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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Erkenntniß überhaupt.
verwandeln solle, damit man eine Größe heraus bringe,
die der gesuchten gleich ist.

§. 39. Wir merken dieses an, weil daraus erhellet,
daß Wolf allerdings Ursache hatte, zu der Leibnizi-
schen allgemeinen Zeichenkunst noch eine Verbin-
dungskunst der Zeichen
zu fordern. Denn sollen
wir die Vergleichung weiter ausdehnen, so wird die
Zeichenkunst jeder einzelner Begriffe nur dem Zahlenge-
bäude, die Verbindungskunst der Zeichen aber der Al-
geber gleichen. Dieses erhellet daraus, weil jeder Be-
griff, eben so wie jede Zahl, etwas eigenes hat, dage-
gen aber die Verbindungskunst der Zeichen auf die all-
gemeinen Verhältnisse der Begriffe, schlechthin als
Begriffe betrachtet, geht, wie die Algeber die Größen
nur als Größen betrachtet, und ihre Verhältnisse be-
stimmet.

§. 40. Ohne aber auf diese Vergleichung zu sehen,
so läßt sich sowohl die allgemeine Zeichenkunst, als die
Verbindungskunst der Zeichen an sich betrachten. Er-
stere sollte uns überhaupt jedes
Definitum durch
seine Definition kenntlich machen.
Diesen Vor-
theil gewähren uns die Wörter unserer Sprachen selten
oder gar nicht. Wir werden aber dennoch im folgen-
den untersuchen, wiefern sie dazu eingerichtet sind, und
was daran noch mangelt. Hier merken wir nur an,
daß man im Nachdenken und in Verbindung mehrerer
Schlüsse, zuweilen auf Definitionen verfällt, deren De-
finita
bereits unter gewissen Namen bekannt sind. Die
Wörter, wodurch die Definition ausgedrücket wird, ge-
ben diese Namen nicht an. Sie sollten es aber thun,
wenn unsere Sprachen weniger willkührlich und mehr
charakteristisch wären. Denn dieses hieße die Theorie
der Sache auf die Theorie der Zeichen reduciren. Neh-
men wir nun noch hiezu, daß eigentlich zusammenge-
setzte Begriffe müssen definirt werden, und daß diesel-

ben
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Erkenntniß uͤberhaupt.
verwandeln ſolle, damit man eine Groͤße heraus bringe,
die der geſuchten gleich iſt.

§. 39. Wir merken dieſes an, weil daraus erhellet,
daß Wolf allerdings Urſache hatte, zu der Leibnizi-
ſchen allgemeinen Zeichenkunſt noch eine Verbin-
dungskunſt der Zeichen
zu fordern. Denn ſollen
wir die Vergleichung weiter ausdehnen, ſo wird die
Zeichenkunſt jeder einzelner Begriffe nur dem Zahlenge-
baͤude, die Verbindungskunſt der Zeichen aber der Al-
geber gleichen. Dieſes erhellet daraus, weil jeder Be-
griff, eben ſo wie jede Zahl, etwas eigenes hat, dage-
gen aber die Verbindungskunſt der Zeichen auf die all-
gemeinen Verhaͤltniſſe der Begriffe, ſchlechthin als
Begriffe betrachtet, geht, wie die Algeber die Groͤßen
nur als Groͤßen betrachtet, und ihre Verhaͤltniſſe be-
ſtimmet.

§. 40. Ohne aber auf dieſe Vergleichung zu ſehen,
ſo laͤßt ſich ſowohl die allgemeine Zeichenkunſt, als die
Verbindungskunſt der Zeichen an ſich betrachten. Er-
ſtere ſollte uns uͤberhaupt jedes
Definitum durch
ſeine Definition kenntlich machen.
Dieſen Vor-
theil gewaͤhren uns die Woͤrter unſerer Sprachen ſelten
oder gar nicht. Wir werden aber dennoch im folgen-
den unterſuchen, wiefern ſie dazu eingerichtet ſind, und
was daran noch mangelt. Hier merken wir nur an,
daß man im Nachdenken und in Verbindung mehrerer
Schluͤſſe, zuweilen auf Definitionen verfaͤllt, deren De-
finita
bereits unter gewiſſen Namen bekannt ſind. Die
Woͤrter, wodurch die Definition ausgedruͤcket wird, ge-
ben dieſe Namen nicht an. Sie ſollten es aber thun,
wenn unſere Sprachen weniger willkuͤhrlich und mehr
charakteriſtiſch waͤren. Denn dieſes hieße die Theorie
der Sache auf die Theorie der Zeichen reduciren. Neh-
men wir nun noch hiezu, daß eigentlich zuſammenge-
ſetzte Begriffe muͤſſen definirt werden, und daß dieſel-

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[25/0031] Erkenntniß uͤberhaupt. verwandeln ſolle, damit man eine Groͤße heraus bringe, die der geſuchten gleich iſt. §. 39. Wir merken dieſes an, weil daraus erhellet, daß Wolf allerdings Urſache hatte, zu der Leibnizi- ſchen allgemeinen Zeichenkunſt noch eine Verbin- dungskunſt der Zeichen zu fordern. Denn ſollen wir die Vergleichung weiter ausdehnen, ſo wird die Zeichenkunſt jeder einzelner Begriffe nur dem Zahlenge- baͤude, die Verbindungskunſt der Zeichen aber der Al- geber gleichen. Dieſes erhellet daraus, weil jeder Be- griff, eben ſo wie jede Zahl, etwas eigenes hat, dage- gen aber die Verbindungskunſt der Zeichen auf die all- gemeinen Verhaͤltniſſe der Begriffe, ſchlechthin als Begriffe betrachtet, geht, wie die Algeber die Groͤßen nur als Groͤßen betrachtet, und ihre Verhaͤltniſſe be- ſtimmet. §. 40. Ohne aber auf dieſe Vergleichung zu ſehen, ſo laͤßt ſich ſowohl die allgemeine Zeichenkunſt, als die Verbindungskunſt der Zeichen an ſich betrachten. Er- ſtere ſollte uns uͤberhaupt jedes Definitum durch ſeine Definition kenntlich machen. Dieſen Vor- theil gewaͤhren uns die Woͤrter unſerer Sprachen ſelten oder gar nicht. Wir werden aber dennoch im folgen- den unterſuchen, wiefern ſie dazu eingerichtet ſind, und was daran noch mangelt. Hier merken wir nur an, daß man im Nachdenken und in Verbindung mehrerer Schluͤſſe, zuweilen auf Definitionen verfaͤllt, deren De- finita bereits unter gewiſſen Namen bekannt ſind. Die Woͤrter, wodurch die Definition ausgedruͤcket wird, ge- ben dieſe Namen nicht an. Sie ſollten es aber thun, wenn unſere Sprachen weniger willkuͤhrlich und mehr charakteriſtiſch waͤren. Denn dieſes hieße die Theorie der Sache auf die Theorie der Zeichen reduciren. Neh- men wir nun noch hiezu, daß eigentlich zuſammenge- ſetzte Begriffe muͤſſen definirt werden, und daß dieſel- ben B 5

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/31>, abgerufen am 28.04.2024.