Lange, Helene: Die Frauen und das politische Leben. Berlin, 1909.gerichte, die Handwerker-, Handels- und Arbeitskammern, die Bei diesen Mittelinstanzen, die ihre Rechte jedem Berufs- gerichte, die Handwerker-, Handels- und Arbeitskammern, die Bei diesen Mittelinstanzen, die ihre Rechte jedem Berufs- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0013" n="7"/> gerichte, die Handwerker-, Handels- und Arbeitskammern, die<lb/> Selbstverwaltungsbehörden des Versicherungswesens usw.</p><lb/> <p>Bei diesen Mittelinstanzen, die ihre Rechte jedem Berufs-<lb/> angehörigen gewährten, mußte zuerst die Frage entstehen, wieweit<lb/> solche aus der Berufszugehörigkeit erwachsenden öffentlichen<lb/> Rechte auch den Frauen zugestanden werden sollten. Es ist<lb/> sehr merkwürdig, wie sich die Lösung dieser Frage von Fall zu<lb/> Fall in Deutschland vollzogen hat. Sie wurde zum ersten<lb/> Male brennend bei der Verhandlung über das Krankenkassen-<lb/> gesetz im Jahre 1883. Damals sah der Regierungsentwurf die<lb/> Beteiligung der Frauen an der Selbstverwaltung der Kranken-<lb/> kassen durch volles aktives und passives Wahlrecht vor; aber<lb/> es kostete einen lebhaften Kampf in der Kommission und im<lb/> Plenum, bis dieser Vorschlag eine Majorität fand. Der Haupt-<lb/> grund, den die Gegner anführten, ist für alle folgenden Ver-<lb/> handlungen über verwandte Rechte stereotyp geworden. Man<lb/> fürchtete „den ersten Schritt zur grundsätzlichen Emanzipation<lb/> des weiblichen Geschlechtes im öffentlichen Leben“. Als nun<lb/> die Wahlberechtigung der Frau für die Krankenkassen ein-<lb/> geführt war und als ein neues Problem das Wahlrecht für<lb/> die Gewerbegerichte auftauchte, da versuchten dieselben Leute,<lb/> die diesen ersten Schritt zur Emanzipation der Frau im<lb/> öffentlichen Leben gefürchtet hatten, das Krankenkassenwahlrecht<lb/> als ein <hi rendition="#g">unpolitisches</hi> hinzustellen, um sich die unbequeme<lb/> Tatsache eines Präzedenzfalles aus der Welt zu schaffen. Wieder<lb/> heißt es, „es würde ein verhängnisvoller Schritt sein, wenn<lb/> man hier – bei den Gewerbegerichten – zum ersten Male<lb/> weiblichen Personen ein politisches Recht erteilen wolle; denn<lb/> daß die Wahl eines Richters ein politisches Recht sei, könne<lb/> keinem Zweifel unterliegen. Wenn man diese Forderung zu-<lb/> gestehe, so würden die Vertreter derselben alsbald dazu über-<lb/> gehen, auch weitere politische Rechte für weibliche Personen zu<lb/> verlangen, und wir würden sehr bald vor die Frage gestellt<lb/> werden, ob nicht auch für die Wahlen zu den Volks- und<lb/> Gemeindevertretungen den weiblichen Personen das aktive<lb/> Wahlrecht zuzugestehen sei.“ Diese Erwägungen haben ja<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [7/0013]
gerichte, die Handwerker-, Handels- und Arbeitskammern, die
Selbstverwaltungsbehörden des Versicherungswesens usw.
Bei diesen Mittelinstanzen, die ihre Rechte jedem Berufs-
angehörigen gewährten, mußte zuerst die Frage entstehen, wieweit
solche aus der Berufszugehörigkeit erwachsenden öffentlichen
Rechte auch den Frauen zugestanden werden sollten. Es ist
sehr merkwürdig, wie sich die Lösung dieser Frage von Fall zu
Fall in Deutschland vollzogen hat. Sie wurde zum ersten
Male brennend bei der Verhandlung über das Krankenkassen-
gesetz im Jahre 1883. Damals sah der Regierungsentwurf die
Beteiligung der Frauen an der Selbstverwaltung der Kranken-
kassen durch volles aktives und passives Wahlrecht vor; aber
es kostete einen lebhaften Kampf in der Kommission und im
Plenum, bis dieser Vorschlag eine Majorität fand. Der Haupt-
grund, den die Gegner anführten, ist für alle folgenden Ver-
handlungen über verwandte Rechte stereotyp geworden. Man
fürchtete „den ersten Schritt zur grundsätzlichen Emanzipation
des weiblichen Geschlechtes im öffentlichen Leben“. Als nun
die Wahlberechtigung der Frau für die Krankenkassen ein-
geführt war und als ein neues Problem das Wahlrecht für
die Gewerbegerichte auftauchte, da versuchten dieselben Leute,
die diesen ersten Schritt zur Emanzipation der Frau im
öffentlichen Leben gefürchtet hatten, das Krankenkassenwahlrecht
als ein unpolitisches hinzustellen, um sich die unbequeme
Tatsache eines Präzedenzfalles aus der Welt zu schaffen. Wieder
heißt es, „es würde ein verhängnisvoller Schritt sein, wenn
man hier – bei den Gewerbegerichten – zum ersten Male
weiblichen Personen ein politisches Recht erteilen wolle; denn
daß die Wahl eines Richters ein politisches Recht sei, könne
keinem Zweifel unterliegen. Wenn man diese Forderung zu-
gestehe, so würden die Vertreter derselben alsbald dazu über-
gehen, auch weitere politische Rechte für weibliche Personen zu
verlangen, und wir würden sehr bald vor die Frage gestellt
werden, ob nicht auch für die Wahlen zu den Volks- und
Gemeindevertretungen den weiblichen Personen das aktive
Wahlrecht zuzugestehen sei.“ Diese Erwägungen haben ja
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(2022-03-24T10:53:44Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Dennis Dietrich: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2022-03-24T10:53:44Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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