Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Brief Pauli Cap. 13, v. 1. 2. [Spaltenumbruch]
giment führet, welchen man aber so wol die Unter-thänigkeit schuldig ist.) Denn es ist keine Obrig- keit (was den Stand selbst betrift,) ohne von Gott, (als der da ist ein GOtt der Ordnung, u. im vermehrten menschlichen Geschlechte zur Unter- haltung guter Ordnung diesen Stand verordnet hat:) wo aber Obrigkeit ist, die ist von GOtt verordnet, (ob wol, was manche obrigkeitliche Personen betrift, bey ihrer Verordnung nur bloß der zuläßige und oft noch dazu ungnädige Wille GOttes ist, da GOtt manchen zur Stra- fe der Unterthanen sich in den Regenten-Stand eindringen läßt. Siehe von dieser Verordnung GOttes 1 B. Mos. 9, 6. 5 B. Mos. 17, 12. 2 Chron. 19, 6. 7. Sprüchw. 18, 15. 16. Dan. 4, 22. 32. Joh. 19, 11. 1 Tim. 2, 2. Tit. 3, 1. 1 Petr. 2, 13. 17. 18.) Anmerckungen. 1. Es ist wohl zu mercken, daß der Apostel in keiner Epistel die Lehre von der Obrigkeit so nachdrücklich vorträget, als in dieser an die Rö- mer geschehen ist: ohne Zweifel darum, weil zu Rom damals die höchste Obrigkeit in der Welt war. So war auch viel daran gelegen, daß man zu Rom hievon einen rechten Begriff hätte; woselbst dieser Brief in so vielen Abschriften auch bald den Heiden und der Obrigkeit selbst in die Hände gerathen würde, und den Christen zur guten Schutz-Schrift dienen könte, wider die Verleumdungen, als brächte die Christliche Re- ligion eine Widerspenstigkeit gegen die Obrig- keit mit sich. 2. Es hat auch der Heilige Geist, der in Paulo bey Schreibung dieses Briefes besonders geschäftig war c. 15, 18. ohne Zweifel vorher ge- sehen, daß zu Rom eine solche Mißgeburt vom Kirchen-Regiment, als nun von so vielen Secu- lis her am Pabste offenbar ist, würde hervor kommen, und unter andern Kennzeichen des un- göttlichen Wesens auch dieses haben, daß es sich mit seiner gantzen so genannten Clerisey in un- zehlbaren Personen würde von aller obrigkeitli- chen Gewalt ausnehmen, ja sich über alle Obrig- keit in der Welt erheben. Daher denn aus die- sem Briefe an die Römer die ietzige Römische Kirche ihres Abfalls von der Apostolischen Ge- stalt nicht allein in der Lehre, sondern auch in der Regierungs-Form, gantz klärlich überzeu- get worden und werden kan. 3. Die göttliche Verordnung des obrig- keitlichen Standes hat ihren Grund zuvor- derst in dem Lichte und Rechte, welches GOtt in die menschliche Natur geleget, und nach dem Sünden-Fall darinnen gelassen hat. Denn es ist unmöglich, daß eine menschliche Secietät in einem Wohlstande ohne gute Ordnung bestehen, und diese ohne die Obrigkeit seyn kan: es mag nun die Einrichtung und die Form des obrigkeit- lichen Amts von dieser, oder jener Art, monar- chisch oder aristocratisch seyn. Was nun GOtt nach dem Lichte und Rechte der Natur an die Hand gegeben, das hat er in seinem Wort be- stätiget. 4. Wenn obrigkeitliche Personen Pauli Worte von der Verordnung ihres Standes, wie [Spaltenumbruch] sie von GOtt sey, lesen, so haben sie sich wohl zu prüfen, ob sie auch das sind ihren Unterthanen, was das Haupt dem Leibe u. seinen Gliedern ist? denn das Haupt führet das Regiment, u. ist dem gantzen Leibe eine Zierde; unterdrücket aber, o- der beleidiget, weder Hand noch Fuß; und das so viel weniger, so viel nöthiger es ihrer bedarf; als welches ohne Leib auch kein Haupt seyn wür- de. Gleichwie die Schafe nicht sind um des Hirten willen, sondern der Hirte ist der Schafe wegen: also sind auch die Unterthanen nicht um des Regenten wegen, daß er nur mit ihnen ver- fahren dürfte, wie er selbst wolte: sondern der Regente ist um der Unterthanen willen, dersel- ben Bestes zu befordern: dabey er denn füglich sich der Unterthanen zu erfreuen hat. Da der Stand der Obrigkeit ursprünglich von der Po- testät der Väter über ihre Kinder und Familie herrühret: so haben sich Obrigkeiten als Väter gegen ihre Unterthanen zu erweisen. 5. Es haben sich obrigkeitliche Personen, zur gewissenhaften Führung ihres Amts sonder- lich dreyerley wohl vorzustellen: erstlich, daß sie von Natur nichts besser sind, als alle an- dere Menschen: hernach daß sie daher auch da- hin sterben, wie alle andere: und drittens, daß sie vor GOttes Gericht müssen, und ihres gehabten obrigkeitlichen Vorzugs und Regi- ments wegen eine viel schwerere Rechnung ab- zulegen haben, als alle andere. Und dabey mö- gen sie wohl allezeit gedencken: Was woltest du wol, das die Obrigkeit seyn, und wie sie sich verhalten solte, wenn du selbst ein Un- terthan wärest? Saget einem nun dieses sein Gewissen; so spricht CHristus nach dem Rechte der Natur: Was ihr wollet, das euch die Leute thun sollen, das thut ihr ihnen auch. Matth. 7, 12. Hat doch der heidnische Käyser Trajanus zu sagen pflegen: Talem se Im- peratorem esse privatis, quales sibi Imperatores esse privatus optasset: Er erweise sich also gegen Pri- vat-Personen, als er, da er noch eine Privat- Person gewesen, gewünschet habe, daß die Käy- ser sich erweisen möchten. V. 2. Wer sich nun wider die Obrigkeit wel-
Erklaͤrung des Brief Pauli Cap. 13, v. 1. 2. [Spaltenumbruch]
giment fuͤhret, welchen man aber ſo wol die Unter-thaͤnigkeit ſchuldig iſt.) Denn es iſt keine Obrig- keit (was den Stand ſelbſt betrift,) ohne von Gott, (als der da iſt ein GOtt der Ordnung, u. im vermehrten menſchlichen Geſchlechte zur Unter- haltung guter Ordnung dieſen Stand verordnet hat:) wo aber Obrigkeit iſt, die iſt von GOtt verordnet, (ob wol, was manche obrigkeitliche Perſonen betrift, bey ihrer Verordnung nur bloß der zulaͤßige und oft noch dazu ungnaͤdige Wille GOttes iſt, da GOtt manchen zur Stra- fe der Unterthanen ſich in den Regenten-Stand eindringen laͤßt. Siehe von dieſer Verordnung GOttes 1 B. Moſ. 9, 6. 5 B. Moſ. 17, 12. 2 Chron. 19, 6. 7. Spruͤchw. 18, 15. 16. Dan. 4, 22. 32. Joh. 19, 11. 1 Tim. 2, 2. Tit. 3, 1. 1 Petr. 2, 13. 17. 18.) Anmerckungen. 1. Es iſt wohl zu mercken, daß der Apoſtel in keiner Epiſtel die Lehre von der Obrigkeit ſo nachdruͤcklich vortraͤget, als in dieſer an die Roͤ- mer geſchehen iſt: ohne Zweifel darum, weil zu Rom damals die hoͤchſte Obrigkeit in der Welt war. So war auch viel daran gelegen, daß man zu Rom hievon einen rechten Begriff haͤtte; woſelbſt dieſer Brief in ſo vielen Abſchriften auch bald den Heiden und der Obrigkeit ſelbſt in die Haͤnde gerathen wuͤrde, und den Chriſten zur guten Schutz-Schrift dienen koͤnte, wider die Verleumdungen, als braͤchte die Chriſtliche Re- ligion eine Widerſpenſtigkeit gegen die Obrig- keit mit ſich. 2. Es hat auch der Heilige Geiſt, der in Paulo bey Schreibung dieſes Briefes beſonders geſchaͤftig war c. 15, 18. ohne Zweifel vorher ge- ſehen, daß zu Rom eine ſolche Mißgeburt vom Kirchen-Regiment, als nun von ſo vielen Secu- lis her am Pabſte offenbar iſt, wuͤrde hervor kommen, und unter andern Kennzeichen des un- goͤttlichen Weſens auch dieſes haben, daß es ſich mit ſeiner gantzen ſo genannten Cleriſey in un- zehlbaren Perſonen wuͤrde von aller obrigkeitli- chen Gewalt ausnehmen, ja ſich uͤber alle Obrig- keit in der Welt erheben. Daher denn aus die- ſem Briefe an die Roͤmer die ietzige Roͤmiſche Kirche ihres Abfalls von der Apoſtoliſchen Ge- ſtalt nicht allein in der Lehre, ſondern auch in der Regierungs-Form, gantz klaͤrlich uͤberzeu- get worden und werden kan. 3. Die goͤttliche Verordnung des obrig- keitlichen Standes hat ihren Grund zuvor- derſt in dem Lichte und Rechte, welches GOtt in die menſchliche Natur geleget, und nach dem Suͤnden-Fall darinnen gelaſſen hat. Denn es iſt unmoͤglich, daß eine menſchliche Secietaͤt in einem Wohlſtande ohne gute Ordnung beſtehen, und dieſe ohne die Obrigkeit ſeyn kan: es mag nun die Einrichtung und die Form des obrigkeit- lichen Amts von dieſer, oder jener Art, monar- chiſch oder ariſtocratiſch ſeyn. Was nun GOtt nach dem Lichte und Rechte der Natur an die Hand gegeben, das hat er in ſeinem Wort be- ſtaͤtiget. 4. Wenn obrigkeitliche Perſonen Pauli Worte von der Verordnung ihres Standes, wie [Spaltenumbruch] ſie von GOtt ſey, leſen, ſo haben ſie ſich wohl zu pruͤfen, ob ſie auch das ſind ihren Unterthanen, was das Haupt dem Leibe u. ſeinen Gliedern iſt? denn das Haupt fuͤhret das Regiment, u. iſt dem gantzen Leibe eine Zierde; unterdruͤcket aber, o- der beleidiget, weder Hand noch Fuß; und das ſo viel weniger, ſo viel noͤthiger es ihrer bedarf; als welches ohne Leib auch kein Haupt ſeyn wuͤr- de. Gleichwie die Schafe nicht ſind um des Hirten willen, ſondern der Hirte iſt der Schafe wegen: alſo ſind auch die Unterthanen nicht um des Regenten wegen, daß er nur mit ihnen ver- fahren duͤrfte, wie er ſelbſt wolte: ſondern der Regente iſt um der Unterthanen willen, derſel- ben Beſtes zu befordern: dabey er denn fuͤglich ſich der Unterthanen zu erfreuen hat. Da der Stand der Obrigkeit urſpruͤnglich von der Po- teſtaͤt der Vaͤter uͤber ihre Kinder und Familie herruͤhret: ſo haben ſich Obrigkeiten als Vaͤter gegen ihre Unterthanen zu erweiſen. 5. Es haben ſich obrigkeitliche Perſonen, zur gewiſſenhaften Fuͤhrung ihres Amts ſonder- lich dreyerley wohl vorzuſtellen: erſtlich, daß ſie von Natur nichts beſſer ſind, als alle an- dere Menſchen: hernach daß ſie daher auch da- hin ſterben, wie alle andere: und drittens, daß ſie vor GOttes Gericht muͤſſen, und ihres gehabten obrigkeitlichen Vorzugs und Regi- ments wegen eine viel ſchwerere Rechnung ab- zulegen haben, als alle andere. Und dabey moͤ- gen ſie wohl allezeit gedencken: Was wolteſt du wol, das die Obrigkeit ſeyn, und wie ſie ſich verhalten ſolte, wenn du ſelbſt ein Un- terthan waͤreſt? Saget einem nun dieſes ſein Gewiſſen; ſo ſpricht CHriſtus nach dem Rechte der Natur: Was ihr wollet, das euch die Leute thun ſollen, das thut ihr ihnen auch. Matth. 7, 12. Hat doch der heidniſche Kaͤyſer Trajanus zu ſagen pflegen: Talem ſe Im- peratorem eſſe privatis, quales ſibi Imperatores eſſe privatus optaſſet: Er erweiſe ſich alſo gegen Pri- vat-Perſonen, als er, da er noch eine Privat- Perſon geweſen, gewuͤnſchet habe, daß die Kaͤy- ſer ſich erweiſen moͤchten. V. 2. Wer ſich nun wider die Obrigkeit wel-
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Erklaͤrung des Brief Pauli Cap. 13, v. 1. 2.
giment fuͤhret, welchen man aber ſo wol die Unter-
thaͤnigkeit ſchuldig iſt.) Denn es iſt keine Obrig-
keit (was den Stand ſelbſt betrift,) ohne von
Gott, (als der da iſt ein GOtt der Ordnung, u. im
vermehrten menſchlichen Geſchlechte zur Unter-
haltung guter Ordnung dieſen Stand verordnet
hat:) wo aber Obrigkeit iſt, die iſt von GOtt
verordnet, (ob wol, was manche obrigkeitliche
Perſonen betrift, bey ihrer Verordnung nur
bloß der zulaͤßige und oft noch dazu ungnaͤdige
Wille GOttes iſt, da GOtt manchen zur Stra-
fe der Unterthanen ſich in den Regenten-Stand
eindringen laͤßt. Siehe von dieſer Verordnung
GOttes 1 B. Moſ. 9, 6. 5 B. Moſ. 17, 12. 2 Chron.
19, 6. 7. Spruͤchw. 18, 15. 16. Dan. 4, 22. 32.
Joh. 19, 11. 1 Tim. 2, 2. Tit. 3, 1. 1 Petr. 2, 13.
17. 18.)
Anmerckungen.
1. Es iſt wohl zu mercken, daß der Apoſtel
in keiner Epiſtel die Lehre von der Obrigkeit ſo
nachdruͤcklich vortraͤget, als in dieſer an die Roͤ-
mer geſchehen iſt: ohne Zweifel darum, weil zu
Rom damals die hoͤchſte Obrigkeit in der Welt
war. So war auch viel daran gelegen, daß
man zu Rom hievon einen rechten Begriff haͤtte;
woſelbſt dieſer Brief in ſo vielen Abſchriften auch
bald den Heiden und der Obrigkeit ſelbſt in die
Haͤnde gerathen wuͤrde, und den Chriſten zur
guten Schutz-Schrift dienen koͤnte, wider die
Verleumdungen, als braͤchte die Chriſtliche Re-
ligion eine Widerſpenſtigkeit gegen die Obrig-
keit mit ſich.
2. Es hat auch der Heilige Geiſt, der in
Paulo bey Schreibung dieſes Briefes beſonders
geſchaͤftig war c. 15, 18. ohne Zweifel vorher ge-
ſehen, daß zu Rom eine ſolche Mißgeburt vom
Kirchen-Regiment, als nun von ſo vielen Secu-
lis her am Pabſte offenbar iſt, wuͤrde hervor
kommen, und unter andern Kennzeichen des un-
goͤttlichen Weſens auch dieſes haben, daß es ſich
mit ſeiner gantzen ſo genannten Cleriſey in un-
zehlbaren Perſonen wuͤrde von aller obrigkeitli-
chen Gewalt ausnehmen, ja ſich uͤber alle Obrig-
keit in der Welt erheben. Daher denn aus die-
ſem Briefe an die Roͤmer die ietzige Roͤmiſche
Kirche ihres Abfalls von der Apoſtoliſchen Ge-
ſtalt nicht allein in der Lehre, ſondern auch in
der Regierungs-Form, gantz klaͤrlich uͤberzeu-
get worden und werden kan.
3. Die goͤttliche Verordnung des obrig-
keitlichen Standes hat ihren Grund zuvor-
derſt in dem Lichte und Rechte, welches GOtt
in die menſchliche Natur geleget, und nach dem
Suͤnden-Fall darinnen gelaſſen hat. Denn es
iſt unmoͤglich, daß eine menſchliche Secietaͤt in
einem Wohlſtande ohne gute Ordnung beſtehen,
und dieſe ohne die Obrigkeit ſeyn kan: es mag
nun die Einrichtung und die Form des obrigkeit-
lichen Amts von dieſer, oder jener Art, monar-
chiſch oder ariſtocratiſch ſeyn. Was nun GOtt
nach dem Lichte und Rechte der Natur an die
Hand gegeben, das hat er in ſeinem Wort be-
ſtaͤtiget.
4. Wenn obrigkeitliche Perſonen Pauli
Worte von der Verordnung ihres Standes, wie
ſie von GOtt ſey, leſen, ſo haben ſie ſich wohl zu
pruͤfen, ob ſie auch das ſind ihren Unterthanen,
was das Haupt dem Leibe u. ſeinen Gliedern iſt?
denn das Haupt fuͤhret das Regiment, u. iſt dem
gantzen Leibe eine Zierde; unterdruͤcket aber, o-
der beleidiget, weder Hand noch Fuß; und das
ſo viel weniger, ſo viel noͤthiger es ihrer bedarf;
als welches ohne Leib auch kein Haupt ſeyn wuͤr-
de. Gleichwie die Schafe nicht ſind um des
Hirten willen, ſondern der Hirte iſt der Schafe
wegen: alſo ſind auch die Unterthanen nicht um
des Regenten wegen, daß er nur mit ihnen ver-
fahren duͤrfte, wie er ſelbſt wolte: ſondern der
Regente iſt um der Unterthanen willen, derſel-
ben Beſtes zu befordern: dabey er denn fuͤglich
ſich der Unterthanen zu erfreuen hat. Da der
Stand der Obrigkeit urſpruͤnglich von der Po-
teſtaͤt der Vaͤter uͤber ihre Kinder und Familie
herruͤhret: ſo haben ſich Obrigkeiten als Vaͤter
gegen ihre Unterthanen zu erweiſen.
5. Es haben ſich obrigkeitliche Perſonen,
zur gewiſſenhaften Fuͤhrung ihres Amts ſonder-
lich dreyerley wohl vorzuſtellen: erſtlich, daß
ſie von Natur nichts beſſer ſind, als alle an-
dere Menſchen: hernach daß ſie daher auch da-
hin ſterben, wie alle andere: und drittens, daß
ſie vor GOttes Gericht muͤſſen, und ihres
gehabten obrigkeitlichen Vorzugs und Regi-
ments wegen eine viel ſchwerere Rechnung ab-
zulegen haben, als alle andere. Und dabey moͤ-
gen ſie wohl allezeit gedencken: Was wolteſt
du wol, das die Obrigkeit ſeyn, und wie ſie
ſich verhalten ſolte, wenn du ſelbſt ein Un-
terthan waͤreſt? Saget einem nun dieſes
ſein Gewiſſen; ſo ſpricht CHriſtus nach dem
Rechte der Natur: Was ihr wollet, das euch
die Leute thun ſollen, das thut ihr ihnen
auch. Matth. 7, 12. Hat doch der heidniſche
Kaͤyſer Trajanus zu ſagen pflegen: Talem ſe Im-
peratorem eſſe privatis, quales ſibi Imperatores eſſe
privatus optaſſet: Er erweiſe ſich alſo gegen Pri-
vat-Perſonen, als er, da er noch eine Privat-
Perſon geweſen, gewuͤnſchet habe, daß die Kaͤy-
ſer ſich erweiſen moͤchten.
V. 2.
Wer ſich nun wider die Obrigkeit
ſetzet (auf eine grobe Art mit Rebellion, auf
eine ſubtilere mit Ungehorſam: daher aber nicht
gerechnet werden kan, wenn Unterthanen gegen
ungerechte, auch wol gar wider GOttes Wort
laufende, und wider das Gewiſſen ſtreitende,
oder von ihren Widerſachern erſchlichene Befeh-
le demuͤthige Vorſtellung thun: als welche eine
Obrigkeit anzunehmen, und der Sachen nach
Recht und Billigkeit zu rathen, ſchuldig iſt; wo
ſie anders nicht eine ſchwere Schuld zum Ge-
richte vor GOTT will uͤber ſich ziehen:) der
widerſtrebet GOttes Ordnung, (wie denn
ohne das alle Suͤnden, die wider die andere Ta-
fel begangen werden, wider die erſte Tafel von
den Pflichten gegen GOtt ſtreiten:) die aber
widerſtreben, werden uͤber ſich ein Urtheil
empfahen (wo nicht eben allemal von der
Obrigkeit ſelbſt; doch gewiß von GOTT, als
wel-
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