Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.des ersten Briefs an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
füget hat, soll der Mensch nicht scheiden.Wäre des HErrn JESU Sinn dahin gegan- gen, daß er den Jüden so viele Ursachen der Scheidung, als einige heute zu Tage dazu rech- nen wollen, eingeräumet, so hätten die Jünger nicht sagen dürfen: Es ist nicht gut ehelich zu werden; sondern umgekehrt: Stehet die Sache eines Mannes mit seinem Weibe al- so; so ists gar gut ehelich zu werden: denn, wenn man es nicht trift, so kan man das Weib bald wieder loß werden, und eine andere nehmen. Und wenn deme also wäre, wie würden manche Ehe-Männer mit ihren Weibern umgehen, und, um ihrer bald loß zu werden, und sich an andere zu hangen, auf mancherley Art zu der Ursache der Scheidung Gelegenheit geben, wo nicht gar die Ursachen gleichsam vom Zaune brechen. §. XIII. Es ist auch gantz vergeblich, wenn §. XIV. Nun berufet und verlässet man Worts F f
des erſten Briefs an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
fuͤget hat, ſoll der Menſch nicht ſcheiden.Waͤre des HErrn JESU Sinn dahin gegan- gen, daß er den Juͤden ſo viele Urſachen der Scheidung, als einige heute zu Tage dazu rech- nen wollen, eingeraͤumet, ſo haͤtten die Juͤnger nicht ſagen duͤrfen: Es iſt nicht gut ehelich zu werden; ſondern umgekehrt: Stehet die Sache eines Mannes mit ſeinem Weibe al- ſo; ſo iſts gar gut ehelich zu werden: denn, wenn man es nicht trift, ſo kan man das Weib bald wieder loß werden, und eine andere nehmen. Und wenn deme alſo waͤre, wie wuͤrden manche Ehe-Maͤnner mit ihren Weibern umgehen, und, um ihrer bald loß zu werden, und ſich an andere zu hangen, auf mancherley Art zu der Urſache der Scheidung Gelegenheit geben, wo nicht gar die Urſachen gleichſam vom Zaune brechen. §. XIII. Es iſt auch gantz vergeblich, wenn §. XIV. Nun berufet und verlaͤſſet man Worts F f
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Zwar legen es einige aus<lb/> von einer ſolchen Urſache der Scheidung, welche<lb/> dem Ehebruche gleich komme: allein man ge-<lb/> braucht dieſer Auslegung gar nicht; es leydet<lb/> ſie auch weder der <hi rendition="#aq">Hebraiſmus</hi> noch <hi rendition="#aq">Græciſmus:</hi><lb/> und ſind hingegen die Dinge, welche man zur<lb/> Ehe-Scheidung nebſt dem Ehebruche mit<lb/> Recht fuͤr hinlaͤnglich erachtet, von ſolcher Be-<lb/> ſchaffenheit, daß vermoͤge derſelben entweder<lb/> gar keine rechte Ehe geweſen, als z. 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Denn 1) <hi rendition="#aq">fluctuir</hi>et er <hi rendition="#aq">p. 351. ſeqq.</hi> in<lb/> welcher Sprache, der Syriſchen, Hebraͤiſchen,<lb/> oder <hi rendition="#aq">Talmudi</hi>ſchen, CHriſtus geredet; und denn<lb/> welcher Worte, wenn er in dieſer, oder jener ge-<lb/> redet, er ſich darinnen bedienet habe? und denn,<lb/> was doch wol ſolche Worte muͤſſen bedeutet ha-<lb/> ben? und auf dieſem ſandigten Grund, da er<lb/> ſelbſt nichts gewiſſes zu ſagen und zu ſetzen ge-<lb/> wuſt, bauet er das gantze Geruͤſte ſeiner Meinung,<lb/> und laͤuft auch uͤber das alles auf <hi rendition="#aq">Conjectur</hi>en<lb/> hinaus; wie er es denn ſelbſt <hi rendition="#aq">aditum ad ſenſum<lb/> loci ſalebroſum</hi> nennet. 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des erſten Briefs an die Corinthier.
fuͤget hat, ſoll der Menſch nicht ſcheiden.
Waͤre des HErrn JESU Sinn dahin gegan-
gen, daß er den Juͤden ſo viele Urſachen der
Scheidung, als einige heute zu Tage dazu rech-
nen wollen, eingeraͤumet, ſo haͤtten die Juͤnger
nicht ſagen duͤrfen: Es iſt nicht gut ehelich
zu werden; ſondern umgekehrt: Stehet die
Sache eines Mannes mit ſeinem Weibe al-
ſo; ſo iſts gar gut ehelich zu werden: denn,
wenn man es nicht trift, ſo kan man das Weib
bald wieder loß werden, und eine andere nehmen.
Und wenn deme alſo waͤre, wie wuͤrden manche
Ehe-Maͤnner mit ihren Weibern umgehen, und,
um ihrer bald loß zu werden, und ſich an andere
zu hangen, auf mancherley Art zu der Urſache
der Scheidung Gelegenheit geben, wo nicht gar
die Urſachen gleichſam vom Zaune brechen.
§. XIII. Es iſt auch gantz vergeblich, wenn
einige ſich beziehen auf die Redens-Art, λόγος
πορνείας, denn es iſt in dieſer phraſi ein purer
Hebraiſmus, und iſt λόγος ſo viel als _ , ſo
bey den Hebraͤern heißt res, cauſa; und heißt
alſo λόγος πορνείας nichts anders, als der Han-
del des Ehebruchs, das iſt der Ehebruch ſelbſt
in ſeiner Realitaͤt. Zwar legen es einige aus
von einer ſolchen Urſache der Scheidung, welche
dem Ehebruche gleich komme: allein man ge-
braucht dieſer Auslegung gar nicht; es leydet
ſie auch weder der Hebraiſmus noch Græciſmus:
und ſind hingegen die Dinge, welche man zur
Ehe-Scheidung nebſt dem Ehebruche mit
Recht fuͤr hinlaͤnglich erachtet, von ſolcher Be-
ſchaffenheit, daß vermoͤge derſelben entweder
gar keine rechte Ehe geweſen, als z. E. wo ſich
ein abſolutes Unvermoͤgen, mit dem andern Theil
ein Fleiſch zu werden, und Kinder zu zeugen, fin-
det, oder ein Theil dem andern ſich gleich an-
faͤnglich entzogen haͤtte, und beharrlich entzoͤge;
oder die geweſene Ehe ſchon gebrochen, als da-
durch eine muthwillige deſertion geſchiehet.
§. XIV. Nun berufet und verlaͤſſet man
ſich zwar auf die Auctoritaͤt des beruͤhmten Eng-
laͤnders Seldeni, der in ſeinem Buche de uxore
Hebraica L. lll. c. 23. erwieſen haben ſoll, daß
die Worte λόγος πορνείας nach der Juͤdiſchen
Mund-Art damals in einem ſo weitlaͤuftigem
Verſtande von allerhand Urſachen der Schei-
dung zu verſtehen ſeyn: allein, was dieſen Au-
ctorem betrift, ſo iſt er zwar ein in juͤdiſchen An-
tiquitaͤten und in Rabbinis ſehr beleſener Mann:
daß er aber ſeine Scripta mit gnugſamen judicio
und accuration daraus ſolte verfertiget haben,
das haben viel gelehrte Maͤnner, zumal die, wel-
che in ſolchen Sachen auch nicht unerfahren ſind,
gar nicht finden koͤnnen; wol aber das Gegen-
theil. Und da in den meiſten Scriptis Talmudi-
cis und Rabbinicis nebſt der groſſen Dunckelheit
viel fabulirens und eine recht groſſe Verwirrung
iſt; ſo kan einer, der nicht mit gnugſamen ju-
dicio dazu ſchreitet, oder darinnen verſiret, gar
leichtlich mit verwirret werden. Und alſo iſt es
dem guten Seldeno gegangen, der dazu ſeine eige-
ne unrichtige hypotheſes hie u. da mit vorgegebe-
nen juͤdiſchen Rechten und Gebraͤuchen zu ſchmuͤ-
cken geſuchet hat. Und daß er inſonderheit c.
23. Lib. lll, de Uxore Hebraica von dem Verſtan-
de der Worte Chriſti Matth. 5, 32. παρεκτὸς λό-
γου πορνείας, ohne alle ſoliditaͤt ſchreibet, und
ein rechtes Gewirre machet, kan ein ieder, der
juͤdiſchen Dinge auch Unerfahrner, wenn er nur
ſelbſt will, und vor Liebe zu ſeiner hypotheſi dazu
kommen kan, ſehen und gleichſam mit Haͤnden
greifen. Denn 1) fluctuiret er p. 351. ſeqq. in
welcher Sprache, der Syriſchen, Hebraͤiſchen,
oder Talmudiſchen, CHriſtus geredet; und denn
welcher Worte, wenn er in dieſer, oder jener ge-
redet, er ſich darinnen bedienet habe? und denn,
was doch wol ſolche Worte muͤſſen bedeutet ha-
ben? und auf dieſem ſandigten Grund, da er
ſelbſt nichts gewiſſes zu ſagen und zu ſetzen ge-
wuſt, bauet er das gantze Geruͤſte ſeiner Meinung,
und laͤuft auch uͤber das alles auf Conjecturen
hinaus; wie er es denn ſelbſt aditum ad ſenſum
loci ſalebroſum nennet. Und ob er wol ſeine
Conjecturas hin und wieder mit Vergeſſung ſei-
ner ſelbſt, fuͤr erweisliche, ja erwieſene Wahrhei-
ten ausgeben will; ſo iſt er doch 2) endlich ſo
aufrichtig, daß er faſt wider ſich ſelbſt p. 364.
ſchreibet: Nihil hic definimus de loci ſenſu: conſi-
deranda tantum proponimus. Hierzu koͤmmt 3)
daß er p. 348. ſelbſt geſtehet, die alten Patres
eccleſiæ und erſten Chriſten, haͤtten durch das
Wort πορνεία, nichts anders, als das adulteri-
um verſtanden. Et patres vetuſtiſſimi, heißt es,
ibi præter cauſſam adulterii, & præter ex cauſſa
adulterii vertunt, dum nihil aliud in vocabuli vi ibi
contineri volunt, præter conjugii per illicitum concu-
bitum violationem. Und ſetzet dazu, daß er vor
dem dieſen ſenſum in ſeinem jure naturæ & gen-
tium L. VII. c. 12. p. 845. auch ſelbſt admittiret
habe. Weil er aber hier davon gern wieder
abſpringen will, ſo ſoll es dort nur obiter ge-
ſchehen ſeyn. So geſtehet er auch p. 348. ſeqq.
daß die Syriſche und Arabiſche Verſion eben den
ſenſum de adulterio exprimire, auch p. 350. daß
der alte Griechiſche Lexicographus, Heſychius,
nebſt einem andern alten Etymologo, dieſes
Wort eben alſo erklaͤre. Und zu dieſer ſeiner
contradiction gehoͤret, wenn er in eben dieſer
Materie c. XXII. p. 345. der Juͤdiſchen Meinung
von den Ehe-Scheidungen aus der Berg-Pre-
digt CHriſti Matth. 5, den 31. und 32. Vers op-
poniret, und p. 347. ſetzet: aperte improbat Chri-
ſtus Judæorum opinionem. Und ſo ſehr er auch der
Hillelianer ihren falſchen Grund, da ſie die Worte
5 B. Moſ. 24, 1. _ , turpitudo rei, con-
tra legem grammaticam disjunctive genommen
pro turpitudine, aut quavis alia cauſſa c. XXI. p.
p. 332. zu ſchmuͤcken ſuchet; ſo kan er doch an
dem ſchon angezogenen Orte ſelbſt nicht leugnen,
daß CHriſtus mit ſeinem Ausſpruche Matth. 19,
9. ſolches improbiret und uͤber einen Haufen ge-
worfen habe. Es hilft ihm auch 4) ſeine inſtan-
tia, die er p. 350. vom Ehebruch machet, gar
nichts, wenn er ſaget: adulterium legitime pro-
batum ex judicio forenſi capitale erat, nec ita,
divortio luendum. Denn im 16. Cap. p. 297.
ſeqq. hat er ſelbſt mit mehrern gezeiget, daß nicht
alle des Ehebruchs halben verdaͤchtige Weiber
haben legaliter uͤberzeuget, und alſo legitime zum
Tode verurtheilet werden koͤnnen. Wie ſehr
er aber, um mit dem vorgegebenen ſenſu des
Worts
F f
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