Lange, Helene: Frauenwahlrecht. In: Cosmopolis – an international monthly review, hrsg. v. F. Ortmans, Heft III. London u. a., 1896, S. 539–554.öffentliches Wol nur Männerwol. Und wenn wir die Dem geschichtlich bewährten Ideal des männlichen Staates! öffentliches Wol nur Männerwol. Und wenn wir die Dem geschichtlich bewährten Ideal des männlichen Staates! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0009" n="546"/> öffentliches Wol nur Männerwol. Und wenn wir die<lb/> Prophezeiungen näher untersuchen, die im Zusammenhang<lb/> mit der Erörterung dieser Fragen gemacht werden, so laufen<lb/> sie jedesmal darauf hinaus, dass der einseitige Charakter, den<lb/> jetzt ungehindert der Mann dem öffentlichen Leben aufdrückt<lb/> und der nur <hi rendition="#i">seine</hi> Eigenart darstellt, eine Aenderung erfährt.<lb/> Nun, eben das erscheint uns nötig. Denn was wirklich<lb/><hi rendition="#i">öffentliches</hi> Wol, d.h. das Wol der Männer <hi rendition="#i">und</hi> Frauen, das<lb/> Wol der Familien, bedeutet, das kann nur in gemeinsamer<lb/> Verständigung beider Geschlechter gefunden werden. Das ist<lb/> die Wahrheit, die am schwersten eingehen wird. Eine frauenfeindliche<lb/> Berliner Zeitung — leider ein sehr umfassender Gattungsbegriff<lb/> — veröffentlichte vor Kurzem ein Gutachten des<lb/> Rechtslehrers Otto Gierke über „die akademische Frau.“ Er<lb/> prophezeit der Gesamtheit das Verderben, wenn man der<lb/> „radikalen Frauenrechtsbewegung“ Boden verstatte, und<lb/> predigt das principiis obsta. „Wer dem geschichtlich<lb/> bewährten Ideal des männlichen Staates die Treue hält, würde<lb/> thöricht sein, wenn er ein Zugeständnis machte.“</p><lb/> <p>Dem geschichtlich bewährten Ideal des männlichen Staates!<lb/> Difficile est satiram non scribere! Da stehen am Schluss des<lb/> Jahrhunderts die Völker bis an die Zähne bewaffnet einander<lb/> gegenüber. Der Alkoholismus steigt rapide und füllt die<lb/> Zuchthäuser, aber die Branntweinbrennereien erhalten in<lb/> Deutschland Liebesgaben. Die Zahl der jugendlichen Verbrecher<lb/> wächst von Jahr zu Jahr, aber aufsichtslos überlässt<lb/> man die proletarische Jugend dem Einfluss der Strasse;<lb/> Uebersättigung, Blasirtheit, fin-de-siècle-Stimmung, wie sie<lb/> nur je vor einem grossen Zusammenbruch herrschte, hat<lb/> Völker und Individuen ergriffen. Schopenhauer ist übertrumpft<lb/> von Stirner und Nietzsche; in der Kunst überbietet<lb/> ein Raffinement, eine Effekthascherei die andere; aus der<lb/> Litteratur der Modernen steigt ein Verwesungsgeruch empor,<lb/> der die Nerven benimmt. Denn der Männerstaat hat dafür<lb/> gesorgt, dass der Jüngling seine Studien über die Frau an der<lb/> Dirne macht und den ganzen Ekel mit ins Leben nimmt, der<lb/> damit zusammenhängt. Die monogamische Ehe ist zur Fiktion<lb/> geworden. Und was die Parlamente anbetrifft, so möchte<lb/> folgende Schilderung eines Amerikaners nicht unzutreffend<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [546/0009]
öffentliches Wol nur Männerwol. Und wenn wir die
Prophezeiungen näher untersuchen, die im Zusammenhang
mit der Erörterung dieser Fragen gemacht werden, so laufen
sie jedesmal darauf hinaus, dass der einseitige Charakter, den
jetzt ungehindert der Mann dem öffentlichen Leben aufdrückt
und der nur seine Eigenart darstellt, eine Aenderung erfährt.
Nun, eben das erscheint uns nötig. Denn was wirklich
öffentliches Wol, d.h. das Wol der Männer und Frauen, das
Wol der Familien, bedeutet, das kann nur in gemeinsamer
Verständigung beider Geschlechter gefunden werden. Das ist
die Wahrheit, die am schwersten eingehen wird. Eine frauenfeindliche
Berliner Zeitung — leider ein sehr umfassender Gattungsbegriff
— veröffentlichte vor Kurzem ein Gutachten des
Rechtslehrers Otto Gierke über „die akademische Frau.“ Er
prophezeit der Gesamtheit das Verderben, wenn man der
„radikalen Frauenrechtsbewegung“ Boden verstatte, und
predigt das principiis obsta. „Wer dem geschichtlich
bewährten Ideal des männlichen Staates die Treue hält, würde
thöricht sein, wenn er ein Zugeständnis machte.“
Dem geschichtlich bewährten Ideal des männlichen Staates!
Difficile est satiram non scribere! Da stehen am Schluss des
Jahrhunderts die Völker bis an die Zähne bewaffnet einander
gegenüber. Der Alkoholismus steigt rapide und füllt die
Zuchthäuser, aber die Branntweinbrennereien erhalten in
Deutschland Liebesgaben. Die Zahl der jugendlichen Verbrecher
wächst von Jahr zu Jahr, aber aufsichtslos überlässt
man die proletarische Jugend dem Einfluss der Strasse;
Uebersättigung, Blasirtheit, fin-de-siècle-Stimmung, wie sie
nur je vor einem grossen Zusammenbruch herrschte, hat
Völker und Individuen ergriffen. Schopenhauer ist übertrumpft
von Stirner und Nietzsche; in der Kunst überbietet
ein Raffinement, eine Effekthascherei die andere; aus der
Litteratur der Modernen steigt ein Verwesungsgeruch empor,
der die Nerven benimmt. Denn der Männerstaat hat dafür
gesorgt, dass der Jüngling seine Studien über die Frau an der
Dirne macht und den ganzen Ekel mit ins Leben nimmt, der
damit zusammenhängt. Die monogamische Ehe ist zur Fiktion
geworden. Und was die Parlamente anbetrifft, so möchte
folgende Schilderung eines Amerikaners nicht unzutreffend
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