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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des ersten Briefs Pauli Cap. 7, v. 8. 9.
[Spaltenumbruch] zuvor besagte Art im Ehe-Stande Platz haben
möchte.
2. Daß aber nicht alle, sondern die wenig-
sten die Gabe empfangen zum ledigen Leben, be-
zeuget unser Heiland Matth. 10, 11. 12. wenn
er spricht: Das Wort (von dem ledigen Leben
und der beständigen Enthaltung) fasset nicht
jederman, sondern denen es gegeben ist. -
Wer es fassen kan, der fasse es.
3. Es ist aber auch zu mercken, daß diese
Gabe bey einigen nur bloß natürlich ist; indes-
sen aber doch in so fern, wie die gantze Natur mit
allem, was an ihr gutes ist, von GOtt herrüh-
ret, auch von GOtt ist. Denn es sind Leute,
bey welchen man zwar, so viel sie selbst bezeugen,
und so viel man sonst an ihnen abnehmen kan,
die Gabe der Enthaltung findet, welche auch
daher unverheyrathet bleiben; bey denen man
doch aber sonst gar keine Kennzeichen des Gna-
den-Standes, sondern vielmehr das Gegentheil
antrifft. Und also ist gedachte Gabe eigentlich
eine gewisse Beschaffenheit ihrer leiblichen
Constitution.
4. Wenn nun iemand die Gabe hat, es
sey nach der Gnade, oder nach der Natur, so ist
er doch deswegen nicht gehalten im ledigen
Stande zu bleiben, sondern er hat und behält
doch dabey seine Freyheit sich zu verheyrathen.
Und ein solcher kan denn die Ehe in so viel meh-
rer Heiligung führen; zumal, wenn ihm die
gnädige Vorsehung GOttes zu einer Ehegattin
von gleichem Sinne führet.
V. 8.

Jch sage zwar den Ledigen und
Wittwen
(und also auch den Wittwern männ-
liches Geschlechts; als welche alhier durch das
Wort agamoi verstanden werden, da das Wort
kheros von Wittwern so gebräuchlich nicht ist)
es ist ihnen gut, wenn sie auch bleiben,
wie ich.

Anmerckungen.

1. Ob Paulus gleich kein Wittwer war,
so konte er doch wol sagen, es sey gut, wenn die
verwittweten Personen nach ihrer Art im ledigen
Stande bleiben könten, wie er darinnen über-
haupt war.

2. Jn welchem Verstande aber es ihnen
gut sey, ist oben v. 1. von dem Zustande derer
angezeiget, welche gantz und gar der Ehe sich
enthalten.

V. 9.

So sie sich aber nicht enthalten (kön-
nen, ob sie gleich gerne wolten; oder, wie es
nach v. 7. heissen kan, wenn sie die Gabe der
Enthaltung nicht haben) so laß sie freyen; es
ist besser freyen, denn Brunst leiden.
1 Tim.
5, 6. 14.

Anmerckungen.
1. Durch das Wort besser wird alhier
weder von der Brunst zugestanden, daß sie et-
was gutes, noch von dem Ehe-Stande gesaget,
daß er etwas böses oder sündliches sey: sondern
[Spaltenumbruch] es ist eine solche Redens-Art, wie andere der-
gleichen mehr: zum Exempel: Es ist besser,
daß ihr von Wohlthat wegen leidet, denn
von Ubelthat wegen.
1 Petr. 3, 17. Und ist
der Verstand dieser, daß Freyen gut sey, aber
Brunst leiden böse. Es gebrauchet aber Pau-
lus das Wort besser vom Ehe-Stande wol
sonderlich deswegen, weil er das Wort gut,
gut
seyn, vom ledigen Stande gebrauchet hatte.
Und soll es so viel heiffen, als: Es hat zwar der
ledige Stand viele Bequemlichkeiten, und hin-
gegen der Ehe-Stvnd viele Mühe und Lasten:
allein es ist doch besser, oder nicht so arg,
diese Beschwerlichkeiten leiblieher Weise zu er-
tragen, als sich mit der unreinen Brunst nach
Leib und Seele zu versündigen.
2. Ein anders ist Brunstleiden, ein an-
ders einige weder beständige, noch sehr starcke
Reitzungen des Fleisches empfinden. Da für
diese leichte Rath wird durch den Gebrauch der
zur Heiligung verordneten Gnaden-Mittel und
durch sorgfältige Wahrnehmung seiner selbst:
so gehen Pauli Worte eigentlich auf jenes.
3. Und also siehet man aufs neue, welch
ein grosser Greuel im Pabstthum sey, daß man
dem gantzen Stande der Lehrer den Ehestand
verbiethet, dazu auch so viele tausend Mönche
und Nonnen zum ehelosen, und guten theils
auch ehrlosen Leben in die Klöster stecket, und
sie darinnen, unter der Einbildung sonderli-
cher Heiligkeit und Verdienste, zum Gelübde
des ledigen Lebens zwinget, und dadurch die
aller abscheulichsten Schanden und Greuel, an
welche kein Christliches Gemüthe ohne Entsetzen
gedencken kan, verursachet. Und da erweiset
sich zugleich die grösseste Contradiction darinn,
daß man eines theils den Ehestand zum ei-
gentlichen Sacrament machet;
andern
theils aber ihn doch für einen unreinen und
den Lehrern unanständigen Stand hält.
4. Hier entstehet nun eine wichtige und
schwere Frage: Wie denen zu rathen und zu
helfen sey, welche die Gabe der Enthal-
tung nicht haben, aber zum Ehestande
keine Gelegenheit finden?
Da manche vom
männlichen Geschlechte nicht in dem Stande
sind, daß sie eine Familie ernehren können;
vom weiblichen aber so manche nicht gesuchet
werden, sondern sitzen bleiben. Es ist meines
Erachtens von ihnen folgendes wohl zu mercken:
Erstlich haben sie unter dieser Schwierigkeit,
wenn sie von ihrer eignen Schuld nicht herrüh-
ret, die Providentz GOttes zu erkennen, und zu
glauben, daß GOtt ihnen auch dieses werde zum
besten dienen lassen. Und dabey haben sie fürs
andere theils alle Gelegenheit, wodurch, ihrer
eignen Erfahrung nach, die böse Brunst gereitzet
und vermehret wird, getreulich zu vermeiden;
theils aber die Gnaden-Mittel, und sonderlich
das Gebet: Schaffe in mir GOtt ein reines
Hertze
u. s. w. fleißig zu gebrauchen; und denen
Lust-Begierden in sich zum wenigsten in so weit
zu widerstehen, daß sie nach dem neuen Men-
schen dagegen im Streite bleiben, sie auch zu
vermindern und sich noch vielmehr vor groben
Ausbrüchen zu hüten suchen. Thun sie denn
die-
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 7, v. 8. 9.
[Spaltenumbruch] zuvor beſagte Art im Ehe-Stande Platz haben
moͤchte.
2. Daß aber nicht alle, ſondern die wenig-
ſten die Gabe empfangen zum ledigen Leben, be-
zeuget unſer Heiland Matth. 10, 11. 12. wenn
er ſpricht: Das Wort (von dem ledigen Leben
und der beſtaͤndigen Enthaltung) faſſet nicht
jederman, ſondern denen es gegeben iſt. -
Wer es faſſen kan, der faſſe es.
3. Es iſt aber auch zu mercken, daß dieſe
Gabe bey einigen nur bloß natuͤrlich iſt; indeſ-
ſen aber doch in ſo fern, wie die gantze Natur mit
allem, was an ihr gutes iſt, von GOtt herruͤh-
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bey welchen man zwar, ſo viel ſie ſelbſt bezeugen,
und ſo viel man ſonſt an ihnen abnehmen kan,
die Gabe der Enthaltung findet, welche auch
daher unverheyrathet bleiben; bey denen man
doch aber ſonſt gar keine Kennzeichen des Gna-
den-Standes, ſondern vielmehr das Gegentheil
antrifft. Und alſo iſt gedachte Gabe eigentlich
eine gewiſſe Beſchaffenheit ihrer leiblichen
Conſtitution.
4. Wenn nun iemand die Gabe hat, es
ſey nach der Gnade, oder nach der Natur, ſo iſt
er doch deswegen nicht gehalten im ledigen
Stande zu bleiben, ſondern er hat und behaͤlt
doch dabey ſeine Freyheit ſich zu verheyrathen.
Und ein ſolcher kan denn die Ehe in ſo viel meh-
rer Heiligung fuͤhren; zumal, wenn ihm die
gnaͤdige Vorſehung GOttes zu einer Ehegattin
von gleichem Sinne fuͤhret.
V. 8.

Jch ſage zwar den Ledigen und
Wittwen
(und alſo auch den Wittwern maͤnn-
liches Geſchlechts; als welche alhier durch das
Wort ἄγαμοι verſtanden werden, da das Wort
χῆρος von Wittwern ſo gebraͤuchlich nicht iſt)
es iſt ihnen gut, wenn ſie auch bleiben,
wie ich.

Anmerckungen.

1. Ob Paulus gleich kein Wittwer war,
ſo konte er doch wol ſagen, es ſey gut, wenn die
verwittweten Perſonen nach ihrer Art im ledigen
Stande bleiben koͤnten, wie er darinnen uͤber-
haupt war.

2. Jn welchem Verſtande aber es ihnen
gut ſey, iſt oben v. 1. von dem Zuſtande derer
angezeiget, welche gantz und gar der Ehe ſich
enthalten.

V. 9.

So ſie ſich aber nicht enthalten (koͤn-
nen, ob ſie gleich gerne wolten; oder, wie es
nach v. 7. heiſſen kan, wenn ſie die Gabe der
Enthaltung nicht haben) ſo laß ſie freyen; es
iſt beſſer freyen, denn Brunſt leiden.
1 Tim.
5, 6. 14.

Anmerckungen.
1. Durch das Wort beſſer wird alhier
weder von der Brunſt zugeſtanden, daß ſie et-
was gutes, noch von dem Ehe-Stande geſaget,
daß er etwas boͤſes oder ſuͤndliches ſey: ſondern
[Spaltenumbruch] es iſt eine ſolche Redens-Art, wie andere der-
gleichen mehr: zum Exempel: Es iſt beſſer,
daß ihr von Wohlthat wegen leidet, denn
von Ubelthat wegen.
1 Petr. 3, 17. Und iſt
der Verſtand dieſer, daß Freyen gut ſey, aber
Brunſt leiden boͤſe. Es gebrauchet aber Pau-
lus das Wort beſſer vom Ehe-Stande wol
ſonderlich deswegen, weil er das Wort gut,
gut
ſeyn, vom ledigen Stande gebrauchet hatte.
Und ſoll es ſo viel heiffen, als: Es hat zwar der
ledige Stand viele Bequemlichkeiten, und hin-
gegen der Ehe-Stvnd viele Muͤhe und Laſten:
allein es iſt doch beſſer, oder nicht ſo arg,
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tragen, als ſich mit der unreinen Brunſt nach
Leib und Seele zu verſuͤndigen.
2. Ein anders iſt Brunſtleiden, ein an-
ders einige weder beſtaͤndige, noch ſehr ſtarcke
Reitzungen des Fleiſches empfinden. Da fuͤr
dieſe leichte Rath wird durch den Gebrauch der
zur Heiligung verordneten Gnaden-Mittel und
durch ſorgfaͤltige Wahrnehmung ſeiner ſelbſt:
ſo gehen Pauli Worte eigentlich auf jenes.
3. Und alſo ſiehet man aufs neue, welch
ein groſſer Greuel im Pabſtthum ſey, daß man
dem gantzen Stande der Lehrer den Eheſtand
verbiethet, dazu auch ſo viele tauſend Moͤnche
und Nonnen zum eheloſen, und guten theils
auch ehrloſen Leben in die Kloͤſter ſtecket, und
ſie darinnen, unter der Einbildung ſonderli-
cher Heiligkeit und Verdienſte, zum Geluͤbde
des ledigen Lebens zwinget, und dadurch die
aller abſcheulichſten Schanden und Greuel, an
welche kein Chriſtliches Gemuͤthe ohne Entſetzen
gedencken kan, verurſachet. Und da erweiſet
ſich zugleich die groͤſſeſte Contradiction darinn,
daß man eines theils den Eheſtand zum ei-
gentlichen Sacrament machet;
andern
theils aber ihn doch fuͤr einen unreinen und
den Lehrern unanſtaͤndigen Stand haͤlt.
4. Hier entſtehet nun eine wichtige und
ſchwere Frage: Wie denen zu rathen und zu
helfen ſey, welche die Gabe der Enthal-
tung nicht haben, aber zum Eheſtande
keine Gelegenheit finden?
Da manche vom
maͤnnlichen Geſchlechte nicht in dem Stande
ſind, daß ſie eine Familie ernehren koͤnnen;
vom weiblichen aber ſo manche nicht geſuchet
werden, ſondern ſitzen bleiben. Es iſt meines
Erachtens von ihnen folgendes wohl zu mercken:
Erſtlich haben ſie unter dieſer Schwierigkeit,
wenn ſie von ihrer eignen Schuld nicht herruͤh-
ret, die Providentz GOttes zu erkennen, und zu
glauben, daß GOtt ihnen auch dieſes werde zum
beſten dienen laſſen. Und dabey haben ſie fuͤrs
andere theils alle Gelegenheit, wodurch, ihrer
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und vermehret wird, getreulich zu vermeiden;
theils aber die Gnaden-Mittel, und ſonderlich
das Gebet: Schaffe in mir GOtt ein reines
Hertze
u. ſ. w. fleißig zu gebrauchen; und denen
Luſt-Begierden in ſich zum wenigſten in ſo weit
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[234/0262] Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 7, v. 8. 9. zuvor beſagte Art im Ehe-Stande Platz haben moͤchte. 2. Daß aber nicht alle, ſondern die wenig- ſten die Gabe empfangen zum ledigen Leben, be- zeuget unſer Heiland Matth. 10, 11. 12. wenn er ſpricht: Das Wort (von dem ledigen Leben und der beſtaͤndigen Enthaltung) faſſet nicht jederman, ſondern denen es gegeben iſt. - Wer es faſſen kan, der faſſe es. 3. Es iſt aber auch zu mercken, daß dieſe Gabe bey einigen nur bloß natuͤrlich iſt; indeſ- ſen aber doch in ſo fern, wie die gantze Natur mit allem, was an ihr gutes iſt, von GOtt herruͤh- ret, auch von GOtt iſt. Denn es ſind Leute, bey welchen man zwar, ſo viel ſie ſelbſt bezeugen, und ſo viel man ſonſt an ihnen abnehmen kan, die Gabe der Enthaltung findet, welche auch daher unverheyrathet bleiben; bey denen man doch aber ſonſt gar keine Kennzeichen des Gna- den-Standes, ſondern vielmehr das Gegentheil antrifft. Und alſo iſt gedachte Gabe eigentlich eine gewiſſe Beſchaffenheit ihrer leiblichen Conſtitution. 4. Wenn nun iemand die Gabe hat, es ſey nach der Gnade, oder nach der Natur, ſo iſt er doch deswegen nicht gehalten im ledigen Stande zu bleiben, ſondern er hat und behaͤlt doch dabey ſeine Freyheit ſich zu verheyrathen. Und ein ſolcher kan denn die Ehe in ſo viel meh- rer Heiligung fuͤhren; zumal, wenn ihm die gnaͤdige Vorſehung GOttes zu einer Ehegattin von gleichem Sinne fuͤhret. V. 8. Jch ſage zwar den Ledigen und Wittwen (und alſo auch den Wittwern maͤnn- liches Geſchlechts; als welche alhier durch das Wort ἄγαμοι verſtanden werden, da das Wort χῆρος von Wittwern ſo gebraͤuchlich nicht iſt) es iſt ihnen gut, wenn ſie auch bleiben, wie ich. Anmerckungen. 1. Ob Paulus gleich kein Wittwer war, ſo konte er doch wol ſagen, es ſey gut, wenn die verwittweten Perſonen nach ihrer Art im ledigen Stande bleiben koͤnten, wie er darinnen uͤber- haupt war. 2. Jn welchem Verſtande aber es ihnen gut ſey, iſt oben v. 1. von dem Zuſtande derer angezeiget, welche gantz und gar der Ehe ſich enthalten. V. 9. So ſie ſich aber nicht enthalten (koͤn- nen, ob ſie gleich gerne wolten; oder, wie es nach v. 7. heiſſen kan, wenn ſie die Gabe der Enthaltung nicht haben) ſo laß ſie freyen; es iſt beſſer freyen, denn Brunſt leiden. 1 Tim. 5, 6. 14. Anmerckungen. 1. Durch das Wort beſſer wird alhier weder von der Brunſt zugeſtanden, daß ſie et- was gutes, noch von dem Ehe-Stande geſaget, daß er etwas boͤſes oder ſuͤndliches ſey: ſondern es iſt eine ſolche Redens-Art, wie andere der- gleichen mehr: zum Exempel: Es iſt beſſer, daß ihr von Wohlthat wegen leidet, denn von Ubelthat wegen. 1 Petr. 3, 17. Und iſt der Verſtand dieſer, daß Freyen gut ſey, aber Brunſt leiden boͤſe. Es gebrauchet aber Pau- lus das Wort beſſer vom Ehe-Stande wol ſonderlich deswegen, weil er das Wort gut, gut ſeyn, vom ledigen Stande gebrauchet hatte. Und ſoll es ſo viel heiffen, als: Es hat zwar der ledige Stand viele Bequemlichkeiten, und hin- gegen der Ehe-Stvnd viele Muͤhe und Laſten: allein es iſt doch beſſer, oder nicht ſo arg, dieſe Beſchwerlichkeiten leiblieher Weiſe zu er- tragen, als ſich mit der unreinen Brunſt nach Leib und Seele zu verſuͤndigen. 2. Ein anders iſt Brunſtleiden, ein an- ders einige weder beſtaͤndige, noch ſehr ſtarcke Reitzungen des Fleiſches empfinden. Da fuͤr dieſe leichte Rath wird durch den Gebrauch der zur Heiligung verordneten Gnaden-Mittel und durch ſorgfaͤltige Wahrnehmung ſeiner ſelbſt: ſo gehen Pauli Worte eigentlich auf jenes. 3. Und alſo ſiehet man aufs neue, welch ein groſſer Greuel im Pabſtthum ſey, daß man dem gantzen Stande der Lehrer den Eheſtand verbiethet, dazu auch ſo viele tauſend Moͤnche und Nonnen zum eheloſen, und guten theils auch ehrloſen Leben in die Kloͤſter ſtecket, und ſie darinnen, unter der Einbildung ſonderli- cher Heiligkeit und Verdienſte, zum Geluͤbde des ledigen Lebens zwinget, und dadurch die aller abſcheulichſten Schanden und Greuel, an welche kein Chriſtliches Gemuͤthe ohne Entſetzen gedencken kan, verurſachet. Und da erweiſet ſich zugleich die groͤſſeſte Contradiction darinn, daß man eines theils den Eheſtand zum ei- gentlichen Sacrament machet; andern theils aber ihn doch fuͤr einen unreinen und den Lehrern unanſtaͤndigen Stand haͤlt. 4. Hier entſtehet nun eine wichtige und ſchwere Frage: Wie denen zu rathen und zu helfen ſey, welche die Gabe der Enthal- tung nicht haben, aber zum Eheſtande keine Gelegenheit finden? Da manche vom maͤnnlichen Geſchlechte nicht in dem Stande ſind, daß ſie eine Familie ernehren koͤnnen; vom weiblichen aber ſo manche nicht geſuchet werden, ſondern ſitzen bleiben. Es iſt meines Erachtens von ihnen folgendes wohl zu mercken: Erſtlich haben ſie unter dieſer Schwierigkeit, wenn ſie von ihrer eignen Schuld nicht herruͤh- ret, die Providentz GOttes zu erkennen, und zu glauben, daß GOtt ihnen auch dieſes werde zum beſten dienen laſſen. Und dabey haben ſie fuͤrs andere theils alle Gelegenheit, wodurch, ihrer eignen Erfahrung nach, die boͤſe Brunſt gereitzet und vermehret wird, getreulich zu vermeiden; theils aber die Gnaden-Mittel, und ſonderlich das Gebet: Schaffe in mir GOtt ein reines Hertze u. ſ. w. fleißig zu gebrauchen; und denen Luſt-Begierden in ſich zum wenigſten in ſo weit zu widerſtehen, daß ſie nach dem neuen Men- ſchen dagegen im Streite bleiben, ſie auch zu vermindern und ſich noch vielmehr vor groben Ausbruͤchen zu huͤten ſuchen. Thun ſie denn die-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/262>, abgerufen am 25.11.2024.