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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Erkenntniß überhaupt.
fordern, und nach geschehener Zeichnung nimmt man
den Rückweg, wie ihn die Zeichnung angiebt, um die
Regel herauszubringen, wodurch die gesuchten zwo
Größen durch Rechnung oder durch die bisher in der
Meßkunst übliche Construction gefunden werden können.

§. 61. Beyde Uebersetzungen gründen sich auf die
Bedeutung der Zeichen. Diese ist nun ebenfalls
wiederum von zweyerley Arten. Ein Zeichen bedeu-
tet
schlechthin die dadurch vorgestellte Sache, so fern
es willkührlich ist, das will sagen, so fern es mit der
Sache keine solche Aehnlichkeit hat, daß es ein sinnli-
ches Bild derselben wäre. So z. E. sind in der Alge-
ber die Buchstaben, wodurch man die Größen vorstel-
let, imgleichen die Zeichen + -- · : etc. willkührlich, hin-
gegen haben die Zeichen > < = schon mehr Aehn-
lichkeit mit der dadurch vorgestellten Sache, ungeachtet
sie noch nicht so weit geht, daß sie zu den vorhin (§. 58.)
erwähnten vollkommenen Zeichen gerechnet werden könn-
ten, welche nicht eine bloße Bedeutung haben, sondern
gewissermaßen eine systematische Abbildung der Sa-
che sind.

§. 62. Jndessen ist diese Abbildung, so ferne Zei-
chen Zeichen bleiben sollen, niemals so vollständig, daß
nicht einige Unähnlichkeit zurücke bliebe. Denn ist die
Sache, welche gezeichnet werden soll, wirklich eine Fi-
gur, so läßt man aus der Zeichnung als überflüßig weg,
was an der Theorie nichts ändert. Dieses fordert die
Kürze der Zeichen, und die Vermeidung der Verwir-
rung. Hievon giebt die Choreographie Beyspiele
(§. 52.). Und überhaupt kann man hieher rechnen,
was die Mathematiker auf Figuren reduciren, und durch
bloße Unwisse vorstellen. Jst aber die Sache, die ge-
zeichnet werden soll, nicht eine Figur, so beruht die
Aehnlichkeit zwischen den Zeichen und der Sache auf
der Aehnlichkeit des Eindruckes, den beyde machen

(§. 46.
C 4

Erkenntniß uͤberhaupt.
fordern, und nach geſchehener Zeichnung nimmt man
den Ruͤckweg, wie ihn die Zeichnung angiebt, um die
Regel herauszubringen, wodurch die geſuchten zwo
Groͤßen durch Rechnung oder durch die bisher in der
Meßkunſt uͤbliche Conſtruction gefunden werden koͤnnen.

§. 61. Beyde Ueberſetzungen gruͤnden ſich auf die
Bedeutung der Zeichen. Dieſe iſt nun ebenfalls
wiederum von zweyerley Arten. Ein Zeichen bedeu-
tet
ſchlechthin die dadurch vorgeſtellte Sache, ſo fern
es willkuͤhrlich iſt, das will ſagen, ſo fern es mit der
Sache keine ſolche Aehnlichkeit hat, daß es ein ſinnli-
ches Bild derſelben waͤre. So z. E. ſind in der Alge-
ber die Buchſtaben, wodurch man die Groͤßen vorſtel-
let, imgleichen die Zeichen + — · : ꝛc. willkuͤhrlich, hin-
gegen haben die Zeichen > < = ſchon mehr Aehn-
lichkeit mit der dadurch vorgeſtellten Sache, ungeachtet
ſie noch nicht ſo weit geht, daß ſie zu den vorhin (§. 58.)
erwaͤhnten vollkommenen Zeichen gerechnet werden koͤnn-
ten, welche nicht eine bloße Bedeutung haben, ſondern
gewiſſermaßen eine ſyſtematiſche Abbildung der Sa-
che ſind.

§. 62. Jndeſſen iſt dieſe Abbildung, ſo ferne Zei-
chen Zeichen bleiben ſollen, niemals ſo vollſtaͤndig, daß
nicht einige Unaͤhnlichkeit zuruͤcke bliebe. Denn iſt die
Sache, welche gezeichnet werden ſoll, wirklich eine Fi-
gur, ſo laͤßt man aus der Zeichnung als uͤberfluͤßig weg,
was an der Theorie nichts aͤndert. Dieſes fordert die
Kuͤrze der Zeichen, und die Vermeidung der Verwir-
rung. Hievon giebt die Choreographie Beyſpiele
(§. 52.). Und uͤberhaupt kann man hieher rechnen,
was die Mathematiker auf Figuren reduciren, und durch
bloße Unwiſſe vorſtellen. Jſt aber die Sache, die ge-
zeichnet werden ſoll, nicht eine Figur, ſo beruht die
Aehnlichkeit zwiſchen den Zeichen und der Sache auf
der Aehnlichkeit des Eindruckes, den beyde machen

(§. 46.
C 4
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[39/0045] Erkenntniß uͤberhaupt. fordern, und nach geſchehener Zeichnung nimmt man den Ruͤckweg, wie ihn die Zeichnung angiebt, um die Regel herauszubringen, wodurch die geſuchten zwo Groͤßen durch Rechnung oder durch die bisher in der Meßkunſt uͤbliche Conſtruction gefunden werden koͤnnen. §. 61. Beyde Ueberſetzungen gruͤnden ſich auf die Bedeutung der Zeichen. Dieſe iſt nun ebenfalls wiederum von zweyerley Arten. Ein Zeichen bedeu- tet ſchlechthin die dadurch vorgeſtellte Sache, ſo fern es willkuͤhrlich iſt, das will ſagen, ſo fern es mit der Sache keine ſolche Aehnlichkeit hat, daß es ein ſinnli- ches Bild derſelben waͤre. So z. E. ſind in der Alge- ber die Buchſtaben, wodurch man die Groͤßen vorſtel- let, imgleichen die Zeichen + — · : ꝛc. willkuͤhrlich, hin- gegen haben die Zeichen > < = ſchon mehr Aehn- lichkeit mit der dadurch vorgeſtellten Sache, ungeachtet ſie noch nicht ſo weit geht, daß ſie zu den vorhin (§. 58.) erwaͤhnten vollkommenen Zeichen gerechnet werden koͤnn- ten, welche nicht eine bloße Bedeutung haben, ſondern gewiſſermaßen eine ſyſtematiſche Abbildung der Sa- che ſind. §. 62. Jndeſſen iſt dieſe Abbildung, ſo ferne Zei- chen Zeichen bleiben ſollen, niemals ſo vollſtaͤndig, daß nicht einige Unaͤhnlichkeit zuruͤcke bliebe. Denn iſt die Sache, welche gezeichnet werden ſoll, wirklich eine Fi- gur, ſo laͤßt man aus der Zeichnung als uͤberfluͤßig weg, was an der Theorie nichts aͤndert. Dieſes fordert die Kuͤrze der Zeichen, und die Vermeidung der Verwir- rung. Hievon giebt die Choreographie Beyſpiele (§. 52.). Und uͤberhaupt kann man hieher rechnen, was die Mathematiker auf Figuren reduciren, und durch bloße Unwiſſe vorſtellen. Jſt aber die Sache, die ge- zeichnet werden ſoll, nicht eine Figur, ſo beruht die Aehnlichkeit zwiſchen den Zeichen und der Sache auf der Aehnlichkeit des Eindruckes, den beyde machen (§. 46. C 4

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/45>, abgerufen am 27.04.2024.