Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Einleitung in das siebente Capitel [Spaltenumbruch]
von sattsam überzeuget seyn kan. Und diesesbekräftiget der ausführliche locus parallelus bey dem Marc. 10, 2. seqq. desgleichen bey dem Matth. 5, 31. 32. da unser Heiland ohne vorherge- gangene Frage in seinen vindiciis des alten und wahren Mosaischen Gesetzes auf diese so wichti- de und nöthige Materie kommt, und mit den al- lerdeutlichsten Worten eben dasselbe bezeuget, wenn er spricht: Es ist euch gesagt: Wer sich von seinem Weibe scheidet, der soll ihr geben einen Scheide-Brief. Jch aber sage euch: Wer sich von seinem Weibe scheidet, es sey denn um Ehebruch, der macht, daß sie die Ehe bricht, und wer eine abgescheidete freyet, der bricht die Ehe. Und eben dieses bezeuget aus den Wor- ten CHristi auch Lucas c. 16, 18. und siehet man aus der Collation dieser 3 Oerter, daß, ob sie gleich nicht auf eine Handelung der Rede, und auch nicht auf eine Zeit gehen, unser Heiland al- lemal doch gleichförmig davon gezeuget hat. §. XI. Nachdem nun der richtige Wort- §. XII. Nun giebet man zwar vor, daß das füget
Einleitung in das ſiebente Capitel [Spaltenumbruch]
von ſattſam uͤberzeuget ſeyn kan. Und dieſesbekraͤftiget der ausfuͤhrliche locus parallelus bey dem Marc. 10, 2. ſeqq. desgleichen bey dem Matth. 5, 31. 32. da unſer Heiland ohne vorherge- gangene Frage in ſeinen vindiciis des alten und wahren Moſaiſchen Geſetzes auf dieſe ſo wichti- de und noͤthige Materie kommt, und mit den al- lerdeutlichſten Worten eben daſſelbe bezeuget, wenn er ſpricht: Es iſt euch geſagt: Wer ſich von ſeinem Weibe ſcheidet, der ſoll ihr geben einen Scheide-Brief. Jch aber ſage euch: Wer ſich von ſeinem Weibe ſcheidet, es ſey denn um Ehebruch, der macht, daß ſie die Ehe bricht, und wer eine abgeſcheidete freyet, der bricht die Ehe. Und eben dieſes bezeuget aus den Wor- ten CHriſti auch Lucas c. 16, 18. und ſiehet man aus der Collation dieſer 3 Oerter, daß, ob ſie gleich nicht auf eine Handelung der Rede, und auch nicht auf eine Zeit gehen, unſer Heiland al- lemal doch gleichfoͤrmig davon gezeuget hat. §. XI. Nachdem nun der richtige Wort- §. XII. Nun giebet man zwar vor, daß das fuͤget
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Einleitung in das ſiebente Capitel
von ſattſam uͤberzeuget ſeyn kan. Und dieſes
bekraͤftiget der ausfuͤhrliche locus parallelus bey
dem Marc. 10, 2. ſeqq. desgleichen bey dem
Matth. 5, 31. 32. da unſer Heiland ohne vorherge-
gangene Frage in ſeinen vindiciis des alten und
wahren Moſaiſchen Geſetzes auf dieſe ſo wichti-
de und noͤthige Materie kommt, und mit den al-
lerdeutlichſten Worten eben daſſelbe bezeuget,
wenn er ſpricht: Es iſt euch geſagt: Wer
ſich von ſeinem Weibe ſcheidet, der ſoll
ihr geben einen Scheide-Brief. Jch aber
ſage euch: Wer ſich von ſeinem Weibe
ſcheidet, es ſey denn um Ehebruch, der
macht, daß ſie die Ehe bricht, und wer
eine abgeſcheidete freyet, der bricht die
Ehe. Und eben dieſes bezeuget aus den Wor-
ten CHriſti auch Lucas c. 16, 18. und ſiehet man
aus der Collation dieſer 3 Oerter, daß, ob ſie
gleich nicht auf eine Handelung der Rede, und
auch nicht auf eine Zeit gehen, unſer Heiland al-
lemal doch gleichfoͤrmig davon gezeuget hat.
§. XI. Nachdem nun der richtige Wort-
Verſtand von dem gantzen Orte Matth. 19
alhier zum Grunde lieget, ſo ziehen und erweiſen
wir daraus mit allem Rechte zweene Schluͤſ-
ſe: den erſten, wider die willkuͤhrlichen Ehe-
Scheidungen, fuͤr die Unzertrennlichkeit oder
Indiſſolubilitaͤt der Ehe: den andern wider die
Polygamie, fuͤr die Vnitaͤt eines ehelichen Paa-
res. Und da die erſte Concluſion wider die Ehe-
Scheidungen fuͤr die Unzertrennlichkeit der Ehe,
ſchon mit gantz ausdruͤcklichen Worten im Texte
lieget, und aus der Einſetzung des Eheſtandes von
CHriſto ſelbſt gemacht iſt, ſo iſt nur noͤthig, die
der Digamie und Polygamie entgegen ſtehende
zweyte Concluſion mit ihrer ratione conſequentiæ,
oder wie ſie aus dieſem Texte flieſſe, zu zeigen.
und dieſe ratio lieget nun erſtlich in dem von
CHriſto wiederholten facto und dicto GOttes
von der erſten Einſetzung des Eheſtandes v. 4. 5.
und in Anſehung des dicti, oder des goͤttlichen
Ausſpruchs, ſonderlich in den declarirten Mo-
ſaiſchen Worten: und werden Mann und
Weib ein Fleiſch ſeyn. Da er ſpricht: und
werden οἱ δύο, die zwey ein Fleiſch ſeyn, und
zwar dergeſtalt, daß, wofern ein Theil von ihnen,
es ſey Mann, oder Weib, mit der dritten Perſon
ein Fleiſch wird, damit ein Ehebruch begangen
wird. Dannenhero iſts ja allerdings klar und
deutlich, daß hiemit alle Digamie und Poligamie,
als ein Ehebruch, verworfen ſey. Und dieſes be-
kraͤftiget auch der 6te Vers. Es beſtehet dem-
nach die Ehe in einem Bande zwiſchen nicht mehr
als zween Perſonen, und iſt daſſelbe an ſich ſelbſt
von Rechts wegen allerdings unaufloͤslich, und
alſo kein ſolcher menſchlicher Contract, welchen
man nach ſeinem Gefallen mit einer Perſon ma-
chen und auch wieder aufheben koͤnne.
§. XII. Nun giebet man zwar vor, daß das
Wort πορνεία Matth. 19, 9. Hurerey, Ehe-
bruch, nach dem damaligen unter den Juden
uͤblichen Gebrauch, ſo viel heiſſe, als quæcunque,
extantior tamen, fœditas, oder indecentia, oder
etwas dem Weibe ſehr unanſtaͤndiges und dem
Manne ſehr beſchwerliches; und waͤren alſo auch
dahin zu rechnen anſteckende, oder unheilba-
re Kranckheiten, groſſe Feindſchaft, die Ver-
ſchwendung, uͤble Sitten u. ſ. w. um wel-
cher Urſachen willen CHriſtus die Ehe-Schei-
dung ſelbſt verſtattet wiſſen wolte. Allein diß
iſt ein gantz nichtiger Behelf, welcher bey Erwe-
gung des Textes nach den Regeln einer geſunden
Logic und Hermenevtic auch nicht einmal den
geringſten Schein des Rechten, oder der Wahr-
heit behaͤlt. Denn 1) wird das Wort πορνείᾳ
nirgends im gantzen neuen Teſtament alſo ge-
nommen; wie es denn auch deſſelben notio gram-
matica nicht leidet, und in den vocibus cognatis
πόρνος, πόρνη, πορνει῀ον, πορνεύω &c. davon
gleichfals keine Spur zu finden iſt. 2) Stehet
ſolche Bedeutung dem gantzen Contexte und dem
Zwecke der Rede CHriſti entgegen. Denn die
Frage war: Ob die Ehe-Scheidung nicht
koͤnte geſchehen κατὰ πᾶσαν αἰτίαν, um al-
lerhand Urſachen willen, die doch, (weil ein
ſolenner Scheide-Brief muſte geſchrieben, und
darinnen die Urſachen benennet werden, und die
juͤdiſchen Gerichte, oder, an ſtatt dieſer, gewiſſe
Zeugen, doch auch das ihrige dabey zu thun ge-
habt haben, als ohne welche keine Ehe-Scheidung
vollzogen worden) um eine allgemeine proſtitu-
tion zu verhuͤten, ſo gar geringe nicht koͤnnen ge-
weſen ſeyn, wie einige Rabbinen ohne allen
Grund fabuliren. Und alſo ging die Frage eben
auf ſolche Dinge, welche einige unter die Urſachen
der Scheidung noch heute zu Tage zu rechnen
pflegen. Dieſer Frage aber ſetzet der HERR
JESUS ſein rundes und helles Nein ent-
gegen, und will nichts fuͤr eine Urſache einer
rechtmaͤßigen Scheidung gelten laſſen, als allein
πορνείαν: welches Wort uͤberhaupt die Suͤnde
der Unzucht wider das ſechſte Gebot bedeutet,
und, wenn es von Ehe-Leuten gebrauchet wird,
ſo viel heiſſet als μοιχεία, der Ehebruch: daher
es auch Lutherus Matth. 5, 32. alſo vertiret hat.
Wenn nun das Wort πορνεία Matth. 19, 9. ei-
nen ſo weiten Verſtand, wie einige vorgeben,
haͤtte, ſo muͤſte man die gantze Rede CHriſti
der groͤßten abſurditaͤt beſchuldigen; daß nem-
lich auf der Phariſaͤer Frage: Ob es recht ſey,
ſich von ſeinem Weibe um allerhand Ur-
ſachen willen zu ſcheiden? geantwortet
habe: Nein. Denn wer ſich von ſeinem
Weibe ſcheidet (es ſey denn um allerhand
Urſachen willen) und freyet eine andere,
der bricht die Ehe ꝛc. Denn auf dieſe Art
haͤtte ja CHriſtus ſich ſelbſt aufs nachdruͤcklich-
ſte contradiciret, und den Juden allen Muth-
willen zu den Ehe-Scheidungen eingeraͤumet.
Es kan dieſer Verſtand 3) auch keines weges mit
der Concluſion, welche die Juͤnger aus den Wor-
ten CHriſti zogen, und welche der HERR her-
nach bekraͤftiget, beſtehen: da ſie ſagen: Ste-
het die Sache eines Mannes mit ſeinem
Weibe alſo, ſo iſts nicht gut ehelich wer-
den. v. 10. Damit ſie ja klar genug bezeugen,
daß der HErr die Ehe-Scheidung nicht in ihrer
laxitaͤt nach juͤdiſcher Unart ſtehen gelaſſen, ſon-
dern ſie ſo enge eingeſchraͤncket habe, daß er von
keiner andern Urſache, als vom Ehebruch, wiſ-
ſen wollen, wie er ja denn auch ſonſten nicht haͤt-
te ſagen duͤrfen: Was GOtt zuſammen ge-
fuͤget
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