Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
V. Hauptstück.

Jst des einen Zeugen Glaubwürdigkeit vollständig, so ist
n = p = o, demnach fallen im Product alle Glieder,
u, e, weg, welches anzeigt, daß die übrigen Zeugen seine
Glaubwürdigkeit, weder vermehren noch vermindern,
weil alle übrigbleibende Fälle a sind. Hingegen wo
keines Zeugen Glaubwürdigkeit vollständig ist, da kömmt
in der Summe von allen noch immer u und e vor, und
folglich auch nur Wahrscheinlichkeit für die Aussage.

§. 238 Sind die Zeugen in der Aussage nicht ein-
stimmig, so sagen sie entweder ganz verschiedene Sachen
oder das Gegentheil, weil die Aussage immer positiv
seyn, und die Sache nicht dahin gestellt lassen solle. Sa-
gen sie ganz verschiedene Sachen, so kömmt keine Be-
rechnung der Summe ihrer Glaubwürdigkeit vor. Hin-
gegen kömmt sie vor, wenn einige das Gegentheil sagen.
Jn diesem Fall verwandelt man nur ihre Glaubwürdig-
keit in die Glaubwürdigkeit des Gegentheils, und so
wird, um bey vorigem Beyspiel zu bleiben, wenn der
zweyte Zeuge das Gegentheil aussagt,

12a + 5u + 2e

in

2a + 5u + 12e

verwandelt. Nimmt man nun den ersten Zeugen

10a + 3u + e

dazu, so ist die Summe der Glaubwürdigkeiten

76a + 15u + 53e,

welche von der vorigen merklich verschieden ist. Jst
der Zeuge, so das Gegentheil sagt, vollständig glaub-
würdig, so wird in der allgemeinen Formel M=N=o,
und so bleiben in dem Product nur die Fälle e, so daß
folglich die Glaubwürdigkeit jeder anderer Zeugen dem-
selben keinen Abbruch thut. Es ist auch an sich unmög-
lich, daß von zween Zeugen, die beyde eine vollständige

Glaub-
V. Hauptſtuͤck.

Jſt des einen Zeugen Glaubwuͤrdigkeit vollſtaͤndig, ſo iſt
n = p = o, demnach fallen im Product alle Glieder,
u, e, weg, welches anzeigt, daß die uͤbrigen Zeugen ſeine
Glaubwuͤrdigkeit, weder vermehren noch vermindern,
weil alle uͤbrigbleibende Faͤlle a ſind. Hingegen wo
keines Zeugen Glaubwuͤrdigkeit vollſtaͤndig iſt, da koͤmmt
in der Summe von allen noch immer u und e vor, und
folglich auch nur Wahrſcheinlichkeit fuͤr die Ausſage.

§. 238 Sind die Zeugen in der Ausſage nicht ein-
ſtimmig, ſo ſagen ſie entweder ganz verſchiedene Sachen
oder das Gegentheil, weil die Ausſage immer poſitiv
ſeyn, und die Sache nicht dahin geſtellt laſſen ſolle. Sa-
gen ſie ganz verſchiedene Sachen, ſo koͤmmt keine Be-
rechnung der Summe ihrer Glaubwuͤrdigkeit vor. Hin-
gegen koͤmmt ſie vor, wenn einige das Gegentheil ſagen.
Jn dieſem Fall verwandelt man nur ihre Glaubwuͤrdig-
keit in die Glaubwuͤrdigkeit des Gegentheils, und ſo
wird, um bey vorigem Beyſpiel zu bleiben, wenn der
zweyte Zeuge das Gegentheil ausſagt,

12a + 5u + 2e

in

2a + 5u + 12e

verwandelt. Nimmt man nun den erſten Zeugen

10a + 3u + e

dazu, ſo iſt die Summe der Glaubwuͤrdigkeiten

76a + 15u + 53e,

welche von der vorigen merklich verſchieden iſt. Jſt
der Zeuge, ſo das Gegentheil ſagt, vollſtaͤndig glaub-
wuͤrdig, ſo wird in der allgemeinen Formel M=N=o,
und ſo bleiben in dem Product nur die Faͤlle e, ſo daß
folglich die Glaubwuͤrdigkeit jeder anderer Zeugen dem-
ſelben keinen Abbruch thut. Es iſt auch an ſich unmoͤg-
lich, daß von zween Zeugen, die beyde eine vollſtaͤndige

Glaub-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0406" n="400"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi> </fw><lb/>
          <p>J&#x017F;t des einen Zeugen Glaubwu&#x0364;rdigkeit voll&#x017F;ta&#x0364;ndig, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/><hi rendition="#aq">n = p = o,</hi> demnach fallen im Product alle Glieder,<lb/><hi rendition="#aq">u, e,</hi> weg, welches anzeigt, daß die u&#x0364;brigen Zeugen &#x017F;eine<lb/>
Glaubwu&#x0364;rdigkeit, weder vermehren noch vermindern,<lb/>
weil alle u&#x0364;brigbleibende Fa&#x0364;lle <hi rendition="#aq">a</hi> &#x017F;ind. Hingegen wo<lb/>
keines Zeugen Glaubwu&#x0364;rdigkeit voll&#x017F;ta&#x0364;ndig i&#x017F;t, da ko&#x0364;mmt<lb/>
in der Summe von allen noch immer <hi rendition="#aq">u</hi> und <hi rendition="#aq">e</hi> vor, und<lb/>
folglich auch nur Wahr&#x017F;cheinlichkeit fu&#x0364;r die Aus&#x017F;age.</p><lb/>
          <p>§. 238 Sind die Zeugen in der Aus&#x017F;age nicht ein-<lb/>
&#x017F;timmig, &#x017F;o &#x017F;agen &#x017F;ie entweder ganz ver&#x017F;chiedene Sachen<lb/>
oder das Gegentheil, weil die Aus&#x017F;age immer po&#x017F;itiv<lb/>
&#x017F;eyn, und die Sache nicht dahin ge&#x017F;tellt la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olle. Sa-<lb/>
gen &#x017F;ie ganz ver&#x017F;chiedene Sachen, &#x017F;o ko&#x0364;mmt keine Be-<lb/>
rechnung der Summe ihrer Glaubwu&#x0364;rdigkeit vor. Hin-<lb/>
gegen ko&#x0364;mmt &#x017F;ie vor, wenn einige das Gegentheil &#x017F;agen.<lb/>
Jn die&#x017F;em Fall verwandelt man nur ihre Glaubwu&#x0364;rdig-<lb/>
keit in die Glaubwu&#x0364;rdigkeit des Gegentheils, und &#x017F;o<lb/>
wird, um bey vorigem Bey&#x017F;piel zu bleiben, wenn der<lb/>
zweyte Zeuge das Gegentheil aus&#x017F;agt,</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">12<hi rendition="#aq">a</hi> + 5<hi rendition="#aq">u</hi> + 2<hi rendition="#aq">e</hi></hi> </p><lb/>
          <p>in</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">2<hi rendition="#aq">a</hi> + 5<hi rendition="#aq">u</hi> + 12<hi rendition="#aq">e</hi></hi> </p><lb/>
          <p>verwandelt. Nimmt man nun den er&#x017F;ten Zeugen</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">10<hi rendition="#aq">a</hi> + 3<hi rendition="#aq">u + e</hi></hi> </p><lb/>
          <p>dazu, &#x017F;o i&#x017F;t die Summe der Glaubwu&#x0364;rdigkeiten</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">76<hi rendition="#aq">a</hi> + 15<hi rendition="#aq">u</hi> + 53<hi rendition="#aq">e,</hi></hi> </p><lb/>
          <p>welche von der vorigen merklich ver&#x017F;chieden i&#x017F;t. J&#x017F;t<lb/>
der Zeuge, &#x017F;o das Gegentheil &#x017F;agt, voll&#x017F;ta&#x0364;ndig glaub-<lb/>
wu&#x0364;rdig, &#x017F;o wird in der allgemeinen Formel <hi rendition="#aq">M=N=o,</hi><lb/>
und &#x017F;o bleiben in dem Product nur die Fa&#x0364;lle <hi rendition="#aq">e,</hi> &#x017F;o daß<lb/>
folglich die Glaubwu&#x0364;rdigkeit jeder anderer Zeugen dem-<lb/>
&#x017F;elben keinen Abbruch thut. Es i&#x017F;t auch an &#x017F;ich unmo&#x0364;g-<lb/>
lich, daß von zween Zeugen, die beyde eine voll&#x017F;ta&#x0364;ndige<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Glaub-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[400/0406] V. Hauptſtuͤck. Jſt des einen Zeugen Glaubwuͤrdigkeit vollſtaͤndig, ſo iſt n = p = o, demnach fallen im Product alle Glieder, u, e, weg, welches anzeigt, daß die uͤbrigen Zeugen ſeine Glaubwuͤrdigkeit, weder vermehren noch vermindern, weil alle uͤbrigbleibende Faͤlle a ſind. Hingegen wo keines Zeugen Glaubwuͤrdigkeit vollſtaͤndig iſt, da koͤmmt in der Summe von allen noch immer u und e vor, und folglich auch nur Wahrſcheinlichkeit fuͤr die Ausſage. §. 238 Sind die Zeugen in der Ausſage nicht ein- ſtimmig, ſo ſagen ſie entweder ganz verſchiedene Sachen oder das Gegentheil, weil die Ausſage immer poſitiv ſeyn, und die Sache nicht dahin geſtellt laſſen ſolle. Sa- gen ſie ganz verſchiedene Sachen, ſo koͤmmt keine Be- rechnung der Summe ihrer Glaubwuͤrdigkeit vor. Hin- gegen koͤmmt ſie vor, wenn einige das Gegentheil ſagen. Jn dieſem Fall verwandelt man nur ihre Glaubwuͤrdig- keit in die Glaubwuͤrdigkeit des Gegentheils, und ſo wird, um bey vorigem Beyſpiel zu bleiben, wenn der zweyte Zeuge das Gegentheil ausſagt, 12a + 5u + 2e in 2a + 5u + 12e verwandelt. Nimmt man nun den erſten Zeugen 10a + 3u + e dazu, ſo iſt die Summe der Glaubwuͤrdigkeiten 76a + 15u + 53e, welche von der vorigen merklich verſchieden iſt. Jſt der Zeuge, ſo das Gegentheil ſagt, vollſtaͤndig glaub- wuͤrdig, ſo wird in der allgemeinen Formel M=N=o, und ſo bleiben in dem Product nur die Faͤlle e, ſo daß folglich die Glaubwuͤrdigkeit jeder anderer Zeugen dem- ſelben keinen Abbruch thut. Es iſt auch an ſich unmoͤg- lich, daß von zween Zeugen, die beyde eine vollſtaͤndige Glaub-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/406
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/406>, abgerufen am 12.05.2024.