Lange, Helene: Frauenwahlrecht. In: Cosmopolis – an international monthly review, hrsg. v. F. Ortmans, Heft III. London u. a., 1896, S. 539–554.darf wol sagen, dass Gladstone allein, auf dessen Autorität die Es würde zu weit führen, die historischen Gründe für diese Es ist in hohem Grade charakteristisch, dass nur die darf wol sagen, dass Gladstone allein, auf dessen Autorität die Es würde zu weit führen, die historischen Gründe für diese Es ist in hohem Grade charakteristisch, dass nur die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0013" n="550"/> darf wol sagen, dass Gladstone allein, auf dessen Autorität die<lb/> kleine Majorität von 23 Stimmen zurückzuführen ist, die 1892<lb/> die Annahme des Frauenstimmrechts hinderte, die Ursache der<lb/> Verzögerung ist, trotz seiner „first principles,“ — dass endlich<lb/> Deutschland mit seiner lastenden Büreaukratie, seinem Schematismus<lb/> und Militarismus in dieser Frage am allerweitesten<lb/> zurück ist.</p><lb/> <p>Es würde zu weit führen, die historischen Gründe für diese<lb/> Erscheinung hier zu untersuchen. Die mehrmalige völlige<lb/> oder teilweise Zerstörung der deutschen Kultur durch grosse<lb/> Kriege, in denen nur der Mann galt, möchte für die geringe<lb/> Schätzung der Fähigkeiten der Frau — abgesehen von der<lb/> traditionellen Hochhaltung der „Hausfrau,“ worunter man<lb/> vielfach nur die gute Köchin versteht — garnicht hoch genug<lb/> angeschlagen werden können. Ueberdies ist in Deutschland<lb/> der geistige Abstand der Geschlechter — durch den guten<lb/> Unterricht der Knaben und Jünglinge, den völlig ungenügenden<lb/> der Mädchen — grösser als anderswo. Als Motto wenigstens<lb/> für das Empfinden der älteren Generation dürfte das Wort<lb/> gelten: „Darfst mich niedre Magd nicht kennen, hoher<lb/> Stern der Herrlichkeit.“ Mit der älteren Generation ist daher<lb/> auch nicht zu rechnen; sie muss in dieser Frage zu den Toten<lb/> geworfen werden. Ihre Männer sind noch mit zu viel<lb/> Paschagefühl aufgewachsen, die Frauen in zu spezifisch<lb/> deutscher „Weiblichkeit,“ die die Augen schloss vor der<lb/> Schmach der Frau.</p><lb/> <p>Es ist in hohem Grade charakteristisch, dass nur die<lb/> sozialdemokratische Partei das Frauenstimmrecht auf ihr<lb/> Programm gesetzt hat. Die Frau des Arbeiters hat in<lb/> gewisser Weise ihre Gleichberechtigung mit dem Manne in<lb/> höherem Maasse bewiesen als die der sogenannten höheren<lb/> Stände. Sie ringt wie er um das Leben; sie interessirt sich wie<lb/> er für allgemeine Fragen — ob ihre Anschauungen richtig oder<lb/> falsch sind, darauf kommt es hier nicht an. Keine der anderen<lb/> Parteien hat die Frau jemals ernst genug genommen, um auch<lb/> nur den Gedanken an eine Gleichberechtigung zu fassen; auch<lb/> die sogenannten liberalen Parteien sind für die Fraueninteressen<lb/> fast nur mit billigen Phrasen eingetreten. Die<lb/> Erklärung dafür liegt auf der Hand: die Frauen ihrer Kreise<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [550/0013]
darf wol sagen, dass Gladstone allein, auf dessen Autorität die
kleine Majorität von 23 Stimmen zurückzuführen ist, die 1892
die Annahme des Frauenstimmrechts hinderte, die Ursache der
Verzögerung ist, trotz seiner „first principles,“ — dass endlich
Deutschland mit seiner lastenden Büreaukratie, seinem Schematismus
und Militarismus in dieser Frage am allerweitesten
zurück ist.
Es würde zu weit führen, die historischen Gründe für diese
Erscheinung hier zu untersuchen. Die mehrmalige völlige
oder teilweise Zerstörung der deutschen Kultur durch grosse
Kriege, in denen nur der Mann galt, möchte für die geringe
Schätzung der Fähigkeiten der Frau — abgesehen von der
traditionellen Hochhaltung der „Hausfrau,“ worunter man
vielfach nur die gute Köchin versteht — garnicht hoch genug
angeschlagen werden können. Ueberdies ist in Deutschland
der geistige Abstand der Geschlechter — durch den guten
Unterricht der Knaben und Jünglinge, den völlig ungenügenden
der Mädchen — grösser als anderswo. Als Motto wenigstens
für das Empfinden der älteren Generation dürfte das Wort
gelten: „Darfst mich niedre Magd nicht kennen, hoher
Stern der Herrlichkeit.“ Mit der älteren Generation ist daher
auch nicht zu rechnen; sie muss in dieser Frage zu den Toten
geworfen werden. Ihre Männer sind noch mit zu viel
Paschagefühl aufgewachsen, die Frauen in zu spezifisch
deutscher „Weiblichkeit,“ die die Augen schloss vor der
Schmach der Frau.
Es ist in hohem Grade charakteristisch, dass nur die
sozialdemokratische Partei das Frauenstimmrecht auf ihr
Programm gesetzt hat. Die Frau des Arbeiters hat in
gewisser Weise ihre Gleichberechtigung mit dem Manne in
höherem Maasse bewiesen als die der sogenannten höheren
Stände. Sie ringt wie er um das Leben; sie interessirt sich wie
er für allgemeine Fragen — ob ihre Anschauungen richtig oder
falsch sind, darauf kommt es hier nicht an. Keine der anderen
Parteien hat die Frau jemals ernst genug genommen, um auch
nur den Gedanken an eine Gleichberechtigung zu fassen; auch
die sogenannten liberalen Parteien sind für die Fraueninteressen
fast nur mit billigen Phrasen eingetreten. Die
Erklärung dafür liegt auf der Hand: die Frauen ihrer Kreise
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