§. 32. Da wir unsere Empfindungen und Begriffe an Wörter und Zeichen binden, und diese statt der Dinge selbst, und öfters auch statt der Begriffe gebrau- chen, wie letzteres in der Algeber geschieht, so läßt sich auch ein hermenevtischer und überhaupt ein semio- tischer Schein gedenken. Ersterer bey Auslegung der Zeichen, Reden und Schriften anderer; letzterer aber in Ansehung des Gebrauchs der Zeichen überhaupt. Allegorien, Metaphern, Mißverstand, Vieldeutigkeit, etc. sind Quellen und Anläße zu solchem Schein, die sich öfters in die sübtilsten Sophismata einmengen, und die etymologische Bedeutung der Wörter geht nicht selten von der durch den Gebrauch eingeführten ab. So schei- nen auch Streitende öfters in der Sache uneins zu seyn, da sie bey genauerer Untersuchung nur in den Worten von einander abgehen.
§. 33. Um hier eine ähnliche Verwirrung zu ver- meiden, werden wir noch anmerken, daß wir den Schein überhaupt betrachtet, von dem, was wir bloßen Schein nennen, unterscheiden müssen. Bey letzterm liegt nichts reales zum Grunde, oder wenigstens das Reale nicht, was sonst zum Grunde liegen könnte. So z. E. kann ein bloßer Wiederglanz ein Licht zu seyn scheinen, und das Falsche den Schein des Wahren, das Böse den Schein des Guten haben. Hingegen bey dem Schein überhaupt betrachtet, lassen wir hier un- ausgemacht, ob er nur Schein, oder mehr als bloßer Schein ist, weil dieses aus andern Gründen in jedem Fall erörtert werden muß.
Zweytes
I. Hauptſt. Von den Arten des Scheins.
§. 32. Da wir unſere Empfindungen und Begriffe an Woͤrter und Zeichen binden, und dieſe ſtatt der Dinge ſelbſt, und oͤfters auch ſtatt der Begriffe gebrau- chen, wie letzteres in der Algeber geſchieht, ſo laͤßt ſich auch ein hermenevtiſcher und uͤberhaupt ein ſemio- tiſcher Schein gedenken. Erſterer bey Auslegung der Zeichen, Reden und Schriften anderer; letzterer aber in Anſehung des Gebrauchs der Zeichen uͤberhaupt. Allegorien, Metaphern, Mißverſtand, Vieldeutigkeit, ꝛc. ſind Quellen und Anlaͤße zu ſolchem Schein, die ſich oͤfters in die ſuͤbtilſten Sophiſmata einmengen, und die etymologiſche Bedeutung der Woͤrter geht nicht ſelten von der durch den Gebrauch eingefuͤhrten ab. So ſchei- nen auch Streitende oͤfters in der Sache uneins zu ſeyn, da ſie bey genauerer Unterſuchung nur in den Worten von einander abgehen.
§. 33. Um hier eine aͤhnliche Verwirrung zu ver- meiden, werden wir noch anmerken, daß wir den Schein uͤberhaupt betrachtet, von dem, was wir bloßen Schein nennen, unterſcheiden muͤſſen. Bey letzterm liegt nichts reales zum Grunde, oder wenigſtens das Reale nicht, was ſonſt zum Grunde liegen koͤnnte. So z. E. kann ein bloßer Wiederglanz ein Licht zu ſeyn ſcheinen, und das Falſche den Schein des Wahren, das Boͤſe den Schein des Guten haben. Hingegen bey dem Schein uͤberhaupt betrachtet, laſſen wir hier un- ausgemacht, ob er nur Schein, oder mehr als bloßer Schein iſt, weil dieſes aus andern Gruͤnden in jedem Fall eroͤrtert werden muß.
Zweytes
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I. Hauptſt. Von den Arten des Scheins.
§. 32. Da wir unſere Empfindungen und Begriffe
an Woͤrter und Zeichen binden, und dieſe ſtatt der
Dinge ſelbſt, und oͤfters auch ſtatt der Begriffe gebrau-
chen, wie letzteres in der Algeber geſchieht, ſo laͤßt ſich
auch ein hermenevtiſcher und uͤberhaupt ein ſemio-
tiſcher Schein gedenken. Erſterer bey Auslegung
der Zeichen, Reden und Schriften anderer; letzterer aber
in Anſehung des Gebrauchs der Zeichen uͤberhaupt.
Allegorien, Metaphern, Mißverſtand, Vieldeutigkeit, ꝛc.
ſind Quellen und Anlaͤße zu ſolchem Schein, die ſich
oͤfters in die ſuͤbtilſten Sophiſmata einmengen, und die
etymologiſche Bedeutung der Woͤrter geht nicht ſelten
von der durch den Gebrauch eingefuͤhrten ab. So ſchei-
nen auch Streitende oͤfters in der Sache uneins zu ſeyn,
da ſie bey genauerer Unterſuchung nur in den Worten
von einander abgehen.
§. 33. Um hier eine aͤhnliche Verwirrung zu ver-
meiden, werden wir noch anmerken, daß wir den
Schein uͤberhaupt betrachtet, von dem, was wir
bloßen Schein nennen, unterſcheiden muͤſſen. Bey
letzterm liegt nichts reales zum Grunde, oder wenigſtens
das Reale nicht, was ſonſt zum Grunde liegen koͤnnte.
So z. E. kann ein bloßer Wiederglanz ein Licht zu ſeyn
ſcheinen, und das Falſche den Schein des Wahren, das
Boͤſe den Schein des Guten haben. Hingegen bey
dem Schein uͤberhaupt betrachtet, laſſen wir hier un-
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/242>, abgerufen am 25.11.2024.
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