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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 9, 13-15. an die Römer.
[Spaltenumbruch] Zugang zum Jüdischen Gottesdienst offen stund,
sie auch denselben guten theils mit angenom-
men, zumal in den letzten Zeiten, da sie auch
die Beschneidung mit übernommen haben,
nemlich zu den Zeiten des Maccabäischen Re-
giments unter dem Johanne Hyrcano, der sie
der Jüdischen Republic unterwürfig machte,
wie Josephus Antiquit. L. XIII. c. 17. bezeuget.
Dahin denn auch diejenigen Weissagungen von
den Esauiten oder Edomitern gehören, darin-
nen ihnen die Gemeinschaft am Reiche des
Meßiä verheissen wird; als Jes. 11, 14. und
sonderlich Amos 9, 11. 12.
4. Hieraus ist nun offenbar, daß das
hassen, welches von GOtt gegen den Esau
und seine Nachkommen gesaget wird, nicht zu
verstehen ist von einem eigentlichen Hasse, viel-
weniger von einem solchen, dadurch der gan-
tzen Nation und ihrem Stammvater die Selig-
keit abgesprochen worden; sondern daß es so
viel heisse, als weniger lieben, und dem an-
dern in der Liebe nachsetzen. Und, weil dieses
wol pfleget für einen Haß angesehen zu wer-
den; so ist davon das Wort behalten. Das
aber auch die Mundart der Hebräer das Wort
nicht ungewöhnlich in solchem Verstande ge-
nommen habe, siehet man aus 1 B. Mos. 29,
31. 33. alwo von der Lea stehet, daß sie dem Ja-
cob verhasset gewesen: welches aber nicht an-
ders, als nach v. 30. (er hatte Rahel lieber
denn Lea)
von einer wenigern Liebe des Ja-
cobs kan verstanden werden: wie es denn da-
her Lutherus auch vertiret hat: unwerth seyn.
Und in solchem Sinne gebrauchet unser Heiland
das Wort hassen selbst, wenn er Luc. 14, 26.
spricht: So iemand zu mir kömmt, und
hasset nicht seinen Vater, Mutter, Weib,
Kind, Brüder, Schwestern, auch dazu
sein eigen Leben, der kan nicht mein Jün-
ger seyn.
Da man gar klärlich siehet, daß
hassen so viel ist, als in der Liebe auf gewisse
Art hindansetzen, oder weniger lieben. Und
also wird es auch Matth. 10, 37. erkläret, wenn
es heißt: Wer Vater und Mutter mehr
liebet,
(die er doch weniger lieben solte) denn
mich, der ist mein nicht werth. Und
wer Sohn und Tochter mehr liebet,
denn mich, der ist mein nicht werth.
Al-
so auch Joh. 12, 25. Wer sein Leben lieb
hat, der wirds verlieren: und wer sein
Leben auf dieser Welt hasset,
(weniger
liebet) der wirds erhalten zum ewigen
Leben.
V. 14.

Was wollen wir denn hie (oder dazu,
daß GOtt nicht auf das Recht der ersten Ge-
burt, noch auf die Abstammung von Abraham,
noch auf einige eigene Verdienste der Menschen
gesehen, und auch noch itzo im Reiche des Mes-
siä nicht darauf siehet) sagen? Jst denn
GOtt ungerecht?
(da er also verfähret: wie
einer gedencken, oder mit einem auf seine Vor-
rechte wider die Heiden sich verlassenden Juden
sagen mögte:) Das sey ferne: (als welches
aus dem, was davon vorgestellet worden, gar
[Spaltenumbruch] nicht folget. Hat doch wol ein blosser Mensch,
sonderlich ein grosser Herr, die Freyheit, dieses
und jenes nach seinem Wohlgefallen einzurich-
ten, und, ob er gleich alle Unterthanen liebet
und löblich regiret, diesen und jenen den andern
in besonderer Liebe vorzuziehen: wie solte denn
solche Freyheit GOtt nicht ohne Ungerechtigkeit
können zukommen? und zwar in solchen Din-
gen, darinnen durch des einen Vorzug dem an-
dern an seiner an sich selbst gar reichen Gnade
nichts abgehet; und darinnen er zeigen wollen,
wie man sich vor ihm keiner Vorzüge und Ver-
dienste zu rühmen, und dadurch die Seligkeit zu
suchen habe, sondern nur allein von seiner al-
len offen stehenden Gnade dependiren soll. Sie-
he auch Deut. 32, 4. 2 Chron. 19, 7. Job. 8, 3.
c. 34, 10. Röm. 3, 3. 6.)

V. 15.

Denn er spricht zu Mose (Exod. 32, 19.)
welchem ich gnädig bin, dem bin ich gnä-
dig, und welches ich mich erbarme, deß er-
barme ich mich.

Anmerckungen.
1. Diese Worte sprach GOtt zu Mose, als
sich das Volck, welches er des angerichteten Käl-
ber-Dienstes wegen vertilgen wolte, bußfertig
erwiesen, und GOtt sich daher gegen dasselbe
aufs neue wieder gar gnädig erzeiget, und Mosi,
da er den Sohn GOttes von Angesicht zu Ange-
sicht zu sehen begehrete, versprach, daß er seinen
Sohn in menschlicher Gestalt, aber auch in sei-
ner Herrlichkeit, vor ihm vorüber gehen, und, da
ihme dessen Majestät von vorne zu sehen uner-
träglich seyn würde, ihn denselben von hintenzu
sehen lassen wolte.
2. Bey diesem so liebreichen Verspruch
GOttes, daß sich der Sohn GOttes, als der
Meßias, Mosi in seiner Herrlichkeit solcher
Gestalt sichtbar zeigen würde, schickte sich
nichts besser, als die dabey befindliche und von
Paulo alhie angeführte Declaration von dem
Beweise der Gnade und Barmhertzigkeit
in dem Meßia,
als dem Haupt-Jnnhalt des
neuen Bundes, und dem Haupt-Gute des Mes-
sianischen Reichs; wie es nemlich darinnen
nicht auf eigene Verdienste, oder diese und je-
ne äusserliche Vorrechte, sondern allein auf
die freye Gnade und Barmhertzigkeit GOttes
ankommen, und allen denen, welche nach dem
Exempel der bußfertigen Jsraeliten dieselbe in
der Erkäntniß ihrer Unwürdigkeit durch den
Glauben an den Meßiam suchen und ergreifen
würden, umsonst geschencket werden solte.
3. Die Zusammenfügung der Worte gnä-
dig
und barmhertzig seyn, und denn die Ver-
doppelung derselben: Welchem ich gnädig
bin, dem bin ich gnädig
etc. Zeiget an,
theils die Grösse und den Reichthum der
Gnade und der Barmhertzigkeit; wie auch der-
selben Lauterkeit, im Gegensatz auf eigne
Verdienste und Würdigkeit: wie nemlich
Gnade eine eigentliche Gnade, Barmhertzig-
keit eine eigentliche Barmhertzigkeit sey und kei-
ne eigne Würdigkeit, kein eignes Verdienst
bey
Cap. 9, 13-15. an die Roͤmer.
[Spaltenumbruch] Zugang zum Juͤdiſchen Gottesdienſt offen ſtund,
ſie auch denſelben guten theils mit angenom-
men, zumal in den letzten Zeiten, da ſie auch
die Beſchneidung mit uͤbernommen haben,
nemlich zu den Zeiten des Maccabaͤiſchen Re-
giments unter dem Johanne Hyrcano, der ſie
der Juͤdiſchen Republic unterwuͤrfig machte,
wie Joſephus Antiquit. L. XIII. c. 17. bezeuget.
Dahin denn auch diejenigen Weiſſagungen von
den Eſauiten oder Edomitern gehoͤren, darin-
nen ihnen die Gemeinſchaft am Reiche des
Meßiaͤ verheiſſen wird; als Jeſ. 11, 14. und
ſonderlich Amos 9, 11. 12.
4. Hieraus iſt nun offenbar, daß das
haſſen, welches von GOtt gegen den Eſau
und ſeine Nachkommen geſaget wird, nicht zu
verſtehen iſt von einem eigentlichen Haſſe, viel-
weniger von einem ſolchen, dadurch der gan-
tzen Nation und ihrem Stammvater die Selig-
keit abgeſprochen worden; ſondern daß es ſo
viel heiſſe, als weniger lieben, und dem an-
dern in der Liebe nachſetzen. Und, weil dieſes
wol pfleget fuͤr einen Haß angeſehen zu wer-
den; ſo iſt davon das Wort behalten. Das
aber auch die Mundart der Hebraͤer das Wort
nicht ungewoͤhnlich in ſolchem Verſtande ge-
nommen habe, ſiehet man aus 1 B. Moſ. 29,
31. 33. alwo von der Lea ſtehet, daß ſie dem Ja-
cob verhaſſet geweſen: welches aber nicht an-
ders, als nach v. 30. (er hatte Rahel lieber
denn Lea)
von einer wenigern Liebe des Ja-
cobs kan verſtanden werden: wie es denn da-
her Lutherus auch vertiret hat: unwerth ſeyn.
Und in ſolchem Sinne gebrauchet unſer Heiland
das Wort haſſen ſelbſt, wenn er Luc. 14, 26.
ſpricht: So iemand zu mir koͤmmt, und
haſſet nicht ſeinen Vater, Mutter, Weib,
Kind, Bruͤder, Schweſtern, auch dazu
ſein eigen Leben, der kan nicht mein Juͤn-
ger ſeyn.
Da man gar klaͤrlich ſiehet, daß
haſſen ſo viel iſt, als in der Liebe auf gewiſſe
Art hindanſetzen, oder weniger lieben. Und
alſo wird es auch Matth. 10, 37. erklaͤret, wenn
es heißt: Wer Vater und Mutter mehr
liebet,
(die er doch weniger lieben ſolte) denn
mich, der iſt mein nicht werth. Und
wer Sohn und Tochter mehr liebet,
denn mich, der iſt mein nicht werth.
Al-
ſo auch Joh. 12, 25. Wer ſein Leben lieb
hat, der wirds verlieren: und wer ſein
Leben auf dieſer Welt haſſet,
(weniger
liebet) der wirds erhalten zum ewigen
Leben.
V. 14.

Was wollen wir denn hie (oder dazu,
daß GOtt nicht auf das Recht der erſten Ge-
burt, noch auf die Abſtammung von Abraham,
noch auf einige eigene Verdienſte der Menſchen
geſehen, und auch noch itzo im Reiche des Meſ-
ſiaͤ nicht darauf ſiehet) ſagen? Jſt denn
GOtt ungerecht?
(da er alſo verfaͤhret: wie
einer gedencken, oder mit einem auf ſeine Vor-
rechte wider die Heiden ſich verlaſſenden Juden
ſagen moͤgte:) Das ſey ferne: (als welches
aus dem, was davon vorgeſtellet worden, gar
[Spaltenumbruch] nicht folget. Hat doch wol ein bloſſer Menſch,
ſonderlich ein groſſer Herr, die Freyheit, dieſes
und jenes nach ſeinem Wohlgefallen einzurich-
ten, und, ob er gleich alle Unterthanen liebet
und loͤblich regiret, dieſen und jenen den andern
in beſonderer Liebe vorzuziehen: wie ſolte denn
ſolche Freyheit GOtt nicht ohne Ungerechtigkeit
koͤnnen zukommen? und zwar in ſolchen Din-
gen, darinnen durch des einen Vorzug dem an-
dern an ſeiner an ſich ſelbſt gar reichen Gnade
nichts abgehet; und darinnen er zeigen wollen,
wie man ſich vor ihm keiner Vorzuͤge und Ver-
dienſte zu ruͤhmen, und dadurch die Seligkeit zu
ſuchen habe, ſondern nur allein von ſeiner al-
len offen ſtehenden Gnade dependiren ſoll. Sie-
he auch Deut. 32, 4. 2 Chron. 19, 7. Job. 8, 3.
c. 34, 10. Roͤm. 3, 3. 6.)

V. 15.

Denn er ſpricht zu Moſe (Exod. 32, 19.)
welchem ich gnaͤdig bin, dem bin ich gnaͤ-
dig, und welches ich mich erbarme, deß er-
barme ich mich.

Anmerckungen.
1. Dieſe Worte ſprach GOtt zu Moſe, als
ſich das Volck, welches er des angerichteten Kaͤl-
ber-Dienſtes wegen vertilgen wolte, bußfertig
erwieſen, und GOtt ſich daher gegen daſſelbe
aufs neue wieder gar gnaͤdig erzeiget, und Moſi,
da er den Sohn GOttes von Angeſicht zu Ange-
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2. Bey dieſem ſo liebreichen Verſpruch
GOttes, daß ſich der Sohn GOttes, als der
Meßias, Moſi in ſeiner Herrlichkeit ſolcher
Geſtalt ſichtbar zeigen wuͤrde, ſchickte ſich
nichts beſſer, als die dabey befindliche und von
Paulo alhie angefuͤhrte Declaration von dem
Beweiſe der Gnade und Barmhertzigkeit
in dem Meßia,
als dem Haupt-Jnnhalt des
neuen Bundes, und dem Haupt-Gute des Meſ-
ſianiſchen Reichs; wie es nemlich darinnen
nicht auf eigene Verdienſte, oder dieſe und je-
ne aͤuſſerliche Vorrechte, ſondern allein auf
die freye Gnade und Barmhertzigkeit GOttes
ankommen, und allen denen, welche nach dem
Exempel der bußfertigen Jſraeliten dieſelbe in
der Erkaͤntniß ihrer Unwuͤrdigkeit durch den
Glauben an den Meßiam ſuchen und ergreifen
wuͤrden, umſonſt geſchencket werden ſolte.
3. Die Zuſammenfuͤgung der Worte gnaͤ-
dig
und barmhertzig ſeyn, und denn die Ver-
doppelung derſelben: Welchem ich gnaͤdig
bin, dem bin ich gnaͤdig
ꝛc. Zeiget an,
theils die Groͤſſe und den Reichthum der
Gnade und der Barmhertzigkeit; wie auch der-
ſelben Lauterkeit, im Gegenſatz auf eigne
Verdienſte und Wuͤrdigkeit: wie nemlich
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[119/0147] Cap. 9, 13-15. an die Roͤmer. Zugang zum Juͤdiſchen Gottesdienſt offen ſtund, ſie auch denſelben guten theils mit angenom- men, zumal in den letzten Zeiten, da ſie auch die Beſchneidung mit uͤbernommen haben, nemlich zu den Zeiten des Maccabaͤiſchen Re- giments unter dem Johanne Hyrcano, der ſie der Juͤdiſchen Republic unterwuͤrfig machte, wie Joſephus Antiquit. L. XIII. c. 17. bezeuget. Dahin denn auch diejenigen Weiſſagungen von den Eſauiten oder Edomitern gehoͤren, darin- nen ihnen die Gemeinſchaft am Reiche des Meßiaͤ verheiſſen wird; als Jeſ. 11, 14. und ſonderlich Amos 9, 11. 12. 4. Hieraus iſt nun offenbar, daß das haſſen, welches von GOtt gegen den Eſau und ſeine Nachkommen geſaget wird, nicht zu verſtehen iſt von einem eigentlichen Haſſe, viel- weniger von einem ſolchen, dadurch der gan- tzen Nation und ihrem Stammvater die Selig- keit abgeſprochen worden; ſondern daß es ſo viel heiſſe, als weniger lieben, und dem an- dern in der Liebe nachſetzen. Und, weil dieſes wol pfleget fuͤr einen Haß angeſehen zu wer- den; ſo iſt davon das Wort behalten. Das aber auch die Mundart der Hebraͤer das Wort nicht ungewoͤhnlich in ſolchem Verſtande ge- nommen habe, ſiehet man aus 1 B. Moſ. 29, 31. 33. alwo von der Lea ſtehet, daß ſie dem Ja- cob verhaſſet geweſen: welches aber nicht an- ders, als nach v. 30. (er hatte Rahel lieber denn Lea) von einer wenigern Liebe des Ja- cobs kan verſtanden werden: wie es denn da- her Lutherus auch vertiret hat: unwerth ſeyn. Und in ſolchem Sinne gebrauchet unſer Heiland das Wort haſſen ſelbſt, wenn er Luc. 14, 26. ſpricht: So iemand zu mir koͤmmt, und haſſet nicht ſeinen Vater, Mutter, Weib, Kind, Bruͤder, Schweſtern, auch dazu ſein eigen Leben, der kan nicht mein Juͤn- ger ſeyn. Da man gar klaͤrlich ſiehet, daß haſſen ſo viel iſt, als in der Liebe auf gewiſſe Art hindanſetzen, oder weniger lieben. Und alſo wird es auch Matth. 10, 37. erklaͤret, wenn es heißt: Wer Vater und Mutter mehr liebet, (die er doch weniger lieben ſolte) denn mich, der iſt mein nicht werth. Und wer Sohn und Tochter mehr liebet, denn mich, der iſt mein nicht werth. Al- ſo auch Joh. 12, 25. Wer ſein Leben lieb hat, der wirds verlieren: und wer ſein Leben auf dieſer Welt haſſet, (weniger liebet) der wirds erhalten zum ewigen Leben. V. 14. Was wollen wir denn hie (oder dazu, daß GOtt nicht auf das Recht der erſten Ge- burt, noch auf die Abſtammung von Abraham, noch auf einige eigene Verdienſte der Menſchen geſehen, und auch noch itzo im Reiche des Meſ- ſiaͤ nicht darauf ſiehet) ſagen? Jſt denn GOtt ungerecht? (da er alſo verfaͤhret: wie einer gedencken, oder mit einem auf ſeine Vor- rechte wider die Heiden ſich verlaſſenden Juden ſagen moͤgte:) Das ſey ferne: (als welches aus dem, was davon vorgeſtellet worden, gar nicht folget. Hat doch wol ein bloſſer Menſch, ſonderlich ein groſſer Herr, die Freyheit, dieſes und jenes nach ſeinem Wohlgefallen einzurich- ten, und, ob er gleich alle Unterthanen liebet und loͤblich regiret, dieſen und jenen den andern in beſonderer Liebe vorzuziehen: wie ſolte denn ſolche Freyheit GOtt nicht ohne Ungerechtigkeit koͤnnen zukommen? und zwar in ſolchen Din- gen, darinnen durch des einen Vorzug dem an- dern an ſeiner an ſich ſelbſt gar reichen Gnade nichts abgehet; und darinnen er zeigen wollen, wie man ſich vor ihm keiner Vorzuͤge und Ver- dienſte zu ruͤhmen, und dadurch die Seligkeit zu ſuchen habe, ſondern nur allein von ſeiner al- len offen ſtehenden Gnade dependiren ſoll. Sie- he auch Deut. 32, 4. 2 Chron. 19, 7. Job. 8, 3. c. 34, 10. Roͤm. 3, 3. 6.) V. 15. Denn er ſpricht zu Moſe (Exod. 32, 19.) welchem ich gnaͤdig bin, dem bin ich gnaͤ- dig, und welches ich mich erbarme, deß er- barme ich mich. Anmerckungen. 1. Dieſe Worte ſprach GOtt zu Moſe, als ſich das Volck, welches er des angerichteten Kaͤl- ber-Dienſtes wegen vertilgen wolte, bußfertig erwieſen, und GOtt ſich daher gegen daſſelbe aufs neue wieder gar gnaͤdig erzeiget, und Moſi, da er den Sohn GOttes von Angeſicht zu Ange- ſicht zu ſehen begehrete, verſprach, daß er ſeinen Sohn in menſchlicher Geſtalt, aber auch in ſei- ner Herrlichkeit, vor ihm voruͤber gehen, und, da ihme deſſen Majeſtaͤt von vorne zu ſehen uner- traͤglich ſeyn wuͤrde, ihn denſelben von hintenzu ſehen laſſen wolte. 2. Bey dieſem ſo liebreichen Verſpruch GOttes, daß ſich der Sohn GOttes, als der Meßias, Moſi in ſeiner Herrlichkeit ſolcher Geſtalt ſichtbar zeigen wuͤrde, ſchickte ſich nichts beſſer, als die dabey befindliche und von Paulo alhie angefuͤhrte Declaration von dem Beweiſe der Gnade und Barmhertzigkeit in dem Meßia, als dem Haupt-Jnnhalt des neuen Bundes, und dem Haupt-Gute des Meſ- ſianiſchen Reichs; wie es nemlich darinnen nicht auf eigene Verdienſte, oder dieſe und je- ne aͤuſſerliche Vorrechte, ſondern allein auf die freye Gnade und Barmhertzigkeit GOttes ankommen, und allen denen, welche nach dem Exempel der bußfertigen Jſraeliten dieſelbe in der Erkaͤntniß ihrer Unwuͤrdigkeit durch den Glauben an den Meßiam ſuchen und ergreifen wuͤrden, umſonſt geſchencket werden ſolte. 3. Die Zuſammenfuͤgung der Worte gnaͤ- dig und barmhertzig ſeyn, und denn die Ver- doppelung derſelben: Welchem ich gnaͤdig bin, dem bin ich gnaͤdig ꝛc. Zeiget an, theils die Groͤſſe und den Reichthum der Gnade und der Barmhertzigkeit; wie auch der- ſelben Lauterkeit, im Gegenſatz auf eigne Verdienſte und Wuͤrdigkeit: wie nemlich Gnade eine eigentliche Gnade, Barmhertzig- keit eine eigentliche Barmhertzigkeit ſey und kei- ne eigne Wuͤrdigkeit, kein eignes Verdienſt bey

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/147>, abgerufen am 22.11.2024.