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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück.
den Mitteln ab, wodurch das Licht davon in das Au-
ge fällt.

§. 25. Jn Absicht auf die übrigen Sinnen haben
wir ähnliche Umstände zu bemerken. Am ähnlichsten
sind sie allerdings bey dem Gehör, weil der Schall
ebenfalls, wie das Licht, gerade geht, reflectirt wird, und
durch Mauren und Wände durchdringt. Die Lage des
Ohrs hat ebenfalls einen Einfluß auf die Empfindung
des Schalles, und man kann noch ziemlich erkennen,
woher er kömmt, und von welcher individualen Art der
Körper er erregt wird. So hat in der Sprache jeder
Buchstab, und sodann überhaupt jede Menschenstimme
etwas ihr eigenes, ohne Rücksicht auf die Höhe und
Stärke des Tones.

§. 26. Was nun aber in Absicht auf jede Sinnen
an der Sache geändert wird, und daher auch fast im-
mer eine bemerkbare Aenderung in der Empfindung
derselben hervorbringt, ändert den objectiven Schein der
Sache. Entsteht aber in dem Schein eine Aenderung
bey unveränderter Sache und einerley subjectiven Quel-
len des Scheins, so rührt sie von den geänderten Ver-
hältnissen, z. E. der Lage der Sache und des Sinnes
her, und man kann es dieser Aenderung zuschreiben,
wenn man es auch nicht voraus weiß. Wir führen die-
ses hier nur an, um den Unterschied genauer zu bezeich-
nen, den wir zwischen den objectiven und relativen Quel-
len des Scheins zu machen haben.

§. 27. Jn Ansehung des Gedankenreiches sind wir
schon längst daran gewöhnt, die Begriffe der Seiten
und der Gesichtspunkte dabey zu gebrauchen, so wie
wir etwan auch dem Verstande Augen geben, und den
Begriff des Sehens auch auf abstracte Dinge aus-
dehnen. Die Seiten sind nun hier die Verhältnisse,
in welchen eine vorgegebene Sache mit andern steht.
Z. E. ein Geschäffte, ein Vorhaben von allen Seiten

betrach-

I. Hauptſtuͤck.
den Mitteln ab, wodurch das Licht davon in das Au-
ge faͤllt.

§. 25. Jn Abſicht auf die uͤbrigen Sinnen haben
wir aͤhnliche Umſtaͤnde zu bemerken. Am aͤhnlichſten
ſind ſie allerdings bey dem Gehoͤr, weil der Schall
ebenfalls, wie das Licht, gerade geht, reflectirt wird, und
durch Mauren und Waͤnde durchdringt. Die Lage des
Ohrs hat ebenfalls einen Einfluß auf die Empfindung
des Schalles, und man kann noch ziemlich erkennen,
woher er koͤmmt, und von welcher individualen Art der
Koͤrper er erregt wird. So hat in der Sprache jeder
Buchſtab, und ſodann uͤberhaupt jede Menſchenſtimme
etwas ihr eigenes, ohne Ruͤckſicht auf die Hoͤhe und
Staͤrke des Tones.

§. 26. Was nun aber in Abſicht auf jede Sinnen
an der Sache geaͤndert wird, und daher auch faſt im-
mer eine bemerkbare Aenderung in der Empfindung
derſelben hervorbringt, aͤndert den objectiven Schein der
Sache. Entſteht aber in dem Schein eine Aenderung
bey unveraͤnderter Sache und einerley ſubjectiven Quel-
len des Scheins, ſo ruͤhrt ſie von den geaͤnderten Ver-
haͤltniſſen, z. E. der Lage der Sache und des Sinnes
her, und man kann es dieſer Aenderung zuſchreiben,
wenn man es auch nicht voraus weiß. Wir fuͤhren die-
ſes hier nur an, um den Unterſchied genauer zu bezeich-
nen, den wir zwiſchen den objectiven und relativen Quel-
len des Scheins zu machen haben.

§. 27. Jn Anſehung des Gedankenreiches ſind wir
ſchon laͤngſt daran gewoͤhnt, die Begriffe der Seiten
und der Geſichtspunkte dabey zu gebrauchen, ſo wie
wir etwan auch dem Verſtande Augen geben, und den
Begriff des Sehens auch auf abſtracte Dinge aus-
dehnen. Die Seiten ſind nun hier die Verhaͤltniſſe,
in welchen eine vorgegebene Sache mit andern ſteht.
Z. E. ein Geſchaͤffte, ein Vorhaben von allen Seiten

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[232/0238] I. Hauptſtuͤck. den Mitteln ab, wodurch das Licht davon in das Au- ge faͤllt. §. 25. Jn Abſicht auf die uͤbrigen Sinnen haben wir aͤhnliche Umſtaͤnde zu bemerken. Am aͤhnlichſten ſind ſie allerdings bey dem Gehoͤr, weil der Schall ebenfalls, wie das Licht, gerade geht, reflectirt wird, und durch Mauren und Waͤnde durchdringt. Die Lage des Ohrs hat ebenfalls einen Einfluß auf die Empfindung des Schalles, und man kann noch ziemlich erkennen, woher er koͤmmt, und von welcher individualen Art der Koͤrper er erregt wird. So hat in der Sprache jeder Buchſtab, und ſodann uͤberhaupt jede Menſchenſtimme etwas ihr eigenes, ohne Ruͤckſicht auf die Hoͤhe und Staͤrke des Tones. §. 26. Was nun aber in Abſicht auf jede Sinnen an der Sache geaͤndert wird, und daher auch faſt im- mer eine bemerkbare Aenderung in der Empfindung derſelben hervorbringt, aͤndert den objectiven Schein der Sache. Entſteht aber in dem Schein eine Aenderung bey unveraͤnderter Sache und einerley ſubjectiven Quel- len des Scheins, ſo ruͤhrt ſie von den geaͤnderten Ver- haͤltniſſen, z. E. der Lage der Sache und des Sinnes her, und man kann es dieſer Aenderung zuſchreiben, wenn man es auch nicht voraus weiß. Wir fuͤhren die- ſes hier nur an, um den Unterſchied genauer zu bezeich- nen, den wir zwiſchen den objectiven und relativen Quel- len des Scheins zu machen haben. §. 27. Jn Anſehung des Gedankenreiches ſind wir ſchon laͤngſt daran gewoͤhnt, die Begriffe der Seiten und der Geſichtspunkte dabey zu gebrauchen, ſo wie wir etwan auch dem Verſtande Augen geben, und den Begriff des Sehens auch auf abſtracte Dinge aus- dehnen. Die Seiten ſind nun hier die Verhaͤltniſſe, in welchen eine vorgegebene Sache mit andern ſteht. Z. E. ein Geſchaͤffte, ein Vorhaben von allen Seiten betrach-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/238>, abgerufen am 11.05.2024.