#x0364;ren,</hi> oder, wie wir es in dem er&#x017F;ten<lb/>
Haupt&#x017F;tu&#x0364;cke der Dianoiologie genommen haben, <hi rendition="#fr">ihren<lb/>
Umfang zu be&#x017F;timmen.</hi> Denn da das Charakte-<lb/>
ri&#x017F;ti&#x017F;che und Etymologi&#x017F;che in den wirklichen Sprachen<lb/>
hiezu viel zu unvoll&#x017F;ta&#x0364;ndig und unzuverla&#x0364;ßig i&#x017F;t, &#x017F;o muß<lb/>
man &#x017F;tatt de&#x017F;&#x017F;en, oder wenig&#x017F;tens neb&#x017F;t dem&#x017F;elben (§. 260.<lb/>
268.) die Fa&#x0364;lle und Redensarten auf&#x017F;uchen, in welchen<lb/>
das Wort vorko&#x0364;mmt, und auf den Grund &#x017F;ehen, war-<lb/>
um es in den&#x017F;elben gebraucht wird, damit man die ge-<lb/>
mein&#x017F;amen und eigenen Merkmale des Begriffes, und<lb/>
o&#x0364;fters auch die Vieldeutigkeit des Wortes dadurch fin-<lb/>
den, und kenntlich machen mo&#x0364;ge.</p><lb/>
          <p>§. 312. Da wir die hiebey vorkommenden Fa&#x0364;lle<lb/>
und Regeln in dem er&#x017F;ten und neunten Haupt&#x017F;tu&#x0364;cke der<lb/>
Dianoiologie ausfu&#x0364;hrlich betrachtet haben, und hier vor-<lb/>
nehmlich nur auf das Charakteri&#x017F;ti&#x017F;che dabey &#x017F;ehen, &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">merken</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0192] VIII. Hauptſtuͤck. Empfindung der Sache verbinden kann. Hierauf fol- gen die Worter, die wegen der Aehnlichkeit des Ein- druckes, Eigenſchaften von verſchiedenen Dingen anzei- gen, z. E. gut, ſchoͤn, boͤſe, ꝛc. und nach und nach ergeben ſich auch ſtuffenweiſe die metaphoriſchen Be- deutungen, und mit dieſen die Begriffe der Jntellectual- welt und der abſtracten oder nicht unter die Sinnen fallenden Dinge. Da man dieſe nicht vorzeigen kann, oder da ſie, wenn man ſie vorzeigt, mit vielen Neben- umſtaͤnden vermengt ſind, ſo muͤſſen ſie faſt nothwen- dig aus den Redensarten erlernt werden, in welchen ſie vorkommen, und die Verhaͤltniſſe zwiſchen ſolchen Be- griffen, ihre Verwandſchaft, Aehnlichkeit, Entgegenſet- zung, Verbindung, ihre gemeinſame und eigene Merk- male, ergeben ſich vornehmlich auch aus dem Zuſam- menhang der Rede. §. 311. Man kann ſich von allem dieſem noch mehr verſichern, wenn man die Regeln betrachtet, die in der Vernunftlehre angegeben werden, um abſtracte Be- griffe zu erklaͤren, oder, wie wir es in dem erſten Hauptſtuͤcke der Dianoiologie genommen haben, ihren Umfang zu beſtimmen. Denn da das Charakte- riſtiſche und Etymologiſche in den wirklichen Sprachen hiezu viel zu unvollſtaͤndig und unzuverlaͤßig iſt, ſo muß man ſtatt deſſen, oder wenigſtens nebſt demſelben (§. 260. 268.) die Faͤlle und Redensarten aufſuchen, in welchen das Wort vorkoͤmmt, und auf den Grund ſehen, war- um es in denſelben gebraucht wird, damit man die ge- meinſamen und eigenen Merkmale des Begriffes, und oͤfters auch die Vieldeutigkeit des Wortes dadurch fin- den, und kenntlich machen moͤge. §. 312. Da wir die hiebey vorkommenden Faͤlle und Regeln in dem erſten und neunten Hauptſtuͤcke der Dianoiologie ausfuͤhrlich betrachtet haben, und hier vor- nehmlich nur auf das Charakteriſtiſche dabey ſehen, ſo merken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/192
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/192>, abgerufen am 04.12.2024.